Naturschauspiel: Finnlands Nationalparks locken mit populären Gipfeln und verborgener Pracht

Die Dutzende, über Finnland verstreuten Nationalparks, empfangen jährlich etwa 3,5 Millionen Besucher, doch die Zahlen sind ungleich verteilt. Die stilleren Parks liegen zwar weiter abseits der ausgetretenen Pfade, doch dadurch steigert sich ihr Reiz lediglich.

Der Stellenwert der freien Natur hat im letzten Jahrzehnt zugenommen.

2020 und 2021 erreichten die Besucherzahlen in den finnischen Nationalparks trotz der Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs durch die Korona-Pandemie ein Allzeithoch. 2022 gab es zwar einen leichten Rückgang, doch war es offiziell mit mehr als 3,5 Millionen Besuchern immer noch das drittbeste Jahr aller Zeiten in den 41 finnischen Nationalparks.

Die Parks dienen einem doppelten Zweck: dem Naturschutz und der Erholung. Sie sind Naturschutzgebiete, stehen aber auch allen zum Kennenlernen und Wohlfühlen zur Verfügung. Es herrscht dabei ein subtiles Gleichgewicht, denn die Natur gedeiht besser, ohne zu viel menschliches Eingreifen.

Die sauberste Luft der Welt

Drei junge Leute mit Rucksäcken wandern einen Hügel hinauf, im Hintergrund sind Berggipfel zu erkennen.

Menschen, die den Pallas-Yllästunturi, Finnlands beliebtesten Nationalpark, besuchen, erzählen, dass sie wegen der Landschaft, Naturerlebnissen, Entspannung und psychischen Wohlbefinden hierherkommen.
Foto: Julia Kivelä/Kuru Resort/Visit Finland

Der mit Abstand beliebteste Nationalpark Finnlands ist der Pallas-Yllästunturi, der  2022 fast 600.000 Besucher angezogen hatte. Er liegt im Nordwesten Finnlands und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 1.000 Quadratkilometern. Laut der Statistik der Weltgesundheitsorganisation kann sich die Region rühmen, die sauberste Luft der Welt zu haben.

Eine Besucherbefragung ergab, dass die Hauptgründe für den Besuch des Pallas-Yllästunturi-Nationalparks die Landschaft, das Naturerlebnis, die Entspannung und das psychische Wohlbefinden waren.

Die beliebtesten Aktivitäten im Park sind Langlaufen im Winter und Wandern im Sommer. An den Nationalpark grenzen mehrere Skigebiete, in denen Tausende Finnen ihren Winterurlaub verbringen.

Beliebt und doch versteckt

Ein Elternteil hält ein kleines Kind hoch, das auf eine sonnige Waldlandschaft blickt.

Der Kurjenrahka-Nationalpark in der Nähe der Stadt Turku in Südwestfinnland ist als Sommerheimat von Zugvögeln wie Kranichen bekannt.
Foto: Katri Lehtola/Visit Finland

Trotz der Besucherzahlen scheint der Pallas-Yllästunturi-Nationalpark für ausländische Touristen ein relativer Geheimtipp zu sein. Eine Umfrage 2016 ergab, dass nur vier Prozent aus dem Ausland gekommen waren. Während der Pandemie sank diese Zahl auf nur noch 1 Prozent.

Zum Vergleich: 2019 waren 6,6 Prozent aller Nationalparkbesucher ausländische Touristen. Bei den anderen Top-5-Nationalparks liegt der Anteil zwischen 6 und 11 Prozent.

Illustre Landschaften

Eine Gruppe von zehn Personen wandert an einem verschneiten Hang entlang, dessen Bäume ebenfalls vollständig mit Schnee bedeckt sind.

Schneeschuhläufer wandern an den schneebedeckten Bäumen des Koli-Nationalparks im Osten Finnlands vorbei.
Foto: Ismo Pekkarinen/Lehtikuva

Von den anderen Parks in den Top 5 befinden sich der Urho-Kekkonen und Pyhä-Luosto (Nummer zwei und fünf) ebenfalls im hohen Norden Finnlands, in Lappland, während der Koli (Nummer vier) im Osten Finnlands liegt. Alle bieten umfangreiche Möglichkeiten zum Wandern und Skifahren. Der Koli ist auch für seine Landschaften bekannt, die bereits im späten 19. Jahrhundert finnische Künstler inspirierten, darunter Maler und Malerinnen wie Venny Soldan-Brofeldt, Pekka Halonen und Eero Järnefelt, Fotograf IK Inha sowie Komponist Jean Sibelius.

Nuuksio, der am dritthäufigsten besuchte Park, erstreckt sich unmittelbar neben Helsinki. Die Wälder sind für die mehr als eine Million Menschen, die in der Hauptstadtregion leben, eine einfache Wahl, wenn sie einen Ausflug in die Natur unternehmen möchten.

Eine Fülle an Parks

Zwei Menschen laufen auf einem Pfad durch eine Wiese voller rosa Blumen.

Blumen tauchen eine Wiese im Etelä-Konnevesi-Nationalpark, der zwischen den Städten Jyväskylä und Kuopio in Mittelfinnland liegt, in Sommerfarben.
Foto: Julia Kivelä /Visit Finland

Henrik Jansson ist Direktor von Parks & Wildlife Finland, das die Nationalparks verwaltet und Teil vom Metsähallitus (was einfach „Waldverwaltung“ bedeutet) ist, ein staatliches Unternehmen, dem staatseigenes Land und Wasser im gesamten Land unterstehen.

„Unsere Aufgabe ist es, Naturexkursionen möglich zu machen“, sagt er. „Das Problem ist, dass wir einige Hotspots haben, die sehr belebt sind, während andere stiller sind. Wir würden uns wünschen, dass ein Teil dieser Besucher sich stattdessen dafür entscheiden würde, weniger besuchte Orte zu frequentieren, aber das ist schwer zu kontrollieren.“

Jansson sagt, dass soziale Medien einen unvorhersehbaren Einfluss auf die Besucherzahlen haben können. Ein paar schöne Fotos von einem Influencer mit einem großen Publikum können an einem bestimmten Ort zu einem plötzlichen Boom verhelfen.

Die Wildnis durchstreifen

Im dämmerigen Abendlicht machen sich vier Kajaks auf den Weg über einen See.

An den magischen nördlichen Sommertagen, in denen die Sonne kaum untergeht, kann man auch bis spät in die Nacht hinein paddeln, wie es diese Exkursion im mittelfinnischen Etelä-Konnevesi-Nationalpark macht.
Foto: Tea Karvinen/Visit Finland

In vielen Ländern muss man für Nationalparks eine Eintrittsgebühr zahlen, oder der Zugang ist durch Tagesquoten begrenzt. Jansson sagt, dass diese Ideen hin und wieder auch hier in Diskussionen auftauchten, aber sie würden nicht wirklich zu Finnland mit seiner starken Tradition des Jedermannsrechts passen.

Das Jedermannsrecht ist eine Rechtstradition, die es nur in den nordischen Ländern gibt. Es gestattet Finnen und Ausländern gleichermaßen, die finnische Wildnis zu erkunden und sogar auf privatem Grund und Boden die köstlichen Waldbeeren und Pilze zu pflücken,

„Wir wollen den gleichberechtigten Zugang für alle erhöhen“, erläutert Jansson. „Aber wir schränken die Bewegung in bestimmten sensiblen Bereichen ein, beispielsweise in Vogelnistgebieten.“

Die Mitarbeiter des Nationalparks unterhalten das Wanderwegenetz in den Parks. Obwohl es (mit einigen Ausnahmen) erlaubt ist, die Pfade zu verlassen, halten sich die meisten Besucher an die markierten Wege, was dazu beiträgt, eine Beeinträchtigung der umliegenden Wildnis so gering wie möglich zu halten. In einigen Parks gibt es auch ausgewiesene Strecken zum Mountainbiken.

Stille Schönheit

Eine Robbe blickt in die Kamera, während sie sich auf einem großen Felsen aalt, der aus einem See ragt.

Im Kolovesi-Nationalpark in Ostfinnland hat man eventuell das Glück, einen Blick auf die zurückgezogen lebende, stark gefährdete Saimaa-Ringelrobbe zu erhaschen.
Foto: Ismo Pekkarinen/Lehtikuva

Selbst die beliebtesten Parks bieten zahlreiche Orte der Ruhe und Stille. Wer jedoch nach mehr Zurückgezogenheit sucht, wirft vielleicht lieber einen Blick ans Ende der Besucherstatistik. Die Wildnis in den letzten fünf Parks auf der Liste ist dennoch atemberaubend schön.

Beispielsweise ist der Kolovesi-Nationalpark in Ostfinnland zwischen den Städten Varkaus und Joensuu einer der besten Orte, um die stark gefährdete Saimaa-Ringelrobbe zu beobachten, eine in Finnland endemische Süßwassertierart.

Die weite Moorlandschaft von Patvinsuo hingegen bietet ein ganz anderes Erlebnis. Sümpfe und Moore sind Kohlenstoffsenken und unbesungene Helden der Artenvielfalt. Sie bieten Lebensraum für Vögel, Schmetterlinge, Pflanzen und Moose sowie große Säugetiere.

Besuch abgelegener Orte

Auf einem Holzsteg, umsäumt von niedrigem Gebüsch, beugt sich ein Wanderer hinunter, um die Vegetation zu betrachten.

Holzstege bilden einen Pfad durch den Patvinsuo-Nationalpark, der eine faszinierende und ökologisch wichtige Landschaft aus Mooren und Sumpfland bietet.
Foto: Ulla Keituri /Visit Finland

Der am allerwenigsten besuchte ist der Bottnische-Meerbusen-Nationalpark, der aus einer Inselgruppe und ihren umliegenden Gewässern im nördlichsten Teil der Ostsee besteht.

Es kann eine Herausforderung sein, dorthin zu gelangen. Es gibt keine regelmäßigen Fähren zu den Inseln des Parks. Taxiboote stehen zur Verfügung, sind jedoch recht teuer. Im Winter ist es möglich, über das gefrorene Meer dorthin Langlauf zu machen, aber das ist definitiv nichts für Anfänger.

Ähnliche Probleme sind charakteristisch für einige andere, weniger besuchte Nationalparks. Sie befinden sich an relativ abgelegenen Orten, abseits der meisten öffentlichen Verkehrsmittel.

Zunehmende Möglichkeiten

Zwei junge Leute fahren auf Fat-Bikes auf einem Waldweg.

Durch die Ausweisung bestimmter Wege für die Fahrradbenutzung, wie dieser Pfad im Seitseminen-Nationalpark nördlich der Stadt Tampere, stellen die Organisatoren sicher, dass jeder die Natur genießen und gleichzeitig die Umweltbelastung minimieren kann.
Foto: Salla Penttilä/Visit Tampere

Laut Jansson sucht Parks & Wildlife Finland nach Wegen, die öffentlichen Nahverkehrsmittel zu erweitern.

In einem erfolgreichen Beispiel wurde mit VR, der staatlichen Eisenbahngesellschaft, kooperiert: Im Sommer 2022 begannen zwei tägliche Züge, Hillosensalmi anzufahren, einen alten Bahnhof, der seit 20 Jahren stillgelegt war. Er liegt in der Nähe des Repovesi-Nationalparks im Südosten Finnlands.

Der Test erwies sich als so beliebt, dass VR die Saison im darauffolgenden Jahr auf ganze sechs Monate ab Ende April verlängerte.

Von Juha Mäkinen, Mai 2023