Das versetzt finnische Familien in Flow-Festival-Stimmung

Für Helsinkis renommiertes Flow Festival ist der Familiensonntag ein buchstäblicher Wachstumsbereich. Schließlich sind kleine Kinder die Musikfans von morgen.

Die Sonne scheint, und trendige Eltern schieben ihre Kinderwagen am ehemaligen Kraftwerk auf dem Gelände des Flow Festivals vorbei, ein dreitägiges Multi-Genre-Event mit fast 150 Musikdarbietungen auf acht Bühnen.

Kinder tollen herum, lachen, tanzen und hören Musik. Sie sehen wie Miniaturversionen der erwachsenen Festivalbesucher aus, nur dass viele von ihnen Ohrenschützer gegen den Lärm tragen und Ballons in der Hand halten. Mehr Kinder als Erwachsene haben Gummistiefel und Mützen an. Manche Kinder sind sogar mit den gleichen Outfits ausstaffiert wie ihre Eltern.

Der „Family Sunday“ des Flow Festivals in Helsinki ist in vollem Schwunge. Kinder und ihre Eltern lassen die Seele baumeln und genießen die Ereignisse.

Erwachsene mit Festivaltickets können am Sonntag von 13 bis 17 Uhr bis zehn Jahre alte Kinder zum Flow Festival mitbringen. Das an Kinder im Vorschulalter gerichtete Programm umfasst eine Disco, einen Textilkunst-Workshop, riesige Seifenblasen, Haarflechten, Skateboard-Unterricht, glitzerndes Make-up, Kinder-Yoga, Filme und DJs.

Die Aufzucht neuer Generationen von Festivalbesuchern

Der Flow-Festival-Familiensonntag startete 2009 mit Kinderkonzerten und DJs. Das Programm wurde im Laufe der Jahre um Workshops wie diesen erweitert, in denen Kinder riesige Seifenblasen erzeugen können.Foto: Tim Bird

Das Flow-Familienprogramm startete 2009, als die Veranstalter und ihre Freunde selbst Kinder bekamen. „Wir wollten den regelmäßigen Festivalbesuchern die Möglichkeit geben, am Sonntag ihre Kinder hierherzubringen“, sagt Suvi Kallio, die Leiterin des Flow Festivals. „Es stellte bloß eine kleine Programmergänzung dar. Und wenn man seine Kinder (für den Nachmittag) dabeihat, muss man nur für den Abend einen Babysitter finden.“

Zuerst gab es am „Family Sunday“ nur Bands und DJs, die Kindermusik auf dem Außengelände, dem  „Backyard“ spielten, aber das Programm hat sich im Laufe der Jahre auf rund 500 Kindern erweitert (2018 betrug Flows Besucherzahl für das gesamte Wochenende 84.000). Laut Kallio ist die Skidit Mega Disko („skidit“ bedeutet Kinder auf Finnisch), die 2017 debütierte, bei den Kids mit am beliebtesten.

Nachmittagsdisco für Kinder und Erwachsene

Die Skidit Mega Disko ist bei Kindern wie Eltern gleichermaßen beliebt. Die Disco findet in einer ehemaligen Kesselhalle statt. Foto: Tim Bird

Der bekannte finnische DJ Orkidea spielt in einer 1.000 Quadratmeter großen, ehemaligen Kesselhalle fröhliche Klänge. Spotlights beleuchten Entertainer, die sich als Figuren aus Kindergeschichten verkleidet haben. Ein Parkplatz für Kinderwagen befindet sich in einer Ecke, und Sofas für Kinder – und ihre müden Eltern – in einer anderen.

Auf der Tanzfläche scheint es, fast so viele Erwachsene wie Kinder zu geben. Die Skidit Mega Disko ist wirklich populär, ebenso wie die andere Tanzveranstaltung im Backyard, wo DJs mehr traditionelle Kindermusik spielen.

Oliver und Verner, zum Zeitpunkt des Schreibens drei und fünf Jahre alt, sind beim „Flow Family Sunday“ mit ihrem Vater und Mutter, Visa und Johanna, zum zweiten Mal mit dabei. „Festivals sind ein Teil der finnischen Sommerkultur, und wir dachten, es wäre schön für die Kinder, diese Atmosphäre mitzuerleben, vor allem, weil es ein spezielles Programm für sie gibt“, sagt Visa.

Die Lieblingsdarbietung der Jungs gehört aber nicht wirklich zum Kinderprogramm. Es ist das Konzert des finnischen R&B-Künstlers Stig Dogg. Nach der Skidit Mega Disko gehen die Jungs mit ihrer Großmutter nach Hause, während die Eltern dableiben, um den Rest des Festivals zu genießen.

Spaß und pädagogische Workshops

Kinder nehmen im Rahmen des Flow Festivals an einem von der Aalto-Universität organisierten Textilkunst-Workshop teil. Die im Workshop gemachten Patchwork-Teile wurden später zu einem großen Gemeinschaftskunstwerk kombiniert. Foto: Tim Bird

Ksenia besuchte den „Family Sunday“ mit ihren Kindern Sofia, 8, Tigran, 6, und einer Freundin. Gemeinsam nahmen sie an einem von der Aalto-Universität organisierten Textilkunst-Workshop teil. Ksenia sagt, sie gehe seit Jahren zum Flow Festival, aber sie sei zum ersten Mal mit ihren Kindern dort. „Unsere Kinder sind schon immer neugierig darauf gewesen, und sie haben das Festivalgelände von außen gesehen. Es war also schön, ihnen endlich zeigen, was es damit auf sich hat“, erzählt sie.

Der Familiensonntag findet vor dem abendlichen Strom von Festivalbesuchern statt. „Natürlich ist die Musik das Interessanteste am Flow, aber es macht auch Spaß im Festivalgelände herumzuschlendern, wenn es nicht so voll ist“, sagt Ksenia. „Und es gibt viele interessante Workshops hier, so dass die Kinder wirklich etwas Neues lernen können.“

Sofia mischt sich mit ihren Ansichten ein: „Ich habe das Seifenblasen gemocht und Patchwork-Kunst zu machen, aber ich möchte auch etwas zu essen bekommen.“

Musik, Tanz, Eiskrem und der Skatepark schienen bei den Kindern am besten anzukommen. Das Skateboard-Training musste nach einem kurzen Regenschauer, der über dem Festival niederging, abgebrochen werden, da der Boden zu rutschig wurde, aber den Kindern machte es anscheinend nicht viel aus. Sie hatten Spaß daran, im Gelände herumzutollen, auch ohne Skateboards.

Erwähnenswert ist auch, dass, während das Flow Festival am „Family Sunday“ Kinder willkommen heißt, wenigstens drei finnische Festivals freien Eintritt für Musikfans am anderen Ende des Altersspektrums bieten: Ilosaarirock in der östlichen Stadt Joensuu und Tuska Open Air Heavy Metal in Helsinki (für die über 65-Jährigen) und Ruisrock in der südwestlichen Stadt Turku ( für die über 70-Jährigen).

Von Anna Ruohonen, August 2018