2020 jährte sich der 75. Jahrestag der Mumin-Bücher. Die schwedischsprachige finnische Künstlerin und Autorin Tove Jansson (1914–2001) schrieb und illustrierte neun Mumin-Romane (einer ist eigentlich eine Kurzgeschichtensammlung) sowie diverse Bilderbücher und Comics. Sie schrieb auch andere Romane und Kurzgeschichten sowie hatte eine erfolgreiche Karriere als Illustratorin und Malerin.
Die ersten aus dem Schwedischen übersetzten Mumin-Bücher erschienen auf Englisch. Die Geschichten gewannen ein britisches Publikum, noch bevor finnischsprachige Verlage erkannten, wie außergewöhnlich die Mumins sind (Finnisch und Schwedisch sind beide Amtssprachen in Finnland). Die Figuren schlagen Leser aller Altersgruppen mit ihrem abenteuerlichen Charakter, ihrer Weisheit, ihrer Schrägheit, ihren Einsichten und manchmal ihrer respektlosen Haltung in ihren Bann.
Das 1945 auf Schwedisch veröffentlichte Buch „Mumins lange Reise“ (auch „Willkommen im Mumintal“ betitelt) war nicht das erste, das übersetzt wurde. Die englischsprachige Welt lernte Mumin und andere Figuren 1950 in „Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft“ kennen, während Finnischsprechende 1952 ihr erstes Mumin-Bilderbuch und 1955 ihren ersten Mumin-Roman erhielten.
Wir präsentieren die Bücher in der chronologischen Veröffentlichungsreihenfolge der schwedischen Originalversionen (einige Titel wurden später überarbeitet) und enthalten jeweils ein Zitat, durch zum Schmunzeln und Nachdenken angeregt.
Mumins lange Reise
(1945 in schwedischer Sprache in Helsinki als Småtrollen och den stora översvämningen veröffentlicht)
In der Einleitung erzählt Jansson, wie ihre Arbeit 1939 während des Zweiten Weltkriegs versiegte und ihr „so sinnlos“ vorkam. Sie begann mit dem Buch, um sich abzulenken, und vergaß es dann bis 1945.
„Mumins lange Reise“ stellt eine Vielzahl der heute so vertrauten Figuren vor. Schnüfferl kommt in der Geschichte vor, aber er wird dort einfach „das kleine Tier“ genannt, und die Mumins sehen dünner aus als ihre späteren Inkarnationen. Das Buch verleiht uns auch einen Vorgeschmack auf die kommenden Abenteuer. So wird das Mumintal in „Sturm im Mumintal“ erneut von einer Flut überschwemmt.
Zitat: „Ich denke, das ist das Wunderbarste, was wir bisher durchgemacht haben“, sagte Muminmutter. „Denn Fliegen ist bei weitem nicht so beängstigend, wie ich dachte.“
Komet im Mumintal
(1946, Kometjakten)
Ein Komet rast durch den Weltraum und kommt der Erde immer näher. Muminmutter packt Mumin den Rucksack voller Sandwiches und Wollsocken. Er macht sich mit seinem Freund Schnüferl auf den Weg zum Observatorium in den fernen Einsamen Bergen, um sich von den dortigen Professoren beraten zu lassen. Unterwegs schließen sich Schnupferich und andere ihrer Forschungswanderung an.
Das Buch enthält Begegnungen mit einem Drachen, einem Adler, einem Tintenfisch und einem giftigen Busch, der versucht, Vorbeigehende zu packen. In einer epischen Szene überquert die Gruppe den trockenen Meeresboden auf Stelzen (der Komet hat das Wasser zurücktreten lassen).
Zitat: „Es wäre eine schreckliche Sache, wenn ein Komet die Erde treffen würde … Alles würde explodieren“, sagte Mumin düster. Es herrschte eine lange Stille. Dann sagte Schnupferich langsam: „Es wäre schrecklich, wenn die Welt explodieren würde. Sie ist so schön.“
Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft
(1948, Trollkarlens hatt)
Mumin, Schnüferl und Schnupferich finden auf einem Berggipfel einen schwarzen Zylinder. Sie stellen bald fest, dass er magische Kräfte besitzt. Könnte er einem beängstigenden Magier gehören, der mit einem riesigen schwarzen Panther durch das Universum fliegt? Könnte dieser Zauberer nach dem größten Rubin der Welt suchen, den ihm jemand gestohlen hat? Objekte mit magischen Kräften führen zu gefährlichen Abenteuern.
Zitat: Draußen verdoppelte der Sturm seine Wut. Die Stimme der Wellen vermischte sich jetzt mit seltsamen Geräuschen: Lachen, rennende Füße und das Läuten großer Glocken weit draußen auf dem Meer. Schnupferich lag still und lauschte, träumte und erinnerte sich an seine Weltreise.
Muminvaters wildbewegte Jugend
(1950, Muminpappans bravader)
Eines Tages setzt sich Muminvater hin, um seine Memoiren zu schreiben, und gibt „der Versuchung“ nach, „über mich selbst zu sprechen“. Hardcore-Fans lieben dieses Buch, weil es so viele Hintergrunddetails enthält: Muminvater enthüllt Geschichten über seine wilde Jugend. Wir finden heraus, wie er Muminmutter kennenlernte und wer Schnüferls und Schnupferichs Eltern sind.
Zitat: Die Welt war damals sehr groß, und kleine Dinge waren klein viel schöner als jetzt und passten sehr viel besser zu mir. Wenn du verstehst was ich meine. (Muminpappa)
Sturm im Mumintal
(1954, Farlig midsommar)
Als eine Flut das Mumintal überschwemmt, flüchtet die Familie in die oberste Etage ihres Hauses und schafft es schließlich, an Bord eines mysteriösen schwimmenden Hauses zu klettern. Es stellt sich als Theater heraus, aber keiner von ihnen weiß, was ein Theater ist.
Allmählich entwickeln sie ein Theaterstück, und die Waldbewohner tauchen in Booten auf, um sie auf der schwimmenden Bühne zu sehen, doch das Publikum glaubt, dass die Ereignisse auf der Bühne real sind. In einer Nebenhandlung unternimmt Schnupferich Schritte, um den Park-Wächter zu überlisten, der Schilder aufstellt, die Lachen, Pfeifen, Hüpfen, Springen, Tänzeln und alles andere verbieten, was Spaß macht.
Zitat: Plötzlich machte die Kleine My einen verzweifelten Sprung auf die Bühne, stürzte sich auf den Löwen und versenkte ihre kleinen scharfen Zähne in sein rechtes Hinterbein. Der Löwe stieß einen Schrei aus und brach in der Mitte ein.
Winter im Mumintal
(1957, Trollvinter)
Normalerweise halten die Mumins im Winter ihren Winterschlaf, ihre Mägen voller nahrhafter Kiefernnadeln. Diesmal wacht Mumin mitten im Winter auf und kann nicht mehr einschlafen. Er entdeckt eine viel dunklere, kältere Welt, erlebt zum ersten Mal Schnee und macht neue Bekanntschaften. Einer von ihnen ist Tooticki, eine Figur, die auf Janssons Lebenspartnerin, der Künstlerin Tuulikki Pietilä, aufgebaut ist. Kleine My ist auch wach und kann ziemlich gut Eislaufen.
Zitat: Ich denke über die Aurora Borealis nach. Man kann nicht sagen, ob sie wirklich existiert oder ob es nur so aussieht, als ob sie existiert. Alle Dinge sind doch äußerst ungewiss, und genau das gibt mir das Gefühl der Beruhigung. (Tooticki)
Geschichten aus dem Mumintal
(1962, Det osynliga barnet)
In diesem Buch mit Kurzgeschichten begegnen wir alten Freunden sowie weniger bekannten Figuren. Der Titel der Sammlung heißt auf Schwedisch genauso wie der einer der Geschichten: „Das unsichtbare Kind“. Andere Geschichten sind „Der Hemul, der die Stille liebte“ und „Die Filifjonka, die an Katastrophen glaubte“.
In „Die Frühlingsmelodie“ verändert Schnupferich das Leben einer anonymen Waldkreatur, indem er ihr einen Namen gibt. Dann gibt es noch „Ein schrecklicher Tag“, das von Menschen handelt, die Geschichten erzählen, die Lügen sind, und „Die Geschichte vom letzten Drachen auf der Welt“, in dem Mumin versehentlich einen winzigen Drachen in einem Glas fängt.
Zitat: Als die Küste verschwunden war, stieg ein Vollmond über dem Meer auf, rund und gelb. Nie zuvor hatte Muminvater einen so großen, einsamen Mond gesehen. Und nie zuvor hatte er begriffen, dass das Meer so absolut und enorm sein konnte, wie er es jetzt sah.
Mumins wundersame Inselabenteuer
(1965, Pappan och havet)
Nachdem Muminvater entschieden hat, dass sie eine Insel mit einem Leuchtturm herbeiruft, beschließt er, dass er und seine Familie wegsegeln und dort leben werden. Als sie endlich dort ankommen sind, ist der Leuchtturm leer und die Insel und ihre robusten Bäume und Büsche sind offenbar lebendig. Mumin findet heraus, dass die monströse Morra, die so kalt ist, dass ihre Anwesenheit Wasser und Land gefrieren lässt, ihnen gefolgt ist, aber er beschließt, dies niemandem zu erzählen.
Ein mysteriöser Fischer lebt in einer Hütte an der Inselspitze. Stürme überschwemmen die Insel. Muminmutter hat Heimweh und malt einen Garten an die Wände, in den sie sich dann flüchtet. Sie haben auch nur eine begrenzte Menge an Lampenöl. Schließlich verwebt Jansson die Fäden der Geschichte und nähert sich einer Art Lösung.
Zitat: Die Luft war warm und voller Heidegeruch. Alles war völlig still. Und dann tauchte aus der Nacht ein riesiger Schatten auf: Die Insel selbst erhob sich über sie und besah sie sich genau.
Herbst im Mumintal
(1970, Sent i november)
Einer nach dem anderen trifft eine Reihe von Figuren im Mumintal und im Haus der Muminfamilie zusammen, um festzustellen, dass die Mumins nirgends zu finden sind. Sie ziehen dennoch gemeinsam dort ein, aber irgendwie ist es einfach nicht dasselbe. Während sie kochen, putzen, sich unterhalten, streiten und Musik spielen, versuchen sie sich daran zu erinnern, wie es war, als die Mumins noch daheim waren.
Die Situation zwingt die im Haus Versammelten, neue Rollen zu übernehmen, da niemand da ist, um ihr Leben für sie zu ordnen. Währenddessen werden die Tage kürzer und das Wetter kälter. Schließlich verlassen die meisten Figuren das Haus, ohne zu wissen, ob die Mumins jemals zurückkehren werden.
Zitat: Stunde für Stunde saß Filifjonka am Küchentisch und spielte die Mundharmonika, zaghaft, aber mit großer Hingabe. Die Noten begannen, Melodien zu ähneln, und die Melodien wurden zu Musik … Man konnte nicht mehr an sie heran gelangen, nichts konnte sie jetzt unsicher machen.
Die Mumins zeigen Mut, Freiheit und Liebe
„Mut, Liebe, Freiheit! Mumin 75“, so lautet der Titel, den sich das Nationalmuseum in Helsinki für seine „magische Reise zu den Wertvorstellungen und der Philosophie der Mumins“ für seine Ausstellung von Ende 2020 bis Anfang 2021 ausgesucht hat. Wer sie aufgrund von coronavirus-bedingten Einschränkungen nicht besuchen konnte oder nachträglich noch mehr darüber erfahren möchte, dem gibt unsere Diashow einen Eindruck vom Umfang der Ausstellung und ihrer bezaubernden Atmosphäre.
By Peter Marten, Januar 2021