Inspiration und Einflüsse: 12 Künstler in Finnland sprechen über Leben und Kreativität

Auf einer faszinierenden Entdeckungsreise besuchen wir eine Reihe von in Finnland lebenden Künstlern und Künstlerinnen, um herauszufinden, welche Fragen ihre Arbeit beflügeln und prägen.

Die Natur zieht viele Künstler in Finnland an und beeinflusst sie. Sie suchen im Wald nach besinnlichen Momenten der Ruhe oder wählen Ateliers in der Nähe von Naturgebieten. In ihren Werken verwenden sie häufig natürliche Materialien: Holz, Ton, Blätter, Blütenblätter oder in einem Fall sogar die Flügel toter Vögel.

Die Künstlerinnen und Künstler in diesem Artikel erläutern, wie sie in ihren Werken über biologische Vielfalt, Ökosysteme, Landnutzung und die Beziehung zwischen Mensch und Natur nachdenken. Sie untersuchen auch die moderne Gesellschaft, den Menschen und Fragen der Identität und Gemeinschaft.

Bei Atelierbesuchen und in Interviews in ganz Finnland erzählen 12 verschiedene Kunstschaffende, woher ihre Kunst stammt, wie sie sie schaffen und was sie damit erreichen wollen.

Anni Hanén, bildende Künstlerin

In einem Kunstatelier hängen Drucke an einer Wand, eine Frau hat ihren Arm auf das Kurbelrad einer altmodischen Druckpresse gelegt.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die bildende Künstlerin Anni Hanén (geb. 1981) macht sich oft stundenlang Notizen, während sie unter einem Baum oder am Ende eines Piers sitzt und die Zeit vergisst. Am glücklichsten ist sie auf dem offenen Meer, umgeben von Einsamkeit.

Ihre tiefe Verbundenheit mit der Natur rührt von einer glücklichen, unbeschwerten Kindheit her.

„Ich bin praktisch im Wald aufgewachsen“, sagt sie. „Ich hatte weder einen Spielplatz noch viele Freunde oder Spielzeug, aber ich kannte jeden einzelnen Baum, jeden Stein und jeden Baumstumpf in meinem Wald. Ich war beinahe ein kleiner Förster, als ich eingeschult wurde. Meine Mutter machte sich schon Sorgen, wie ich im echten Leben zurechtkommen würde.“

Ein kleiner Schwarz-Weiß-Druck, der eine Blume zeigt, ist in einen größeren Farbdruck eines gelben Blumenstraußes eingefügt.

Klein, von Anni Hanén.
Foto: Minna Kurjenluoma

In mehreren ihrer Kunstwerke taucht Hanén in Kindheitserinnerungen ein. Ihre jüngsten Kreationen sind von einem kürzlich erworbenen Grundstück inspiriert, auf dem die ursprüngliche Vegetation invasiven Arten zum Opfer gefallen war.

„Die Beseitigung dieser invasiven Arten und die damit verbundenen Veränderungen in meinem Leben haben mich beeinflusst“, sagt sie. „Es war ein reinigender und heilender Prozess. Jetzt gedeihen auf dem verjüngten Grundstück sowohl einheimische Pflanzen als auch solche, die von den früheren Bewohnern eingeführt wurden.“

Hanén legt großen Wert auf die Wahl ihrer Materialien. Ihre Cyanotypien beispielsweise, die nach einer Methode aus dem 19. Jahrhundert hergestellt werden, druckt sie auf Bettlaken, die sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts in ihrer Familie befinden. Hanén genießt die Körperlichkeit des Prozesses.

„Wenn ich in den kreativen Prozess eintauche und die Welt um mich herum verblasst, dann habe ich wirklich das Gefühl, dass ich Fortschritte mache“, sagt sie.

Camilla Vuorenmaa, bildende Künstlerin

Eine Frau in Arbeitskleidung sitzt auf dem Boden eines Ateliers vor mehreren großen Gemälden, die an die Wand gelehnt sind.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die bildende Künstlerin Camilla Vuorenmaa (geb. 1979) versucht, die Einzigartigkeit und Besonderheit des Menschen in ihren Werken einzufangen.

„Die Art und Weise, wie Menschen ihre Umwelt und die Menschen um sie herum beeinflussen, ist faszinierend“, sagt sie. „Jedes Individuum ist bedeutend, und jeder Mensch hat einen tiefgreifenden Einfluss auf seine Gemeinschaft. Es fasziniert mich, wie wir alle miteinander verbunden sind, wie wir in einer Gruppe funktionieren und wie wir uns verhalten, um uns anzupassen und Ablehnung zu vermeiden.“

Etwas, das an das Gesicht und die Schultern einer Frau erinnert ist in dunklen Farben auf einen roten Untergrund gemalt.

Dunkle Seite Leia von Camilla Vuorenmaa
Foto: Jussi Tiainen

Vuorenmaa hat sich mit diesen Themen auseinandergesetzt, indem sie beispielsweise die Kulturen von Fischern und Sportlern erforscht hat. In ihren Arbeiten verwendet sie verschiedene Materialien und Techniken: Malerei, Holzschnitzerei und Multimedia. Normalerweise beginnt sie ihre Reise mit dem Fotografieren ihrer Motive.

„Ich wähle Materialien, die dem Zweck und der Emotion entsprechen, die ich in meiner Kunst ausdrücken möchte“, sagt Vuorenmaa. „Holz hat einen starken physischen Aspekt und einen angenehmen Geruch. Aber es ist auch ziemlich grob.“

Im Gegensatz dazu bringt die Leinwand eine Weichheit mit sich, die bestimmte Kunstwerke ergänzen kann. Auch temporäre, ortsspezifische Kunstwerke spielen eine wichtige Rolle. Ein Werk mit einer kürzeren Lebensdauer bedeutet weniger Druck für den Künstler.

Kihwa-Endale, Malerin und Spoken-Word-Poetin

Eine Person mit sehr kurzem Haar sitzt auf dem Boden eines Ateliers mit Bildern an der Wand.

Photo: Minna Kurjenluoma

Kihwa-Endale (geb. 1992) ist Malerin und Spoken-Word-Poetin. Ihre Arbeit dreht sich um Reflexion und die Überbrückung verschiedener Realitäten, weshalb sie häufig auf Spiegeln malt.

„Der Betrachter des Bildes wird sofort Teil dieser Geschichte, wenn er daran vorbeigeht, auch wenn sie nur vorübergehend ist“, sagt sie. „Ich wollte Spiegel verwenden, weil sie implizieren, dass die Geschichten aller Menschen miteinander verbunden sind, unabhängig von ihrem Hintergrund.“

Die in Helsinki lebende Kihwa-Endale ist teils koreanischer, teils äthiopischer Herkunft und hat in verschiedenen Teilen der Welt gelebt. Sie sieht Kunst und künstlerische Orte als wichtige Impulsgeber für Kreativität, Aktivismus und Entwicklung der Gemeinschaft.

Ein Gemälde zeigt die Köpfe und Schultern zweier Menschen, deren Köpfe vor einem hellen blauen Hintergrund aufeinander ruhen.

Die Glocke läutet und wir sind wieder die Töchter von jemandem (Acryl auf Spiegel) von Kihwa-Endale
Foto: Minna Kurjenluoma

„Als ich mich für ein Kunststudium entschied, konnte ich mich in der Kunst, die in unserer Hochschule gelehrt wurde, oder in den Kunsträumen, die wir besuchten, nicht wiederfinden“, sagt sie. „Manchmal fiel es mir schwer zu erkennen, dass auch ich eine Künstlerin bin.“

„Es gibt so viele Möglichkeiten für Kunsträume und Künstler, mehr Menschen zu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Kreativität zu beschäftigen. Ich halte es für wichtig, mich von meiner Kunst zu lösen, damit ich offen bleibe für das Zusammenwirken mit anderen und mit meiner Umgebung.“

Als Erweiterung ihrer künstlerischen Arbeit hat Kihwa-Endale ein Gemeinschaftsprojekt namens Kairos ins Leben gerufen, das Kunsträume und -praktiken neu gestaltet. Es organisiert in erster Linie eine Reihe kultureller Veranstaltungen in Helsinki, von Dichterkreisen bis hin zu Kunstausstellungen, bei denen verschiedene Erzählungen aufeinandertreffen und künstlerische Ausdrucksformen erforscht werden können.

Matti Aikio, bildender Künstler

Ein Mann steht in einem Wald und trägt Kleidung, die zeigt, dass es kalt ist.

Foto: Minna Kurjenluoma

Der samische Künstler Matti Aikio (geb. 1980) ist gleichzeitig Rentierzüchter. Die Rentierzucht ist ein wichtiger Teil der samischen Kultur, ebenso wie die Jagd und der Fischfang.

Die Samen sind das einzige anerkannte indigene Volk in der EU. Ihr nördliches Heimatland, Sápmi genannt, ist durch die Grenzen der Nationalstaaten Finnland, Schweden, Norwegen und Russland in vier Teile geteilt. In Finnland gibt es etwa 10 000 Samen. Sie bilden eine sprachliche und kulturelle Minderheit.

In seiner Kunst erforscht Aikio die einzigartige Verbindung des samischen Volkes mit der Natur, eine Beziehung, die seiner Meinung nach im Gegensatz zu den Ansichten der modernen Gesellschaft steht. Für Aikio sind diese unterschiedlichen Sichtweisen die Ursache vieler Konflikte.

„Damit die samische Kultur überleben kann, braucht sie eine Verbindung zum Land, wo sie auf traditionelle Weise praktiziert werden kann“, sagt er. „Wir haben aber immer weniger Orte, zu denen wir gehen können.“

Zwei Schwarz-Weiß-Bilder sind übereinandergelegt: Das eine zeigt grasende Rentiere, das andere eine Windkraftanlage.

Standbild von Oikos, einem Video von Matti Aikio.
Foto: Matti Aikio

Aikio entstammt einer Familie, die sich für die Rechte der Samen einsetzt. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater haben für die Rechte der Samen gekämpft. Aikios Kunst zielt nicht auf Aktivismus oder die Mystifizierung der samischen Kultur ab – er will samische Themen mit künstlerischen Mitteln beleuchten.

In seinen Arbeiten kombiniert er bewegte Bilder, Ton, Text und Fotografien. Die langwierigen Arbeitsprozesse erfordern viel Recherche und das Sammeln von Material.

„Ich will Kunst schaffen, die dem Betrachter die Freiheit gibt, sie zu interpretieren, ihm aber im Idealfall auch die Möglichkeit bietet, seine Sichtweise zu ändern“, erklärt Aikio.

So sind beispielsweise für Aikio, wie für seine samischen Landsleute, die Nutzung natürlicher Ressourcen und Bauprojekte im Zusammenhang mit fossilfreier Energie Prozesse, die als Teil eines langen Kontinuums betrachtet werden können.

„Unser Land wird als unberührt angesehen, als Niemandsland, das kontinuierlich ausgebeutet werden kann“, sagt er. „Die Samen sind gegen die Art und Weise, wie diese Projekte umgesetzt werden.“

Paula Humberg, Fotografin und Biokünstlerin

Eine Frau steht in einem Wald und hält an einem langen Stil ein kleines Netz.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die Fotografin und Biokünstlerin Paula Humberg (geb. 1983) lässt sich von der Welt der Wissenschaft und des Umweltschutzes inspirieren. Die Lektüre wissenschaftlicher Veröffentlichungen ist Teil ihres kreativen Prozesses.

„Durch die Kunst als Medium kann ich mich frei in biologische Forschungsthemen vertiefen, die mich faszinieren“, sagt sie.

In ihrer Kunst setzt sie eine Vielzahl von Techniken ein. So sind beispielsweise Mikroskope unverzichtbar für die Darstellung von Organismen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Während ihres Aufenthalts in Peru dokumentierte Humberg Nachtfalter in einem Naturschutzgebiet und in der Nähe eines Wohngebiets mit Hilfe von Zeitraffer-Videografie.

„Anhand der Bilder, die ich gesammelt habe, lassen sich Unterschiede zwischen den Mottenarten in den beiden Umgebungen erkennen“, sagt sie. „Diese Unterschiede wurden auch in Studien festgestellt.“

Orangefarbene und hellblaue Punkte vor einen dunkelblauen Hintergrund.

Zerstreuung: Slot A1 bei 72 Stunden von Paula Humberg
Foto: Paula Humberg

Besonders besorgt ist Humberg über die Abholzung der Wälder. Die Beobachtung bestimmter Arten kann Aufschluss über die biologische Vielfalt des Ökosystems geben.

Während ihres Aufenthalts in Grönland begann Humberg mit der finnischen Biologin Riikka Kaartinen ein gemeinsames Projekt über Bestäuber. Die Zahl der Echten Fliegen in der Region ist im Laufe der Jahre stark zurückgegangen.

Bei ihrer Untersuchung verwendeten sie ein fluoreszierendes Pigment, das unter ultraviolettem Licht leuchtet und die Bestäubung visuell festhält. Heraus kamen wunderschöne Kunstwerke mit Weißen Silberwurzen (eine niedrig wachsende blühende Pflanze), die in der ansonsten dunklen Tundra zu leuchten schienen.

„In Grönland hatte ich das Gefühl, etwas erreicht zu haben, als mir klar wurde, dass es mir gelungen war, die Welten der Biologie und der Kunst zusammenzubringen“, sagt Humberg.

Paavo Halonen, zeitgenössischer Künstler und freiberuflicher Grafikdesigner

Ein Mann in einer Lederjacke sitzt in einem unordentlichen Atelier auf einem Stuhl. Neben ihm steht eine präparierte Gans.

Foto: Minna Kurjenluoma

Paavo Halonen (geb. 1974) ist ein vielseitiger zeitgenössischer Künstler und freiberuflicher Grafikdesigner. Neben seiner künstlerischen Arbeit hat Halonen auch mit seinen Druckentwürfen für die finnische Textil- und Bekleidungsmarke Marimekko und der Gestaltung von Kulissen für eine beliebte Backwettbewerbsshow im Fernsehen seine Kreativität unter Beweis gestellt.

„Ich bin zutiefst fasziniert von den verschiedenen visuellen Medien und ihrem Potenzial, Menschen zu beeinflussen“, sagt er.

In seiner zeitgenössischen Kunst setzt Halonen auf wiederverwendete oder weggeworfene Materialien. Er möchte nicht noch mehr unnötige Dinge produzieren.

„Benutzte Materialien erzählen ihre eigenen Geschichten“, sagt er. „Da ich vom Lande komme, möchte ich vergessene Aspekte unseres verblassenden Volkserbes beleuchten. Ich habe ausrangierte Gebrauchsgegenstände verwendet und sie mit Elementen aus der Natur kombiniert.“

Auf einem Sockel steht die Skulptur eines Menschen mit mehreren bunten Vögeln, die in der Nähe seines Kopfes oder möglicherweise aus seinem Kopf herausfliegen.

Tu’s nie von Paavo Halonen
Foto: Minna Kurjenluoma

Mit den globalen Krisen, der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine hat sich sein Denken weiterentwickelt.

„Ich habe erkannt, dass es nicht ausreicht, nur die Natur in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Halonen. „Ich suchte nach den Wurzeln unserer gesellschaftlichen Probleme und anderer Katastrophen. Dies brachte mich dazu, die Verantwortung des Menschen für das Wohlergehen der Natur und von uns selbst hervorzuheben.“

Inspiration und Lehren schöpft Halonen aus seinen Reisen und den Menschen, mit denen er arbeitet. Die zahlreichen Arbeitsprojekte bringen Ausgleich in das sonst eher einsame Leben eines Künstlers.

„Ausgehend von meinen lutherischen Wurzeln und inspiriert durch meine Zeit in Italien beschloss ich, religiöse Symbole und Heilige in meine Arbeit einzubeziehen“, sagt Halonen. „Für mich repräsentieren sie den Menschen in seiner klarsten Form.“

Enni Kalilainen, Bildhauerin

Eine Person steht in einem Atelier oder Ausstellungsraum mit mehreren Skulpturen auf Sockeln, ein paar Skateboards und einem großen Fenster mit Blick auf den Hof, in dem es eine Skateboardrampe gibt.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die Skulpturen von Enni Kalilainen (geb. 1976) strahlen Tiefe und Ausdruck aus. Sie ist fasziniert vom Material Ton.

„Er hat seine eigene Semiotik und historische Bezüge, die uns sogar zur Bibel und zur Schöpfung führen, in der Gott den Menschen aus dem Staub der Erde formt“, sagt sie. „Ich habe ihn sogar bei der Benennung einiger meiner Werke verwendet, zum Beispiel Geformt vom Staub unter unseren Füßen.“

Kalilainens Skulpturen stellen oft Trans-Figuren dar. Sie mögen nicht das sein, was viele als üblich ansehen, aber dennoch scheinen ihre Werke den Betrachter daran zu erinnern, dass diese Formen genauso zulässig sind. Das Bedürfnis nach Anerkennung und Akzeptanz ist universell.

„Es ist großartig, wenn meine Kunst die queere Gemeinschaft stärken oder eine Botschaft vermitteln kann, die Eltern idealerweise an ihre Kinder weitergeben können“, sagt sie.

Eine Skulptur zeigt zwei menschenähnliche Figuren auf dem Rücken eines pferdeähnlichen Tieres.

Es ist der Staub der Erde. Es ist die Ruhe des Tons und Rauchs, die mich umgibt von Enni Kalilainen.
Foto: Minna Kurjenluoma

Als Kind war Kalilainen oft allein. Als transsexuelle Heranwachsende mit einer Leidenschaft für Kunst passte sie nicht so recht in das Schema einer kleinstädtischen Erziehung in der Arbeiterklasse.

„Die Weg durch die Kindheit, die Jugend und das Erwachsenenalter war eine Herausforderung“, sagt sie. „Leider ist die Situation für Trans-Kinder auch heute noch düster.“

Für Kalilainen war die Kunst eine befreiende Kraft, die es ihr ermöglichte, ihren Weg zu finden und ihre Identität auszudrücken. Sehr aktiv ist sie nicht nur als Künstlerin: Sie ist Erzieherin, Anwältin und sogar Weltklasse-Skateboarderin, die an Weltmeisterschaften teilgenommen hat.

„Mein Leben ist voller Nuancen“, sagt Kalilainen. „Ich habe es geschafft, Erfüllung zu finden, auch wenn der Weg nicht einfach war.“

„Die Menschen sind vielschichtig. Ich habe oft das Gefühl, dass andere versuchen, mich in bestimmte Schubladen zu stecken, und das ist wirklich schade.“

Veera Kulju, Bildhauerin

Eine Frau in roter Kleidung und pinken Crocs sitzt auf einer hölzernen Kiste.

Foto: Minna Kurjenluoma

In der Natur findet die Bildhauerin Veera Kulju (geb. 1975) Trost und Ruhe. Dort spürt sie eine tiefe Verbundenheit mit der Welt um sie herum, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem größeren, zusammenhängenden Ganzen.

„Auch wenn die Natur niemals makellos ist, so ist sie doch auf ihre eigene Weise perfekt und verständlich“, sagt sie. „Dadurch lernt man seine Besonderheiten und eigenen Verletzlichkeiten zu schätzen.“

Kuljus Keramikarbeiten zeigen detaillierte Kreaturen der Pflanzenwelt, mit Blütenblättern und Nadeln. Die Künstlerin sieht sich selbst als Schöpferin von Urwäldern aus Ton. Für sie ist es wichtig, die Wälder in ihrem natürlichen Zustand zu erhalten.

„Das Ökosystem und die Fähigkeit der Natur, ein Gleichgewicht herzustellen, ist ein Wunder“, sagt sie. „Wir sollten es verstehen und respektieren und danach streben, mit ihm im Einklang zu sein.“

Eine schwarze Skulptur in der Form eines Turms mit dreizackigem Sockel.

Der König von Gresa von Veera Kulju
Foto: Chikako Harada

Kuljus Kunst entsteht immer aus ihrer emotionalen Verfassung heraus. Der Kampf ihrer verstorbenen Mutter mit Alzheimer hatte Einfluss auf ihre Arbeit, in der sie über Fragen wie Verzicht und die Essenz des Seins nachdenkt.

„Ich will in meinen Werken sehr präsent sein und einen starken physischen Kontakt mit ihnen herstellen“, sagt sie.

Zu ihren nächsten Arbeiten gehören ornamentale Spiegel, die von Märchen, Fantasie und Magie inspiriert sind. In der heutigen Welt brauchen wir Hoffnung und Verspieltheit in unserem Leben.

„Meine Spiegel sind ein Weg zum Bewusstsein und zu meiner Beziehung zur Natur, aber sie können auch ein Weg zu unseren Fantasiewelten sein“, sagt Kulju.

Anni Rapinoja, bildende Künstlerin

Eine Frau steht vor einer Wand, an der Dutzende von Vogelflügeln aufgehängt sind.

Foto: Minna Kurjenluoma

Anni Rapinoja (geb. 1949) schafft ihre Werke auf der ruhigen nördlichen Insel Hailuoto, wo ihre Familie seit 400 Jahren ansässig ist.

„Ich möchte die Menschen für die sich ständig verändernde Pracht der Natur und den Menschen als Teil davon sensibilisieren“, sagt sie.

Als Botanikerin und Geografin findet Rapinoja ihre Inspiration in der Natur.

„Die Natur ist meine Mitarbeiterin, und sie hat mich Geduld gelehrt“, sagt sie.

Dutzende von Vogelflügeln sind auf weißem Hintergrund arrangiert.

Die Kinder von Ikarus von Anni Rapinoja
Foto: Minna Kurjenluoma

„Arbeiten bedeutet für mich gehen, recherchieren, sammeln, trocknen, pressen, nach Formen suchen, entdecken und erschaffen. Die Herstellung eines Kunstwerks kann Jahre dauern, und es kann sich verändern und weiterentwickeln.“

Eine ihrer berühmtesten Kollektionen ist Die Garderobe der Natur, die bezaubernde Schuhe, Taschen und Mäntel aus Preiselbeerblättern, Wollgras, Schilf und Kätzchen zeigt. Diese „bodenständigen“ Kleidungsstücke und Accessoires haben Betrachtern in aller Welt die Wildnis nahegebracht.

„Die Form des Schuhs wird aus Reispapier und Roggenbrei geformt, später beschichtet und dann mit leuchtend grünen Preiselbeerblättern ausgekleidet“, sagt Rapinoja. „Im Laufe der Jahre verändern sich die Farben allmählich und gehen über graugrüne Schattierungen in schöne Brauntöne, dunkle Brauntöne und fast Schwarz über. Mein Ziel ist es, in all meinen Ausstellungen eine Reihe dieser sich verwandelnden Schuhe zu zeigen.“

Rapinojas Botschaft ist klar: Die Natur ist vielfältig und verändert sich ständig. Der Mensch ist Teil der Natur. Was wir der Natur antun, tun wir auch uns selbst an.

Erno Enkenberg, bildender Künstler

Ein Mann sitzt in einem Atelier, in dem Pinsel, Werkzeuge und Gemälde an der Wand hängen.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die Kunstwerke von Erno Enkenberg (geb. 1975) sind wie Szenen aus Filmen oder Videospielen, die sowohl vertraut als auch fremd wirken. Durch ihre theatralische Beleuchtung vermischen die Werke meisterhaft Realität und Fantasie.

„Meine Werke versuchen, die Menschheit mit den Mitteln der Kunst zu interpretieren – wer wir sind und was unsere Suche nach Identität ausmacht“, sagt er.

Früher begann Enkenberg seinen kreativen Prozess, indem er auf der Grundlage seiner Ideen selbstgefertigte, beleuchtete Papiermodelle anfertigte. Anschließend fotografierte er diese Modelle und verwendete die Bilder als Skizzen für seine Gemälde.

Ein Gemälde zeigt eine Frau vor einer Wand mit einer Hundeleine in der Hand. Es gibt keinen Hund, aber die Leine scheint um den Hals eines menschlichen Schattens an der Wand gelegt.

Leine von Erno Enkenberg
Foto: Erno Enkenberg

„Die Bilder in meinem Kopf sind eher räumlich als flach“, sagt er. „Die Erstellung eines 3D-Modells, das meiner Vorstellung entspricht, ist eine natürliche Erweiterung meiner inneren Welt.“

Heute ist Enkenberg von Papier auf digitale 3D-Modelle umgestiegen, die ihm ermöglichen, freier mit Bildern und Licht zu spielen.

„Die Arbeit in einer digitalen Umgebung ist befreiend“, sagt er. „Ich bin nicht mehr an die Grenzen der physischen Modelle gebunden.“

Inspiration findet Enkenberg oft auf seinem Sofa, während er Bücher liest oder Filme und Fernsehsendungen schaut. In seinen jüngsten Werken steht der Mensch als Akteur seines eigenen Lebens im Mittelpunkt.

Die Kunstwerke „spiegeln das Leben in den sozialen Medien wider“, sagt er. „Wir präsentieren uns ständig für die Wahrnehmung durch andere. Wir alle haben unsere Bühne und unser Publikum. Wir sind alle Darsteller im Theater unseres eigenen Lebens.”

Nayab Ikram, bildende Künstlerin

Portrait einer Frau vor einem Wald.

Foto: Minna Kurjenluoma

Die Fotografin und bildende Künstlerin Nayab Ikram (geb. 1992) kommt von den Åland-Inseln, einem malerischen, autonomen schwedischsprachigen Archipel, der zu Finnland gehört.

In ihren Arbeiten verbindet sie die reiche kulturelle Vielfalt ihrer finnischen Umgebung mit ihrem pakistanischen Erbe. Ihre Kunst bewegt sich zwischen dem Spielerischen und dem Tiefgründigen, mit einem starken Fokus auf kulturelle Identität. Ihre Kreationen sind das Ergebnis ihrer persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen, die sie beim Navigieren in zwei Welten gemacht hat.

„Ich denke, dass die meisten Menschen, die einen ähnlichen Hintergrund wie ich haben, das Gefühl des Dazwischenseins, des Navigierens zwischen Kulturen, Emotionen und Umgebungen kennen“, sagt sie.

Die Fotografie wurde schon in jungen Jahren zu Ikrams Stimme. Sie war ein Ausdrucksmittel für Gefühle, die mit Worten nicht erfasst werden konnten. Heute taucht sie in ihrer Arbeit tief in kulturelle Symbole und Rituale ein und entdeckt dabei überraschende Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen Finnlands und Pakistans.

An einer Küste inmitten von Gezeitentümpeln steht eine Frau und gießt Wasser über das Haar einer knienden Frau. Im Hintergrund stehen zwei weitere Personen.

Stillaufnahme aus dem Video Die Familie von Nayab Ikram.
Foto: Nayab Ikram

„Wenn man sich die Geschichte und die Symbolik anschaut, sieht man, dass dieselben Rituale in verschiedenen Kulturen und Ländern parallel stattfanden“, sagt sie. „Ich finde das sehr interessant, wenn man bedenkt, dass die heutige Gesellschaft und die Medien uns glauben machen wollen, dass diese Kulturen weit voneinander entfernt sind.“

Ihre spielerische Seite zeigt sich deutlich in Symbiose (2022), einer Dauerausstellung in einer Grundschule in Helsinki. Das Werk besteht aus Fotos von Händen, die mit bunter Knetmasse spielen. Es drückt Freiheit und Kreativität aus.

„Für das Material Ton gibt es keine Regeln“, sagt Ikram. „Die Kinder können ihre eigene Zukunft und ihre eigenen Regeln erschaffen, denn sie sind unsere Zukunft.“

H.C. Berg, Künstler und Bildhauer

Ein Mann hält flache, ringförmige Plastikformen hoch, während er vor einer Wand steht, die ein Kunstwerk aus einem Muster konzentrischer Kreise zeigt.

Foto: Minna Kurjenluoma

Der preisgekrönte Künstler H.C. Berg (geb. 1971) nimmt das Leben und seine Möglichkeiten mit Begeisterung an. Er glaubt, dass eine positive Einstellung den Weg zu erfolgreicher kreativer Arbeit weist.

Bei der Gestaltung seiner Meisterwerke setzt Berg neue Technologien und eine vielfältige Palette von Materialien ein, darunter Stahl, Acryl, Glas, Keramik und Kunststoffteile.

„In der modernen Welt fühlt sich die traditionelle Sichtweise auf die Kunst manchmal eher wie ein Käfig an und nicht so sehr wie eine Möglichkeit“, sagt er. „Um sich in diesem neuen Zeitalter wirklich zurechtzufinden, ist es unerlässlich, das Denken der Vergangenheit zu hinterfragen.“

„Die digitale Welt macht die Arbeit auf jeden Fall spannender; man entdeckt immer etwas Neues. Man hat das Gefühl, dass nichts jemals wirklich fertig ist.“

Unter einem Dach aus Glas und Metall sitzen Menschen am Fuße einer Skulptur, die viermal so groß ist wie sie und einen Kopf zeigt, der mit offenem Mund nach oben schaut.

Nereidi von H.C. Berg
Foto: H.C. Berg

Bergs farbenfrohe Werke spielen mit Beobachtung und Realität: Ein Werk kann von einem Standort völlig anders aussehen als von einem anderen.

„Unsere Vorstellungen von unserer menschlichen Identität sind manchmal zu starr“, sagt er. „Die Realitäten sind sehr persönlich. Wie wir etwas sehen, erleben und unsere Beobachtungen beschreiben, hängt von unseren eigenen Lebenserfahrungen ab.“

Berg lebt und arbeitet in der ruhigen ländlichen Gegend von Inkoo, nur einen Steinwurf vom geschäftigen Treiben der Hauptstadt Helsinki entfernt. Er schätzt das Licht und die Stille seiner Umgebung.

„Solche Kontraste sind die wunderbaren Aspekte des Finnischen“, sagt er. „Eine kurze Auto- oder Zugfahrt kann uns in eine völlig andere Dimension als das Stadtleben versetzen. Jeder Finne besitzt einen globalen Geist, der sich in der Stadt gut zurechtfindet. Und doch haben wir alle eine fast schamanistische finnische Seele, die mit der Natur im Einklang ist – beim Pilze sammeln, Beeren sammeln und Fischen.“

Von Helena Liikanen-Renger, März 2024