Radfahren ist gesund, es ist umweltfreundlich und es ist billig. Mehr und mehr Einwohner und Besucher der finnischen Hauptstadt entdecken die Vorteile der Fortbewegung auf zwei Rädern. Jetzt steht eine Teile der Innenstadt querende Fahrrad-Trasse kurz vor der Eröffnung.
Der Sommer ist in Helsinki eine berauschende Zeit für Radfahrer. Die Stadt hat großartige Touren und Strecken zu bieten, beispielsweise durch den dicht bewaldeten Zentralpark, über die Inseln Lehtisaari und Kaskisaari in Richtung Westen oder entlang am Fluss Vantaanjoki.
Finnlands Hauptstadt feiert alljährlich am 12. Juni ihren Geburtstag. In diesem Jahr steht auf dem Programm des „Helsinki-Tags“ auch die Eröffnung einer neuen Fahrrad-Trasse, die im Volksmund den Namen Baana erhalten hat. Entstanden durch Umwandlung einer ehemaligen Hafenbahn-Trasse, verbindet sie das im Zentrum gelegene Gebiet um die Töölö-Bucht mit dem westlichen Stadtteil Ruoholahti. Die Baana wird den Radlern neue, interessante Möglichkeiten erschließen und der Fahrradkultur weiteren Auftrieb geben.
Erfreuliche Entwicklungen
Als Fahrradstadt braucht Helsinki den Vergleich nicht zu scheuen. „Es gibt erfreuliche Entwicklungen“, so Petteri Nisula von HePo – die vier Buchstaben stehen für Helsingin Polkupyöräilijät (Helsinkis Radfahrer). „Beispielsweise werden bei uns Radaufstellstreifen eingerichtet, die Radfahrern an Kreuzungen Vorrang vor dem Kraftverkehr geben.
„In ein paar Jahren wird es außerdem Einrichtungsradwege entlang dem Innenstadtabschnitt der Mannerheimintie geben, vom Schwedischen Theater bis zur Hauptpost und zum Museum für Zeitgenössische Kunst Kiasma. Eine weitere Strecke wird über die neue Aurora-Brücke führen, die das Olympia-Stadion mit dem Zentralpark verbindet.”
Nisula fügt jedoch hinzu, dass es noch eine Menge zu tun gibt, bevor Helsinki sich als fahrradgerechte Stadt bezeichnen und sich mit Metropolen wie Amsterdam und Kopenhagen vergleichen kann.
„Bei den meisten Radwegen der Stadt handelt es sich um kombinierte Rad- und Gehwege“, erklärt er. „Das ist für beide Seiten, Radler wie Fußgänger, problematisch. Benötigt werden andere Verkehrslösungen.” Viel zu häufig kommt es laut Nisula auch zu Gefahrensituationen, wenn an Kreuzungen Autofahrer beim Einbiegen Radfahrer, die sich zum Überqueren der Straße anschicken, übersehen.
Die Radfahrerorganisation HePo, die Finnland im Europäischen Radfahrer-Verband repräsentiert, tut alles Mögliche, um die Anliegen des Radverkehrs und das Radfahren zu fördern. Dazu gehören auf regelmäßiger Basis veranstaltete offene Radtouren oder etwa Aktionen, bei denen morgens Leuten, die mit dem Rad zur Arbeit fahren, Frühstücke angeboten werden.
Es geht auch im Winter
Man könnte meinen, dass das Radfahren sich im Norden auf die warme Jahreszeit beschränkt, aber laut Nisula gibt es kein Hindernis dafür, dass auch im Winter mehr Rad gefahren wird, wenngleich das ein Umdenken voraussetzt.
„In finnischen Städten wie Oulu und Jyväskylä gibt es mehr Winterradler, obwohl der Winter dort viel länger dauert und strenger ist als in Helsinki“, so Nisula. „Das ist schon ein bisschen paradox. Aber wenn die Straßen gut geräumt sind, wenn man sich richtig einkleidet und sein Rad gut in Schuss hält, muss man kein Masochist sein, um im Winter Rad zu fahren.”
Er begrüßt die Tatsache, dass eine wachsende Zahl von Hotels im Stadtzentrum an ihre Gäste Fahrräder ausleihen. Die Zahl der gewerblichen Fahrradverleihe ist indes ziemlich begrenzt. Ein häufiger Anblick in der Innenstadt sind im Sommer Konvois von Kreuzfahrtpassagieren, die Sightseeingtouren auf Fahrrädern unternehmen – für diesen Zweck ist das klassische „Jopo“, ein gangschaltungsloses finnisches Stadtrad, perfekt geeignet.
In früheren Sommern standen in Helsinki an Selbstbedienungsstationen Citybikes bereit, die anonym, nur gegen ein Münzpfand, ausgeliehen werden konnten. Wahrscheinlich wird es in ein, zwei Jahren wieder ausleihbare Citybikes geben, die mit Kreditkarten oder mit Hilfe einer vergleichbaren Technik in Gebrauch genommen werden können – Nisula würde das begrüßen.
Verbesserung der Infrastruktur kostet Geld
HePo engagiert sich als Lobbyist für bessere Radfahrwege. Obwohl in Helsinki jedes Jahr eine Reihe neuer Wege eingerichtet wird, gibt es immer noch viel zu verbessern.
Dazu Nisula: „An guten Ideen besteht kein Mangel, aber zu ihrer Umsetzung wird Geld benötigt. In Finnland ist lange Zeit ein zu großer Teil der Verkehrsinvestitionen in Autostraßen und den Kraftverkehr gesteckt worden. Jetzt, da der Klimawandel uns zwingt, viele gewohnte Verhaltensmuster zu überprüfen, stellen wir fest, dass Fahrräder einen wichtigen Teil unseres Verkehrssystems bilden können, und wir investieren in die Radverkehrsinfrastruktur.“
Was die Zukunft des Radfahrens in der Hauptstadt und in ganz Finnland angeht, ist Nisula optimistisch. „Die Einstellungen ändern sich, und das kann man auch an den Statistiken ablesen. Von Jahr zu Jahr sieht man mehr Fahrräder auf den Straßen.”
Von Tim Bird, Juni 2012