Der Wettbewerb fand fast den ganzen Mai über und im Juni 2018 statt. Metal-Bands und ihre Fans konnten Bands auf der Capital-of-Metal-Website eintragen und dadurch die Anzahl von Bands für ihren Heimatort geltend machen.
Zwei Spitzenreiter ergaben sich schließlich, beides ostfinnische Orte. Joensuu oder Lemi, wer würde wohl zur Capital of Metal (Hauptstadt des Heavy Metals) gekürt werden? Bis zum Schluss blieb es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und beide Wettbewerber riefen ihre lokalen Bands und Fans dazu auf, ins Netz zu gehen und mitzumachen.
Joensuu ging sogar so weit, Katzen-Memen zu schaffen, um ihr Anliegen zu fördern. Aber letzten Endes wurde klar, dass der Sieger die winzige, 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernte Gemeinde Lemi ist.
Der Wettbewerb um die World Capital of Metal wurzelt in Finnlands Ruf als Land mit der größten Anzahl von Metal-Bands pro Kopf in der Welt (53,2 Bands pro 100.000 Einwohner). Lemi gewann den Wettbewerb mit 13 Bands und einem theoretischen Verhältnis von 422.6 Bands pro 100.000 Einwohner, während Joensuu (Bevölkerung: 75.848) mit 177 Bands und einem Verhältnis von 233.4 Bands pro 100.000 Einwohner den zweiten Platz belegte. In absoluten Zahlen besitzt Joensuu die größte Anzahl an Bands von allen finnischen Städten und Gemeinden.
Helsinki, die Hauptstadt Finnlands, verzeichnete 123 Bands, was bloß 19,4 Bands pro 100.000 Einwohner entspricht. In ihrer Kampagne bat Helsinki Tallin, die Hauptstadt des nahe gelegenen Estlands, um Hilfe, aber selbst diese Doppelmetal-Metropole mit dem Spitznamen Hellin erreichte immer noch nur 154 Bands, weniger also als Joensuu.
Lemi liebt Metal
Aber wie wurde die ländliche Gemeinde Lemi zur Welthauptstadt des Heavy Metals?
„In Lemi hat Musik im Leben der Menschen immer eine große Rolle gespielt“, sagt Jussi Stoor, der Bürgermeister der Gemeinde. “Die Leute haben hier schon seit alters her beispielsweise viertönige Hymnen gesungen.” Stoor erhielt am 30. Juni 2018 bei der offiziellen Verleihung des Capital of Metal Awards auf der Hauptbühne des Tuska Open Air Metal Festivals in Helsinki den Ehrentitel “Mayor of Metal”.
„Ich war wirklich überrascht, obwohl ich wusste, dass viele Leute in Lemi Musik machen”, sagt Rolle Hirsimäki, ein Gitarrist aus Lemi. “Vielleicht wird der Musik auf dem Lande ein größerer Stellenwert eingeräumt, da es dort nicht so viele andere Aktivitäten gibt“, sagt er. Seine Band Kasvoton (Gesichtslos) spielt extremen Death Metal. Sie wurde 2010 gegründet, als ihre vier Mitglieder noch in Lemi in die Schule gingen.
Sowohl Stoor als auch Hirsimäki nennen eine Metal-Band aus Lemi, die seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Vorbild für junge Leute ist: Stam1na. „Es gibt eine Menge Musikgenres außer Heavy Metal, aber vielleicht erklärt die Tatsache, dass Stam1na so berühmt ist, warum die Menschen in Lemi so auf Metal stehen“, sagt Stoor.
Hirsimäki ist ganz seiner Meinung: „Stam1na hat gezeigt, dass es möglich ist, gute Musik zu machen und populär zu werden, selbst wenn man aus einem kleinen Ort stammt.“ Lemi hat schon vor der Capital-of-Metal-Kampagne eng mit Stam1na zusammengearbeitet.
Hilfestellung für die Musik
Lemi gewann den Wettbewerb jedoch nicht nur wegen Stam1na. Es investierte in Musik und junge Leute, indem es jungen Musikern beispielsweise Band-Proberäume zur Verfügung gestellt hat. Laut Stoor haben mindestens ein halbes Dutzend Bands kommunale Probenräume in Lemi. Dort begann auch Kasvoton zu spielen, und Stam1na hat ebenfalls noch einen Proberaum in der Gemeinde.
Während Lemi Stam1na sein Eigen nennen kann, veranstaltet Joensuu seit den 1970er Jahren ein alljährliches Rockfestival, Ilosaarirock, und hat damit eine Tradition aufgebaut. In Joensuu können aufstrebende Bands Subventionen beantragen, um ihre ersten europäischen Tourneen zu finanzieren. „Ich muss Joensuu gratulieren“, sagt Stoor. „Es ist das Mekka für Metal-Musik. Es gibt dort zahlreiche Bands. Der Wettbewerb war hart, aber ehrlich gesagt, bin ich froh, dass wir diese Kultur gemeinsam fördern.“
Stoor und Hirsimäki sind sich einig, dass der Wettbewerbssieg etwas mit Lemis starkem Gemeinschaftsgeist zu tun hat. „Die Bands waren aktiv und haben bei der Kampagne mitgemacht“, sagt Stoor.
Stoor engagierte sich jedenfalls mit Begeisterung und drehte sogar ein Video als Reaktion auf den Hilferuf Helsinkis an Tallinn. „Wir können wir uns keine ausgefallene Videoausrüstung leisten, weil wir ein kleiner Ort sind“, sagte er im Clip. „Doch wir brauchen keine Hilfe aus dem Ausland mit Metal-Bands wie andere anscheinend.“
Stoor genoss den Prozess: „Helsinki hat sein Video mit Humor gemacht, und wir auch.“ Er sagt, dass er seit seiner Jugend ein Metalhead ist. „Das passt also sehr gut zu meinem Genre. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich von der Konkurrenz so begeistert war.“
Nächster Halt: Lemi
„Diesen Wettbewerb zu gewinnen, ist eine große Sache für eine kleine Gemeinde“, stellt Stoor fest. „Er hat uns viel Publizität eingebracht. Ich habe Leute in sozialen Medien sagen hören, dass ihr nächstes Reiseziel Lemi sei.“
Ende Juli finden in Lemi zwei jährliche Musikveranstaltungen statt: Lemin musiikkijuhlat (Musikfestival Lemi) mit überwiegend klassischer, Jazz- und Chormusik und KontuMetal, „das einzige Metal-Festival in Südkarelien“, wie Ristimäki es nennt. Stoor verspricht, dass die Gemeinde mehr Metall planen wird.
Wer eine Reise nach Lemi plant, sollte beachten, dass man dort ein Ferienhaus mieten kann, jedoch für ein Hotel in die 20 Autominuten entfernte Stadt Lappeenranta fahren muss.
Von Anna Ruohonen, Juli 2018