Finnland ist das Heavy-Metal-Land par excellence mit über 53 Metal-Bands auf 100.000 Einwohner, also mehr als jede andere Nation auf der Welt.
Aber welche finnische Stadt ist die Metal-Hauptstadt? Die Website „Capital of Metal“ schlägt vor, diese Frage zu beantworten, oder vielmehr die Bands und ihre Fans antworten zu lassen, da sie diejenigen sind, deren Meinung zählt. Finnland ist vielleicht das einzige Land, in dem die Metal-Musik und ihre Schöpfer ein so hohes Maß an Akzeptanz, Respekt und, naja, sagen wir es einfach deutlich, Liebe genießen.
Bands können sich auf der Website „Capital of Metal“ online auf Finnlands Landkarte eintragen. Sie dürfen auch mit eigenen Worten der Welt von sich und ihren Heimatorten erzählen. Die Veranstalter, darunter Helsinkis renommiertes Tuska-Festival (tuska könnte mit „Qual“ übersetzt werden), Sony Music Finland und Musikläden wie Musamaailma sowie Record Shop X, hoffen, dass sich möglichst viele der Tausende finnischer Metal-Bands zwischen dem 9. und 20. Mai einchecken und sich damit Geltung verschaffen.
Diese Tausende von Gruppen – und überhaupt Heavy-Metal-Musik im Allgemeinen – scharen Myriaden von Fans überall im Land und auf der ganzen Welt um sich. Metal-Freaks aus allen Ländern können der Website „Capital of Metal“ einen Besuch abstatten, um ihre Favoriten zu „liken“. (Vollständige Offenlegung: „Capital of Metal“ wird auch vom Außenministerium unterstützt, das ThisisFINLAND produziert.)
Und es gibt Preise. Wenn das letzte Worte gesprochen, der letzte Song gesungen ist, wird am 21. Juni die Gewinnerin des Titels „Capital of Metal“ verkündet. Und dabei geht es um mehr als um das Recht sich zu brüsten: Die erwählte Stadt bekommt ihren eigenen Stand beim Tuska-Festival, eine Topchance, der Welt zu zeigen, warum sie gewonnen hat, und den Ruf ihrer Stadt und ihrer Musiker festigen. Die Bands, die ihren Ort auf der Karte markieren, nehmen auch an einer Verlosung für Geschenkgutscheine von Musikläden teil, während die Fans, die die Website besuchen, die Gelegenheit haben, eine Reise für zwei zum Tuska-Festival zu gewinnen, inklusive VIP-Zugang.
Blütezeit finnischen Metals
Lässt man die groben Statistiken über die Anzahl der Metal-Bands in Finnland mal außer Acht, gibt es offenbar etwas in der finnischen Denkweise oder vielleicht in der finnischen Gesellschaft oder in der sauberen Waldluft oder auch im Bildungssystem, das Heavy-Metal-Musik florieren lässt . Es könnte sogar alles oben Genannte zusammen und noch mehr sein. Wir sind nicht die ersten, die es realisieren. Dies ist nicht einmal der erste Artikel in unserem Portal, der sich damit befasst (siehe Links unten).
Ein besonders qualifizierter finnischer Kenner ist Toni-Matti Karjalainen, der derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Aalto-Universität in Helsinki tätig ist und sich unter anderem besonders mit dem Export von Musik und Kultur beschäftigt. Er ist ein multidisziplinärer Akademiker mit Abschlüssen in Design und Wirtschaft, und er ist überdies die treibende Kraft hinter der alljährlichen „Modern Heavy Metal Conference“ genannten Veranstaltung, die 2015 aus der Taufe gehoben wurde und zufällig in derselben Woche wie das Tuska-Festival in Helsinki stattfindet.
Zu den Vortragsthemen der Konferenz gehörten: „Warum soll man sich für die Forschung in der Musikphilosophie auf finnischen Heavy Metal konzentrieren?“; „Exodus ins ‚gelobte Land des Heavy Metal‘: Wie eine internationale Präsenz die Metal-Szene in Finnland beeinflusst hat“; „Death/Doom Metal als Teil von Yorkshire, England“; „Folk Metal als Musikerbe: Ein Beispiel aus Java“ und „Finnische Mythologie in Heavy Metal“.
Karjalainen hat den ganzen Globus bereist, um an Metal-Konzerten teilzunehmen und Fans zu interviewen, und er hatte die Gelegenheit darüber nachzudenken, was finnischer Metal für den Rest der Welt bedeutet und umgekehrt.
Reiz und Sog
Warum ist Finnland die Capital of Metal? Tuska. (Video mit englischem Text.)Video: Capital of Metal
Klanglich passt die finnische Sprache sehr gut zur Metal-Szene“, sagt Karjalainen und gibt rhythmische Laute von sich, die demonstrieren sollen, dass Finnisch eine „von Konsonanten angetriebene“ Sprache ist, und nach seinen Worten „gut zu den übrigen Instrumenten passt“. Jeder, der mal versucht hat, Finnisch zu lernen, dem ist bestimmt die Ausuferung von Doppelkonsonanten aufgefallen.
Zahlreiche finnische Bands singen natürlich auf Englisch, aber „wenn eine Band auf Finnisch singt, klingt das schräg, einzigartig und irgendwie exotisch“ für ausländische Zuhörer. Karjalainen hat das Publikum beobachtet, als Mokoma und Stam1na, zwei Bands, die auf Finnisch singen, ihre ersten Konzerte in Japan gaben, und, überraschenderweise, „ sang die gesamte erste Reihe die Texte laut mit“.
Karjalainen zufolge sind die betreffenden Texte „selbst für finnischsprachige Personen nicht unmittelbar verständlich“. Wenn finnische Metal-Musik Fans dazu motiviert werden können, Texte auswendig zu lernen, die sie nicht verstehen, spricht das Bände über den Reiz und die Sogwirkung dieser Musik.
Einflüsse und Inspirationen
Warum ist Finnland die Capital of Metal? Weil Obama das behauptet. (Video mit englischem Text.)Video: Capital of Metal
Über den Rhythmus der Sprache hinaus haben auch andere Faktoren den finnischen Metal wachsen lassen und seinen Sound wohl mitgestaltet, obwohl es eigentlich nicht nur einen finnischen Sound gibt. Der Begriff „Heavy Metal“ umfasst eine scheinbar grenzenlose Liste von Genres und Subgenres: Black Metal, Doom Metal, Folk Metal, Glam Metal, Goth Metal, Melodic Death Metal, Power Metal, Pagan Metal, Speed Metal, Symphonic Metal und mehr.
Es gibt die finnische Natur, die sich auf die natürliche Umwelt Finnlands bezieht, und dann ist da die Natur der Finnen, mit anderen Worten ihre Persönlichkeit und Gesellschaft. All dies steuert zur finnischen Metal-Musik bei.
„Wenn man mit den Künstlern spricht, erwähnen sie immer wieder“, so Karjalainen, dass Musiker, die an Orten aufwachsen sind, an denen der Winter von langen Nächten und rauer Witterung geprägt ist, zu „melancholischen Akkorden“ hintendieren. Wenn man ein Teenager mit Gitarre sei, „fängt man nicht an, eine Salsa-Band zu gründen.“ Auch wenn eine solche Diskussion sich der Gefahr aussetzt, an den Klischees über Finnland zu scheitern, „trifft sie wahrscheinlich auf allgemeiner Ebene zu“, sagt er.
Man hört häufig, dass finnische Designer und Künstler bekunden, von der Natur beeinflusst und inspiriert worden zu sein, den finnischen Wäldern und Seen sowie Materialien wie Birkenholz, und das wird auch im Gespräch über Metal-Musik geäußert. Mehr als 70 Prozent der finnischen Landesfläche ist von Wald bedeckt, und ein ähnlich großer Teil finnischer Metal-Album-Cover zeigt Bands, die in Wäldern posieren.
Musiker wollen sich jedoch nicht in Schablonen pressen lassen. Finnische Gruppen finden laut Karjalainen häufig Anerkennung für ihre Individualität, was ihre „Konzepte oder ihr technisches Können betrifft“. Die beiden Bands Nightwish und Children of Bodom genießen einen solchen Ruf und haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, anderen Gruppen den Weg zu ebnen, als der finnische Metal in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren den großen Durchbruch erlangte.
Alle sind glücklich
Warum ist Finnland die Capital of Metal? Weil sogar unsere Wiegenlieder Metal sind. (Video mit englischem Text.)Video: Capital of Metal
Die finnische Gesellschaft hat auch dazu beigetragen, dass sich der Metal entwickeln konnte. Alle Musikstile haben von der integrierten Musikerziehung an den finnischen Grundschulen profitiert. „Wenn man mit Leuten spricht, die in der Musikindustrie arbeiten oder in Bands spielen, finden sie alle, dass dies Einfluss auf die allgemeine Akzeptanz von Musik gehabt hat, weil die meisten jungen Leute irgendwann ein Instrument ausprobiert haben“, sagt Karjalainen . „Man spürt förmlich die befürwortende Atmosphäre gegenüber Musik in unserem Land.“
Während der Metal in Finnland „nicht unbedingt als Mainstream angesehen wird“, wird er auch nicht als Anti-Establishment wahrgenommen. Die finnische Gesellschaft hat auf die Metal-Szene mit einer höheren Akzeptanz als in vielen anderen Ländern reagiert, in denen Heavy Metal desweilen in eine Untergrundexistenz getrieben worden ist. Er ist immer noch eine Subkultur und nicht jeder Finne ist ein Metal-Musik-Experte, aber er bildet eine große Subkultur.
Auch herrscht innerhalb der Metal-Szene weit weniger innerer Zwist zwischen den Subgenres als in vielen anderen Nationen. „Alle sind glücklich, und wir sind Freunde“, stellt Karjalainen fest.
Von Peter Marten, Mai 2018
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