Wegen großer Nachfrage intensivieren finnische Museen ihre Online-Aktionen

Da die finnischen Museen in ihren Räumlichkeiten keine Besucher empfangen dürfen, haben sie sich auf ihre Websites und sozialen Medien verlagert, um dem Durst nach Schönheit, Inspiration und neuen Gedanken nachzukommen. Sie bieten dem Publikum alles, von der Videokunst bis hin zu VR-Führungen. Hier sind einige unserer Favoriten.

Finnland ist ein Land der eifrigen Museumsbesucher, und Museen des 21. Jahrhunderts sind begeisternde Orte, an denen man Erfahrungen austauschen und einen Gemeinschaftsgeist erleben kann.

Vor der Ausbreitung des Corona-Virus und des daraus folgenden Besucherverbots zu dessen Eindämmung konnten finnische Museen bereits lange Zeit einen starken und stetigen Anstieg der Besucherzahlen von insgesamt 4,9 Millionen Besuchen im Jahr 2010 auf 7,1 Millionen  2018 (so lautet die letzte Statistik, die im Internet zum Zeitpunkt des Schreibens verfügbar war) verbuchen.

2019 verzeichnete die Museumskarte, die für einen Pauschalpreis 12 Monate lang uneingeschränkten Eintritt in 300 landesweite Museen gewährt, eine Verkaufssteigerung von 20 Prozent auf 185.000 Museumskarten und einen Sprung nach Oben in der Zahl der Museumsbesuche von Karteninhabern um 43 Prozent auf 1,4 Millionen Besuche.

Museen mussten sich bis anhin ähnlich wie die Menschen während der Corona-Virus-Pandemie hinter verschlossene Türen zurückziehen. Und wie viele Menschen wandten sich auch die Museen in zunehmendem Masse ans Internet. Auf ihren Websites in ihren sozialen Medien posten sie Fotoausstellungen, Videokunstwerke, Führungen, Einblicke hinter die Kulissen und Künstlerinterviews.

Im Folgenden kann man einigen Online-Erlebnissen in Museen ganz Finnlands nachspüren, die von Rovaniemi und Oulu im Norden bis nach Helsinki und Turku im Süden reichen. (Wir haben auch einen ähnlichen Artikel über Online-Konzerte.) Wie es auf der Website des Amos Rex, einem Kunstmuseum in Helsinki, so treffend heißt: „Man braucht nicht aufzuhören, Kunst zu genießen“. Die meisten der von uns erwähnten Websites sind zwar auf Englisch, aber man kann zahlreiche visuelle Elemente auch unabhängig davon genießen, welche Sprache man spricht.

Farbenfroh und lebenswichtig

Das Kulturzentrum Korundi befindet sich in der Stadt Rovaniemi, nur wenige Kilometer vom Polarkreis entfernt, und beherbergt das Rovaniemi-Kunstmuseum und das Lappland-Kammerorchester. Ein paar Musiker wandern aus dem Auditorium in die Kunstausstellung und spielen Mozart.

Heli Haapala (Querflöte) und Jonna Staas (Oboe) vom Lappland-Kammerorchester spielen neben einem Gemälde von Raili Tang ein Stück aus der „Zauberflöte“ von Mozart.
Video: Rovaniemi-Kunstmuseum

Das farbenfrohe Gemälde ist Teil einer Ausstellung mit dem Titel „Merry Things“ (Fröhliche Dinge). Eines der Ziele ist den Kuratoren zufolge „die Förderung positiver Gedanken“. In diesem Sinne kann man zu Recht sagen, dass Kunst ein lebenswichtiger Dienst ist.

Das Rovaniemi-Kunstmuseum postet überdies animierte Videos mit Anleitungen für Miniaturkunstprojekte online, die sich ebenso für Kinder wie Erwachsene eignen.

https://www.youtube.com/watch?v=vOZebkSaZ-Y

Es kann manchmal schwierig sein, einen Blick auf das eigentliche Nordlicht zu erhaschen, aber man könnte ja auch sein eigenes machen, und zwar mit Ölpastellfarben.
Video: Rovaniemi-Kunstmuseum

Zwei Schneewittchen und sieben Taschendiebe

„Black, Red, White Diaries“ werden in einem Ausstellungsraum als zweikanalige Installation gezeigt.Foto: Ninni Korkalo

Ninni Korkalo ist im April 2020 im Korundi die Künstlerin des Monats, eine Online-Auszeichnung, die Instagram-Beiträge, Videokunst und einen Fragebogen umfasst, der die Grundlage für eine Episode ihrer neuesten Arbeit, „The Best Lover“, bildet.

In „Black, Red, White Diaries“, Korkalos irrsinnig komischer, respektloser Version von „Schneewittchen“, erzählen zwei verschiedene Schneewittchen die Geschichte, die hinter dem Märchen steckt. Eine spricht mit ostfinnischem Akzent, und die andere spricht brasilianisches Portugiesisch (mit englischen Untertiteln).

Sie „machen die konfuse Geschichte noch konfuser, schreiben sie um und interpretieren sie neu“, erläutert Korkalo in der Videobeschreibung. Ein Schneewittchen schaut direkt in die Kamera und sagt: „Na dann mal los! Zwerge? Es waren sieben Taschendiebe.“

Ninni Korkalos „Black, Red, White Diaries“ ziehen den Betrachter mit seinen zwei Schneewittchen wie magisch an. Später, wenn eine von ihnen einen Schluck Bier trinkt und rülpst, versteht man den Witz. Aber ist es ein Witz?
Video: Ninni Korkalo

Das Arktikum, ein Wissenschaftszentrum und Museum, das auf der anderen Stadtseite von Rovaniemi liegt, bietet Begegnungen mit der arktischen Natur, Kultur und Geschichte. Im untenstehenden Trailer kann man einen Blick auf eine seiner Dauerausstellungen, „Polar Opposites“, werfen.

„Polar Opposites“ in Rovaniemis Arktikum ist eine malerische Reise durch die nördliche Natur.
Video: Arktikum

Fast als wäre man dort

Ellen Thesleffs „Arbour“ (1908), übersetzt “Laube”, zeigt eine Person im Café de Roma in Forte dei Marmi, Italien, in dem Sonnenstreifen durch die Blätter scheinen. Thesleff saß dort gerne, während ihr Blick auf das Mittelmeer schweifte.)Foto: Hanna Kukorelli/Helsinkier Kunstmuseum

Etwa 200 Kilometer südlich von Rovaniemi, aber immerhin noch 600 Kilometer nördlich von Helsinki, veranstaltet das Oulu-Kunstmuseum „Kiss of the Sun“, eine Ausstellung über Ellen Thesleff, die wie Kuratorin Hanna-Reetta Schreck schreibt, „eine eigenwillige, unabhängige Künstlerin“ war.

Thesleff (1869–1954) hielt sich lange Zeit in Paris sowie Florenz auf und gehörte zu den ersten, die den Symbolismus und Expressionismus von dort nach Finnland brachten. Man kann mit allen möglichen Bildschirmen oder mit einem VR-Headset einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung des Museums machen.

Fiktive und faktische Kalamitäten

Warum nicht „Sturm im Mumintal“ neu entdecken und den Rest der originellen Mumin-Bücher, bis das Mumin-Museum wieder offen ist?Illustration: Tove Jansson, Foto: Sort Of Books

Wer ein Fan der Mumins ist, diesen abenteuerlustigen und liebenswerten Figuren, die die schwedisch-sprachige finnische Künstlerin und Schriftstellerin Tove Jansson (1914–2001) erfunden hat, weiß, dass in der mittelfinnischen Stadt Tampere das Mumin-Museum zu Hause ist.

Und wer kein Fan ist, für den wäre es jetzt wirklich an der Zeit herauszufinden, was er oder sie vermisst hat. Solange das Museum geschlossen ist, empfehlen wir, auf die ursprünglichen Mumin-Bücher zurückzugreifen. Die Geschichten und Zeichnungen sind für Kinder wie auch Erwachsene von Relevanz, und beide Gruppen können vielleicht gleichermaßen Ermutigung aus der Tatsache schöpfen, dass die Mumins wiederholt Überschwemmungen, Kometen, Monster und verschiedene andere Katastrophen überlebt haben. Zwei unserer Favoriten sind „Sturm im Mumintal“ und „Komet im Mumintal“.

Was passiert, wenn ein Mumintroll einen Zauberstab schwingt?
Video: Mumin-Museum

In der südwestfinnischen Stadt Turku hat das Wäinö Aaltonen-Museum, benannt nach einem Bildhauer, der von 1894 bis 1966 lebte, „Wounded Ground II“ online veröffentlicht. Die Video-Diashow ist Teil der Sencer Vardarman-Ausstellung „Under the Mother Earth’s Skin“. Jede Aufnahme in der Video-Diashow des türkisch-deutschen Künstlers ist eine Collage aus mehr als 1.000 Satellitenfotos einer Tagebaumine. Sie bilden zusammen wunderschöne und faszinierende Muster, sind aber auch ein Zeichen für Verschmutzung, Zerstörung und Vernichtung.

https://youtu.be/teSh2DaAbrk

In „Wounded Ground II“ fordern Sencer Vardarmans Bilder von Tagebauminen den Betrachter heraus.
Video: Wäinö Aaltonen-Museum

Landschaften und Stadtlandschaften

Vilho Lampi, hier in einem Selbstporträt von 1929 zu sehen, malte häufig nachts, weil er tagsüber mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt war.Foto: Mika Friman/Oulu-Kunstmuseum

Das Helsinkier Kunstmuseum verfügt über eine Skulpturenbank, eine Landkarte mit 500 öffentlichen Kunstwerken, die im Zentrum und in den Vororten der finnischen Hauptstadt zu finden sind, jeweils mit einem Foto und einem Beschreibungslink. Damit bietet sich die Gelegenheit, nach Helsinki zu reisen und sich dort umzuschauen, ohne das eigene Heim zu verlassen. Wie wäre es mit „Nose, Mouth and Footprint of a Giant“ (Nase, Mund und Fußabdruck eines Riesen) oder „Three Moments in the Life of Chewing Gum“ (Drei Momente im Leben eines Kaugummis)? Sie können sich auch das „Monument to Ordinary People“ (Das Denkmal für gewöhnliche Menschen) und den leise klingenden „Pillow Stone“ (Kissenstein) ansehen.

Es gibt auch eine Video-Führung durch die Vilho Lampi-Ausstellung des Helsinkier Kunstmuseums. Lampi (1898–1936) kam aus dem nicht weit von Oulu entfernten Liminka. Er malte seine Porträts und Landschaften meistens abends, nachdem er mit seiner Arbeit auf dem Bauernhof fertig war. (Wer schon auf der Website ist, scrollt, bis er das Video findet, und wählt dann durch Drücken des „CC“-Buttons die englischen Untertitel aus.)

Nastja Säde Rönkkös „for those yet to be“ (für diejenigen, die erst sein werden) gehört im EMMA, dem Museum der modernen Kunst in Espoo, einer Nachbarstadt Helsinkis, zum Ausstellungsprogramm. In einem der 27 Videos des Projekts steht sie auf einem Bohlenweg in Viiankiaapa, einem Moorgebiet im Hohen Norden Finnlands. Im Hintergrund beugt sich ein Regenbogen vom Himmel nieder, während sie ein Schild mit der Aufschrift hochhält: „Da ist etwas an Karma dran“. EMMA hat für jedes Video ein Foto und eine Erläuterung gepostet.

„Ich habe einige der ökologisch fragilsten Orte unseres Planeten besucht“, schreibt Rönkkö auf ihrer Website. „Ich bin zu Orten und Örtlichkeiten gereist, die vom Mensch bereits dauerhaft verändert worden sind oder es gerade werden.“ Ihre Videokunstwerke zielen darauf ab, „diese Veränderungen über persönliche Erfahrungen widerzuspiegeln: unsere fragile Umgebung durch Emotionen, Präsenz und Verletzlichkeit zu erkunden.“

An Orten rund um den Globus „habe ich eine Ein-Personen-Aktion mit einem Pappschild veranstaltet“, sagt Nastja Säde Rönkkö.
Video: Nastja Säde Rönkkö

Online-Regeneration

Teile der „Generation 2020“, eine Ausstellung von 15- bis 23-jährigen KünstlerInnen des Amos Rex in Helsinki, die online zu sehen ist.Foto: Amos Rex

Das Amos Rex in Helsinki bietet verschiedenes Material online, einschließlich Führungen in mehreren Sprachen. Aus der Ausstellung junger Künstler der „Generation 2020“, über die ThisisFINLAND schon vorher einen Artikel geschrieben hat, werden ebenfalls Videoarbeiten vorgeführt.

In „Intelligence”, einem Video von Delilah Sykes, lesen monotone Text-zu-Sprache-Stimmen lustig verwirrende Ergebnisse der verwendeten Texterkennung vor, mittels der über Einstellungen zur Natur geschrieben werden soll: „Fels und Zeug kommen bald, damit Sie das Geld für uns rechtzeitig zurückbekommen.“ „Ich bin so gestresst über meine Angst.“ Sykes versieht die Sätze mit Zwischenschnitten von Aufnahmen von Menschen, die einen Stein beobachten, streicheln, lecken oder sich in anderer Weise auf ihn beziehen.

https://youtu.be/aNUIYGm_pRY

Versuch, Sätze zu verstehen, die mit Texterkennung erstellt wurden, und probier dabei, mit einem Felsen in Verbindung zu treten.
Video: Delilah Sykes/Amos Rex

Auf der gegenüber liegenden Straßenseite des Amos Rex im Kiasma, dem Museum für zeitgenössische Kunst, enthält „Shadow Zone“ das Werk von Liisa Lounila. „Allen Werken dieser Ausstellung ist gemeinsam, dass sie etwas im Schatten aufdecken, etwas Verzerrtes oder Unerwartetes“, erklärt Lounila auf der Kiasma-Website. So sammelt sie alle Bindedrähte von Brottüten eines gesamten Jahres und stellt sie wie Schmetterlingsexemplare aus oder führt Einwegkaffeetassen mit Silbermantel vor oder filmt eine Wiese bei Nacht, während in der Ferne ein Blitz einschlägt.

In diesem Auszug aus „Garden“ von Liisa Lounila ändern sich die Jahreszeiten allmählich, während die Kamera über ein Gartengrundstück schwenkt.
Video: Liisa Lounila

Avantgarde, Vitalität und ein Neubeginn

Natalia Goncharova malte 1908 „Die Gartenarbeit“, im selben Jahr schuf Ellen Thesleff „Arbour“.Foto: Kunstmuseum Ateneum/Tate Images

Das Kunstmuseum Ateneum in Helsinki bietet einen Überblick über die russische Künstlerin Natalia Goncharova (1881–1962), einschließlich ihrer Gemälde, Illustrationen, Kleidungsdesigns und sogar Ballettkostüme. Die Ausstellung war nur ein paar Wochen geöffnet, ehe alle Museen ihre Tore schließen mussten. Goncharova, die einen bedeutenden Einfluss auf die russische Avantgarde-Szene ausübte, interessierte sich nicht nur für zeitgenössische Kunst, sondern auch für russische Volkskunst. Sie sah Parallelen zwischen den beiden und brachte sie in ihre Arbeiten ein.

Der Ateneum-Kurator, Timo Huusko, hat bei der Führung durch die Natalia Goncharova-Ausstellung viele Geschichten in dieses Video gepackt.
Video: Kunstmuseum Ateneum

Im Ateneum-Portal findet man auch eine Website, die einen zu online verfügbaren Sammlungen führt, darunter 13 Kurzfilme in einer „Stories of Finnish Art“ (Geschichten finnischer Kunst) betitelten Reihe. Jeder konzentriert sich auf ein klassisches Werk eines berühmten Künstlers. Wer jemals das Ateneum besucht hat, hat wahrscheinlich eine geraume Zeit vor „Die Genesende“ gestanden, einem Gemälde von Helene Schjerfbeck (1862–1946) aus dem Jahr 1888, einer der bedeutendsten Künstlerinnen Finnlands. Es ist das Thema eines der Videos in „Geschichten finnischer Kunst“. Im Gemälde sitzt ein Kind, das sich von einer Krankheit erholt, an einem Tisch und hält einen Zweig in der Hand, aus dem Blätter sprießen, ein Symbol für neues Leben.

Gleich die Straße runter vom Ateneum stand zum Zeitpunkt des Schreibens auf einem bunten Banner, das über mehrere Etagen eines Gebäudes gespannt war: „Wir werden das überstehen“, „Gib auf dich Acht“ und „Bleib positiv“. Im Video des Ateneums sagt der Erzähler über „Die Genesende“: „Schjerfbecks Gemälde … erzählt uns hauptsächlich über die Erholung von einer Krankheit, von der Rückkehr der Vitalität und einem Neuanfang.“

Dieses Video zeigt eines der bekanntesten Gemälde des Ateneums, „Die Genesende“ von Helene Schjerfbeck. Es wurde 1888 fertiggestellt und ist auch heute von großer Relevanz.
Video: Kunstmuseum Ateneum

Vom ThisisFINLAND-Mitarbeiterstab, April 2020