Auswanderer nehmen an Finnlands Kommunalwahlen teil, die mit zweimonatiger Verspätung stattfinden

Jetzt wird es persönlich. Die Lokalpolitik ist Thema Nummer 1 im ganzen Land. Bei den Kommunalwahlen in Finnland gibt es mehr Kandidaten als anderswo in der Politik. Auch Ausländer können wählen oder für ein Amt kandidieren.

Während eines Wahljahres herrscht in Finnland eine gespannte Erwartung, ein Gefühl, dass ein bedeutsamer Tag bevorsteht.

Anders als bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen haben in Finnland lebende Ausländer das Recht, bei Kommunalwahlen zu wählen und für ein Amt zu kandidieren. Sie können teilnehmen und mit allen anderen mitfiebern.

Für gewöhnlich ist der große Tag der dritte Sonntag im April. Dann kann noch etwas Schnee liegen, aber es schwirrt eine Verheißung des Frühlings, wenn nicht durch die Luft, so doch zumindest in der Vorstellung der Menschen.

Der große Tag im Jahr 2021 ließ lange auf sich warten, denn ein vorübergehender Anstieg der Covid-19-Fälle alarmierte die Behörden und die ursprünglich für den 19. April angesetzten Kommunalwahlen wurden verschoben. Es war eine Zeit, in der höchste Vorsicht geboten war.

Ein neues Datum wurde festgelegt: 13. Juni 2021. Es ist schon etwas ungewöhnlich, eine Wahl zu haben, wenn die Bäume voller Blätter sind und in den Parks die Blumen blühen. Einen Monat vor dem Wahltag begannen die Wahlplakate aus dem Boden zu sprießen. Diese zeitliche Begrenzung hilft allen, sich auf die Wahl zu konzentrieren.

Wahlsaison

Ein Radfahrer und ein Auto fahren an einem großen Zelt auf dem Parkplatz eines Stadions vorbei.

Ein Wahllokal für Drive-Through-, Bike-Through- und Walk-Through-Wahlen in einer Ecke des Parkplatzes neben dem Olympiastadion von Helsinki (links im Hintergrund).Foto: Peter Marten

Die Wahlsaison in Finnland beginnt mit einer Wahlbenachrichtigung von der Agentur für Digitalisierung und Einwohnermeldedaten. Jeder Wahlberechtigte erhält automatisch eine solche Benachrichtigung – entweder als Brief in Papierform oder, wenn man sich dafür angemeldet hat, eine digitale Version. Wahlberechtigt sind Finnen, sowie Bürger aus den nordischen Ländern und den EU-Staaten, wenn sie 18 Jahre oder älter sind und seit mindestens 51 Tagen vor der Wahl in Finnland leben. Für andere Ausländer beträgt die Mindestwohndauer zwei Jahre und 51 Tage. Die Wahlinformationen sind auch online in 31 verschiedenen Sprachen verfügbar.

In der Wahlbenachrichtigung ist das jeweilige Wahllokal für die Stimmabgabe am Wahltag angegeben, sowie mehrere Orte für die vorzeitige Stimmabgabe, die drei Wochen im Voraus beginnt. Das ist praktisch, wenn man am eigentlichen Wahltag arbeiten muss, das Fußballspiel der Kinder schauen oder – jetzt, wo die Wahlen im Juni sind – einfach an den Strand will. Im Jahr 2021 gibt es für Menschen, die geschlossene Räume meiden oder einfach mal etwas Neues ausprobieren möchten, für die vorzeitige Stimmabgabe zu Fuß, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad sogar Pavillons im Freien.

Wie in der Wahlbenachrichtigung erklärt wird, dienen Kommunalwahlen dazu, Vertreter für den Stadtrat, die lokale Regierung, zu wählen. Es ist eine Möglichkeit für die Wähler, Einfluss auf Entscheidungen in ihrer Nähe zu nehmen: Schulen, Parks, lokale Dienstleistungen, lokale Steuern. Die Größe des Stadtrats entspricht der Einwohnerzahl der Gemeinde. Der Stadtrat einer Stadt oder eines Gebiet mit 5.000 Einwohnern oder weniger hat 13 Mitglieder, während eine Stadt mit 500.000 oder mehr Einwohnern 79 Ratsmitglieder hat.

Landesweit wählen die Wähler im Jahr 2021 rund 9.000 Ratsmitglieder in 293 Gemeinden (die autonome Inselgruppe Åland mit 16 Gemeinden hält 2021 keine Kommunalwahlen ab). Insgesamt treten 35.627 Kandidaten an.

Wahlmaschinen

Zwei Frauen stehen neben ihren Fahrrädern vor einem Schreibtisch und unterhalten sich mit einem Mann, der eine reflektierende Weste trägt.

Zwei Wählerinnen sind zu einem Wahllokal im Freien im Helsinkier Stadtteil Töölö geradelt. Foto: Markku Ulander/Lehtikuva

Wer bereits eine Wahl in Finnland erlebt hat, hat wahrscheinlich schon von vaalikonet, wörtlich Wahlmaschinen, gehört.

Diese haben mit der eigentlichen Stimmabgabe nichts zu tun – obwohl Finnland in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter im Hinblick auf die Digitalisierung ist, verwendet das Land keine Wahlmaschinen. Man schlägt die Nummer des Kandidaten oder der Kandidatin auf einer Liste nach, schreibt diese Nummer auf einen Stimmzettel und steckt ihn in die versiegelte Wahlurne. Niemand kann das hacken.

Eine Wahlmaschine ist eine Webanwendung, ähnlich dem Wahl-O-Mat in Deutschland, mit der die Wahlberechtigten ihre Meinungen mit denen der Parteien und Kandidaten vergleichen können. Verschiedene Medien bieten diese Online-Tools auf ihren Websiten an, darunter Helsingin Sanomat, die größte Tageszeitung des Landes, und die nationale Rundfunkanstalt Yle, die sie Wahlkompass nennt und in Englisch und Russisch sowie in Finnlands offiziellen Sprachen Finnisch, Schwedisch und Samisch (gesprochen vom indigenen Volk der Samen, dessen Heimat im Norden liegt) bereitstellt.

Man beantwortet anonym einige Dutzend Fragen zu Themen wie Klima, Gesundheit, Bildung, Geld und Verkehr. Sollen Schulen mindestens ein vegetarisches Mittagessen pro Woche anbieten? Sollen Spitzenverdiener mehr Gemeindesteuern zahlen? Soll das Wahlalter bei Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden? Sollen mehr Grünflächen zur Bebauung ausgewiesen werden?

Sind alle Fragen beantwortet, listet die Wahlmaschine jene Kandidaten und Parteien auf, mit deren Ansichten man am ehesten übereinstimmt. Diese Kandidaten können angeklickt werden, wenn man mehr über ihre Meinungen erfahren und wissen will, wie sie selbst die Fragen beantwortet haben.

Wahlmaschinen werden schon seit ein paar Jahrzehnten von den finnischen Medien angeboten, daher wäre es verkehrt, sie mit Dating-Apps zu vergleichen. Die besten Wahlmaschinen können dabei helfen, die eigene Auswahl der Kandidaten einzugrenzen. Das ist besonders bei Kommunalwahlen hilfreich, denn hier gibt es eine größere Anzahl von Kandidaten, von denen viele nicht bekannt sind.

Mit jeder weiteren Wahl wird Kandidaten, Parteien und Medien zunehmend bewusst, dass die Wähler eine Berichterstattung in mehreren Sprachen wünschen – und auch die Zahl der Kandidaten, die in anderen Sprachen über die Themen diskutieren können, nimmt zu. Yle organisiert Talkrunden zu Wahlen nicht nur in den offiziellen Landessprachen Finnisch, Schwedisch und Samisch, sondern auch auf Englisch und Russisch.

Der Yle-Podcast All Points North kann auch eine englischsprachige Quelle sein, wenn man auf der Suche nach seinem Kandidaten oder seiner Kandidatin ist. Hier gibt es in den Wochen vor den Wahlen Interviews mit den Parteivorsitzenden.

Und nach der Stimmabgabe ist es ein beliebter finnischer Brauch, Kaffee trinken zu gehen.

Von der ThisisFINLAND Redaktion, Juni 2021