Irgendwo am Saimaa-See im Südosten Finnlands rekelt sich eine kugelrunde, gesund aussehende Robbe auf einem Felsen am Ufer. Desweilen kratzt sie sich mit der Vorderflosse am Hals oder rollt sich von der einen auf die andere Seite. Aber meistens lümmelt sie nur auf dem Felsen herum. Manchmal gesellt sich eine weitere Robbe zu ihr und macht genau das, was ihr Partner tut – fast überhaupt nichts.
Dieses Spektakel mit der Saimaa-Ringelrobbe (auf Finnisch wird sie „saimaannorppa“ genannt) hat schon so manche Leute regelrecht süchtig gemacht, als der WWF im Mai 2016 „Norppalive“ über die Webcam zu streamen begann. Nun ist die Webcam 2017 wieder im Einsatz. Die Wildniskamera sendet Echtzeitvideo von einem Felsen, der bei den Robben besonders beliebt ist.
Die Saimaa-Ringelrobben erregen enorme Aufmerksamkeit und versetzen ihre Beobachter in gute Stimmung. Norppalive wurde innerhalb eines einmonatigen Zeitraums über zwei Millionen Mal abgerufen.
„Die Menschen empfanden Norppalive als beruhigend“, sagt WWF-Sprecher Joonas Fritze. „Auch wenn sich die Robben nicht immer auf dem Felsen zeigten, erzeugte alleine schon die wunderschöne Naturlandschaft des Saimaa-Sees ein zen-ähnliches Gefühl. Und wenn dann doch eine Robbe gesichtet werden konnte, setzte das dem Erlebnis sozusagen die Krone auf.“
Der ungemein populäre Norppalive-Webcast geht im Mai und Juni wieder online. Diesmal wird die Reality-TV-Show der Robben auch über eine englischsprachige Website (Link unten) ins Ausland übertragen.
Norppalive erhöht das Interesse am Robbenschutz
Die Saimaa-Ringelrobbe gehört zu den wenigen Süßwasser-Robbenarten auf diesem Planeten. Sie wurde von den übrigen Robben in der Ostsee vor etwa 8000 Jahren im Saimaa-See isoliert – heute Finnlands größter See –, als die Verbindung zur Ostsee nach der Eiszeit abgerissen war. Die Saimaa-Ringelrobbe ist ein legendäres, rares Tier. Sollte es aus dem Saimaa-See verschwinden, wird es auf der Welt keines mehr geben.
„Norppalive will das Bewusstsein der Menschen für die Saimaa-Ringelrobbe und ihr Leben schärfen und das Interesse an ihrem Schutz steigern“, erläutert Fritze.
Die Haupttodesursachen für die Saimaa-Ringelrobbe sind Fischernetze und Klimawandel.
„Das Fischen wird dabei mehr hervorgehoben, weil es leichter zu beeinflussen ist als der Klimawandel“, sagt Petteri Tolvanen, der Programmdirektor des WWFs.
Gesetzliche und freiwillige Fischfangregulationen haben die Lage der Saimaa-Ringelrobben zwar verbessert, aber dennoch ist die Zahl der das Fortpflanzungsalter erreichenden Jungrobben nicht so hoch, wie sie es sein sollte. Die Jungtiere sterben in Netzen und bestimmten Reusen, in denen sie sich verfangen und ertrinken. Auch ausgewachsene Robben werden Opfer von Fischereigerätschaften.
In den Monaten, in denen 2016 Norppalive ausgestrahlt wurde, gelobten mehr als 120 Menschen auf der WWF-Webseite, die Netzfischerei auf dem Saimaa-See einzustellen. Dies war eine große Zunahme, denn in den vorangegangenen zwei Jahren hatten bereits 240 das Gleiche versprochen.
Vom Aussterben bedroht
Alle Mittel zum Schutz der Saimaa-Ringelrobbe sind notwendig. Dank der jahrzehntelangen Schutzmaßnahmen ist der Robbenbestand allmählich von 150 auf 360 Exemplare gestiegen, was jedoch noch weit von einer lebensfähigen Population entfernt ist.
„Die Saimaa-Ringelrobbe ist nach wie vor überaus bedroht“, betont Tolvanen. „Das offizielle Zwischenziel ist, bis 2025 einen Bestand von 400 Robben zu erreichen. Dann wäre das Aussterben zwar keine unmittelbare Bedrohung mehr, aber immer noch keinesfalls ausreichend.“
„Der Bestand wird jährlich auf der Grundlage der Robbengeburten geschätzt. Je präziser die Geburtenzählung ist, desto genauer kann die Bevölkerungszahl eingeschätzt werden. Im Frühjahr 2016 wurden 86 Siegelbabies geboren, mehr als in irgendeinem Jahr in den letzten drei Jahrzehnten. 2017 beträgt die entsprechende Zahl 82.“
Der Nachwuchs wird im späten Februar geboren. Von Mitte April bis Ende Juni gelten zum Schutz der Saimaa-Ringelrobben in ihren wichtigsten Lebensräumen Beschränkungen beim Auslegen von Fischnetzen. Die Verwendung gewisser Fischgerätschaften ist dort das gesamte Jahr über verboten.
Eine kleine, jedoch lautstarke Gruppe von Menschen hat sich bisher diesen Fischereibeschränkungen widersetzt.
„Ich bin froh, dass der Willen der Bevölkerung, die Saimaa-Ringelrobben durch Fischfangbeschränkungen zu schützen, in den Regionen, in denen die Robbe beheimatet ist, größer ist als anderswo in Finnland“, sagt Tolvanen.
Das Bauen von Schneebänken hilft
Die Zukunftsaussichten für die Saimaa-Ringelrobbe sehen düster aus, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird. Die Robben brauchen Schnee und Eis, um zu überleben. Das Robbenweibchen baut sich in einer Schneewehe seine Nisthöhle. Dort kann es in Sicherheit gebären, und die Jungen bleiben trocken und warm. Allerdings gibt es immer mehr Winter mit wenig Schneefall.
“Zukünftig könnte es Winter geben, in denen es hier (auf dem See) nicht einmal Eis gibt“, befürchtet Tolvanen. „In schlechten Wintern könnte die Sterberate beim Nachwuchs bis zur Hälfte aller Geburten ausmachen.“
Zum Glück können die Menschen Schnee zu Schneebänken aufhäufen, die den Robben als Nistplätze dienen können. Im Winter 2014, als es sehr wenig Schnee gab, wurden mehr als 90 Prozent der Robbenbabys dieser Saison in Höhlen geboren, die in von Menschenhand gebauten Schneebänken gegraben worden waren.
Auch wenn man nicht nah genug lebt, um Nistplätze für die Saimaa-Ringelrobben bauen zu helfen, kann man sie jedoch verfolgen und an ihren Schutzbemühungen online teilnehmen. Der Link zur Norppalive-Webcam befindet sich genau hier. Und wie es auf der WWF-Webseite heißt: „Es besteht die Chance, den süßesten Finnen zu beobachten, den man jemals erblicken wird.“
Von Tiina Suomalainen, Mai 2017