Immer mehr Menschen rund um den Globus sind vernarrt in finnische Fernsehserien.
Es sind schöne, junge Frauen mit übernatürlichen Kräften, die im Helsinki der heutigen Zeit leben, und von bösen Satyrn aus der griechischen Mythologie gejagt werden. Um am Leben zu bleiben, müssen sie übrigens einmal im Monat Sex haben. Klingt faszinierend, nicht wahr! Es handelt sich hier um die finnische Fernsehserie „Nymphs“, die von Menschen auf der ganzen Welt wie gebannt verfolgt wird.
„Finnische Horror- und Science-Fiction-Serien sind traditionellerweise äußerst stark“, sagt Johanna Karppinen, CEO von Audiovisual Finland. „So sind die von Fisher King Productions produzierten ‘Nymphs’ gerade von Deutschland eingekauft worden.“
Zuschauer von Japan bis Italien gefallen die zauberhaften, sexy Nymphen. Doch bald schon werden noch mehr Zuschauer in den Genuss kommen. Von Amerika über Russland und Holland bis nach Brasilien wurden bereits die Übersetzungsrechte für die mit ihnen im Kontext stehenden Bücher vergeben. Aber die „Nymphs“ sind nicht die Einzigen. Finnische TV-Serien stehen derzeit weltweit hoch im Kurs.
Stärke in Dramaserien
Audiovisual Finland, das die Unternehmungen der finnischen Produktionsfirmen auf den internationalen Märkten fördert, ist derzeit vollauf beschäftigt.
„Wir helfen ihnen, Kontakte im Ausland zu knüpfen, und begleiten Delegationen zu Fernsehkonferenzen; wir haben marktspezifische Programme, vermitteln Marktkenntnis und assistieren bei der Vernetzung“, erläutert Johanna Karppinen.
In Deutschland hat Audiovisual Finland den Markt und seine Teilnehmer, von den Zuschauern bis zu den Fernsehsendern, ausgekundschaftet und sich angesehen, nach welchen Kriterien Unternehmen Entscheidungen treffen, wie die digitalen Plattformen eingesetzt werden und wie Mitentwicklungs- und Koproduktionsprojekte funktionieren. Darüber hinaus hat es Delegationen nach Cannes, zum SXSW und zu Robert Redfords Sundance Film Festival begleitet. Es hatte damit selbst auf schwierigen Märkten viel Erfolg.
„Schweden war schon immer ein schwieriger Markt für finnische Inhalte“, sagt Karppinen. „Dennoch wurden die TV-Dramen ‚Nurses‘ (Die Krankenschwestern)von Yellow Film und ‚Black Widows‘ (Die schwarzen Witwen) von Moskito dorthin verkauft, denn eine weitere unserer Stärken ist das Drama.“
Tötet die Männer
Eines der derzeit heißesten TV-Dramen ist „Black Widows“, in dem drei Frauen im Mittelpunkt stehen, die ihre missbräuchlichen Ehemänner töten und sich bemühen, ungestraft davonzukommen. Die Serie wurde von Visual Finland mit dem Hulda-Export-Preis ausgezeichnet.
„Es ist schön, Anerkennung für die geleistete Arbeit zu finden, durch die wir unsere Dramen auf den internationalen Markt gebracht haben“, sagt Moskito-Geschäftsführer Roope Lehtinen. „Lange Zeit herrschte in Finnland die Auffassung, dass es praktisch unmöglich sei, dass TV-Dramen außerhalb des hiesigen Binnenmarkts Fuß fassen könnten. Jetzt haben sich die Dinge vor Kurzem sowohl für uns als auch für andere gewandelt, und wir freuen uns, dass dem Beachtung geschenkt worden ist.“
„Black Widows“ ist bereits in ganz Skandinavien erstmals ausgestrahlt worden. Und in der Industrie wird laut dem Hollywood Reporter gemunkelt, dass das führende amerikanische Medienunternehmen CBS dabei ist, eine Neuverfilmung der Serie zu starten. Nach Lehtinen kann ein Großteil ihres allseitigen Anklangs auf die ursprünglichen Absichten des Drehbuchs zurückgeführt werden.
„Bei ‚ Black Widows‘ war uns sehr früh klar, dass dies ein Konzept ist, das eine internationale Anziehungskraft ausüben könnte“, sagt er. „Also haben wir das miteinkalkuliert, als wir das Konzept weiterentwickelt haben.“
Die Eroberung Hollywoods
Lehtinen zufolge muss Audiovisual Finland viel Zeit und Mühe aufwenden, um zu lernen, wie man in einigen der schwierigsten Märkte arbeitet. Eines der schwierigsten Länder ist Amerika, aber es ist auch eines der wichtigsten wegen seiner Größe. Außerdem gibt es keinen besseren Lehrer als heftige Konkurrenz.
„Wir haben viel aus dem Verkauf unseres Materials in den USA gelernt: die Art, wie sie mit Konzepten umgehen, wie sie TV-Serien verpacken und so weiter“, erklärt Lehtinen. „Wir behalten das im Hinterkopf, wenn wir Dramaserien produzieren.“
Die diesbezügliche Industrie in Finnland ist eine kleine Branche. Deshalb ist es wichtig, dass die Firmen zwecks Finanzierung und Koproduktionen mit internationalen Unternehmen zusammenarbeiten. Unterstützt werden sie dabei auch von öffentlichen Organisationen und Industriegruppen wie Audiovisual Finland. Zwei Trümpfe halten die Finnen jedoch in der Hand, und zwar ihre Ideen und ihre Experimentierfreudigkeit.
„In Finnland hat man eine Vorliebe für originelle Konzepte, und so werden denn auch einige sehr interessante Sachen in Auftrag gegeben“, fasst Lehtinen zusammen. „Wir bemühen uns darum, Serien zu entwickeln, die weltweiten Anklang finden und Geschichten von internationalem Rang erzählen.“
Einige Ideen sind einfach zeitlos. Schöne, unsterbliche Frauen mit mystischen Kräften interessierten schon die alten Griechen ebenso sehr wie uns heute.
Von David J. Cord, Mai 2016