Und auf geht’s zur geistreichen Helsinkier Gespenstertour

Halloween (31. Oktober) ist die Zeit unheimlichen Treibens. Doch Helsinkis Spukgeschichten sind zu jeder Jahreszeit gruselig. Durch die Geistertour der Stadt werden ihre schaudererregenden Legenden am Leben erhalten.

 „Helsinki ist der ideale Ort für Geistergeschichten, denn viele Gebäude in der Innenstad nennen ein Gespenst ihr Eigen.“

Diese Behauptung von Karri Korppi, der die „Happy Guide Helsinki Tour“ leitet, wird so manchen erstaunen. Schließlich ist Helsinki besser für seine moderne Architektur bekannt als für gruselige Friedhöfe und trübselige, zwielichtige Villen.

Korppi erläutert, dass ein Großteil der Stadt, wie wir sie kennen, eigentlich über Friedhöfen gebaut worden sei. Die Ulrika Eleonora-Kirche aus dem 18. Jahrhundert und ihre Grabstätten wurden zum Beispiel geräumt, um Raum für den Senatsplatz aus dem 19. Jahrhundert zu schaffen, der jetzt ein Wahrzeichen Helsinkis ist.

Der Totenacker, der heute ein schöner, neben der Alten Kirche gelegener Park an der grünen Bulevardi-Straße ist, wird umgangssprachlich als „Pestpark“ bezeichnet, da dort Hunderte von Opfern der Epidemie im 18. Jahrhundert beigesetzt worden sind. Viele Menschen wissen jedoch nicht, dass es in der Nähe Friedhöfe gab, die älter als diese Stätte waren und sich über das heutige Kamppi-Viertel erstreckten.

Horrordrama

Das Hotel Katajanokka befindet sich in einem ehemaligen Gefängnis unweit des Zentrums von Helsinki und soll einen gespenstischen Gast beherbergen, einen Geist, der manchmal Türen zuschlägt.Foto: Peter Marten

Korppi will nicht verraten, wie oder ob einer dieser Orte überhaupt in den beliebten „Helsinki Horror Walks“ seines Unternehmens zu finden ist. „Es handelt sich hier um eine thematisch angelegte Führung, die die Form eines Schauspiels annimmt“, sagt er. „Wir sind keine Schauspieler, aber das Drama ist von uns so angelegt, dass die Geschichten in einer bestimmten Reihenfolge erfolgen. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass wir im ehemaligen Gefängnis des Katajanokka-Viertels starten.“

Gäste des Hotels, das sich heutzutage in diesem Gefängnisgebäude befindet, können sich darauf verlassen, dass das dort wohnende Gespenst, obwohl es dazu neigt, gelegentlich laut Türen zuzuschlagen, ansonsten harmlos ist. Ein andere berühmtes Spukgestalt, ein kopfloser Oberst namens Aleksi, soll ein Gebäude im Stadtteil Kruununhaka heimsuchen: Den Kopf hält er unter seinem Arm und Aufzug fahren soll er auch.

Es ist nicht ganz klar, ob es sich bei ihm um denselben kopflosen Soldaten handelt, dem nachgesagt wird,  auf der Insel Vallisaari, die ursprünglich zur Seefestung Suomenlinna gehörte, umher zu wandeln, oder ob Helsinki einfach besonders anfällig für enthauptete Erscheinungen ist.

Seelenkeller

Sobald die Dämmerung an klaren Herbstabenden hereinbricht, lockt das warme Licht in Kappelis hohen Fenstern Gäste an. Sie wissen vermutlich nicht, dass ein Gespenst angeblich im Keller des Restaurants spukt. Foto: Sari Gustafsson/Lehtikuva

Für Geisterjäger in der finnischen Hauptstadt bietet „Happy Guide Helsinki“, ein prominenter Veranstalter, sowohl öffentliche als auch private Führungen an. Eine weitere Option ist der „Ghost Walk“ des Helsinkier Stadtmuseums (auf Finnisch und gelegentlich auf Englisch), der vom Museum in der Aleksanterinkatu 16 aus startet und in Richtung Kamppi verläuft.

Helsinki ist eine so einvernehmlich moderne Stadt, dass es überrascht, dass hier so viele Gespenster leben. Mein Treffen mit Karri Korppi und seinem Kollegen Emil Anton findet auf der Esplanade im eleganten Restaurant Kappeli statt, das Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde.

Ich schaue plötzlich über meine Schulter und die Haare stehen mir zu Berge, als Korppi und Anton mir vom „kellarin kummitus“, dem Kellergeist, erzählen.

Wie es für Helsinkier Geistererscheinungen typisch ist, scheint diese eher auf schelmische Weise garstig als ganz und gar böswillig zu sein. „Es ist der Geist von Josef Wolontis, der in den 1880er und 1890er Jahren Kappeli leitete, als dies noch eine beliebte Schänke für den Komponisten Jean Sibelius und den Künstler Akseli Gallen-Kallela war“, sagt Korppi.

Montags offerierte Wolontis allen als Abschluss ihrer feuchtfröhlichen Feiern ein kostenloses Frühstück im Kappeli. Er war sehr beliebt, eine Art Restaurantkönig seiner Zeit mit einem gewissen Monopol in der Restaurantszene. Laut Korppi ist Wolontis jetzt der verärgerteste Geist in Helsinki, weil seine Restaurants dieses Monopol nicht mehr besitzen. Das Restaurantpersonal scheint sich davon jedoch nicht stören zu lassen, obwohl einige behaupten, seine Posse erlebt zu haben, Möbel zu verschieben.

Urbane Legenden

Fußgänger gehen an den Grabsteinen und Denkmälern im Park der Alten Kirche vorbei, der wegen der Hunderten von Pestopfern, die 1710 in der Nähe beigesetzt wurden, auch als Pestpark bekannt ist. Foto: Peter Marten

Dies sind so Anekdoten, die die Einwohner und Besucher von Helsinki gleichermaßen ansprechen. „Auch wenn man sein ganzes Leben hier verbracht hat, bin sich überzeugt, dass alle etwas finden, worüber sie noch nie zuvor etwas gehört haben“, meint Korppi. „Wir erzählen die alternative Geschichte von Helsinki anhand von Spukgeschichten und urbanen Legenden. Dazu gehören Verschwörungstheorien ebenso wie berüchtigte Morde.“

Glauben die führenden Geisterjäger selbst an Gespenster? „Ich habe mich schon für unheimliche Gebäude und Geister interessiert, seit meine Schwester in unserem Familienhaus im südöstlichen finnischen Kouvola eine herum wandelnde Dame gesehen hat“, sagt Korppi. „Aber was ein Geist nun genau ist, das steht auf einem anderen Blatt.“

„Ich bin offen für die Möglichkeit, dass sich die Geister von toten Personen manifestieren“, glaubt Emil Anton. „Man hat von so vielen Erlebnissen mit ihnen und so vielen Zeugen gehört. Die summierten Erlebnisse in dieser Beziehung lassen mich eher dazu neigen, es zu akzeptieren als abzulehnen.“

Wo kann man in Finnlands Hauptstadt Gespenster finden?

Helsinki Horror Walks mit Happy Guide Helsinki,  Führungen auf Finnisch und English

Helsinki City Museum’s Ghost Walks, Geistertour des Helsinkier Stadt Museums, findet desweilen auf Englisch statt; es gibt drei Routen:  Promenade Ghost Walk, Kruununhaka Ghost Walk und From Töölö to the Beyond.

Von Tim Bird, Oktober 2019