Manchmal können Radfahrer in Helsinki ihr Glück kaum fassen. Überall in der Hauptstadt sprießen augenscheinlich Woche für Woche neue Radwege auf und neben der Straße sowie Innen- und Außenständer für das Abstellen der Räder wie Pilze aus dem Boden.
Es war bislang schon relativ einfach, den Straßenverkehr auf der Fahrt durch die Stadt zu vermeiden, aber es scheint, dass die Mobilität auf zwei Rädern eine neue Stufe erreicht hat. Dies ist auch für Fußgänger eine gute Nachricht, da die Trennlinie zwischen Fuß- und Radwegen dadurch klarer wird.
Trotz der unerfreulichen Umstände der Coronavirus-Pandemie gibt es möglicherweise auch etwas Positives zu vermelden. Eins davon ist die erneute Begeisterung für das Radfahren. Radwege und eigentlich alle anderen Einrichtungen für öffentliche Aktivitäten im Freien werden noch eifriger benutzt als vorher.
Die Zahl der Bürger, die sich für Alternativen zum eigenen Auto entscheiden, hat in Übereinstimmung mit der Strategie der Stadt Helsinki und ihrem jüngsten Slogan, „die funktionstüchtigste Stadt der Welt“ aufzubauen, im Laufe der Jahre zugenommen.
Sie sind begierig, die grünsten und stillsten Wege zu finden, um von A nach B zu gelangen. Die Universität Helsinki hat mit ihrem Green Paths-Routenplaner für den Großraum Helsinki darauf reagiert.
Von A nach B
Der Prototyp ist eine browserbasierte Anwendung, die Fußgänger- und Radfahrerrouten nach zwei Kriterien auswertet: Stille und frische Luft. Benutzer geben einfach den Start- und Endpunkt ihrer geplanten Strecke ein.
Green Paths verwendet Daten durchschnittlicher Geräuschpegel, um die stillsten Wege zu finden, und greift auf Luftqualitätswerte in Echtzeit zu, um die Routen mit der frischesten Luft anzuzeigen. Farbcodierte Abschnitte für jede vorgeschlagene Route geben die Unterschiede im Geräuschpegel und in der Luftqualität an.
Die App ist Teil von Healthy Outdoor Premises for Everyone, kurz HOPE, einem Projekt, das von der Stadt Helsinki initiiert und vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert wird. Im Gegensatz zu anderen Routenplaner-Apps ist Green Paths auf aktive Fortbewegung wie Radfahren und Zu-Fuß-Gehen zugeschnitten, nicht auf öffentliche Verkehrsmittel oder Autofahrten. Es erfolgt eine Optimierung je nach Lärm, Umgebung und Entfernung.
Die App berechnet die Routen auf der Grundlage von Luftqualitätsdaten in Echtzeit, die vom finnischen Meteorologischen Institut bereitgestellt werden, und von offenen Daten zu Geräuschpegeln der Gemeinden Helsinki, Espoo, Vantaa und Kauniainen, die zur Hauptstadtmetropole zählen.
Gesunde grüne Infrastruktur
„Städtische Begrünung und Nachhaltigkeit standen in jüngster Zeit auf der Tagesordnung unserer Abteilung“, sagt Age Poom, Forscherin im Team des Digital Geography Lab an der Universität Helsinki. „Dies war die logische Weiterentwicklung früherer Forschungen über Barrierefreiheit und Mobilität einerseits und gesunde grüne Infrastrukturen in der städtischen Umwelt andererseits. Master-Student und Softwareentwickler, Joose Helle, hatte daran gearbeitet, wie Lärmbelästigung, eine der größten Beeinträchtigungen im urbanen Raum, minimiert werden kann.“
Poom hebt auch auf ihre Kollegen und Teammitglieder Tuomas Väisänen und Tuuli Toivonen für ihre Beiträge zum Projekt hervor. Jussi Kulonpalo fungierte als Projektmanager für das HOPE-Projekt in der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Helsinki, das sich zum Ziel gesetzt hat, die App zu nutzen, um „Helsinki zu einem besseren Lebensraum für alle zu machen“.
Der Weg steht offen
Green Paths ist ein Beispiel für die im Digital Geography Lab entwickelten Lösungen und Prototypen. „Andere dürfen einsteigen und sie weiterentwickeln“, sagt Poom. Der Code und der Client sind Open Source, d. h. sie stehen auch anderen Städten jenseits der finnischen Grenzen zur freien Verfügung. Die einzige Beschränkung ist der Umfang der lokal verfügbaren Umwelt- und Straßenkartendaten.
„Wir haben großes Interesse an der App erhalten, sowohl im Rahmen des HOPE-Projekts als auch in Form von Rückmeldungen von Freunden, Kollegen und der Radsport-Community in Helsinki“, sagt Poom.
„Unsere Pressemitteilung wurde weltweit von acht Millionen Menschen gelesen. Zur App gehört ein Feedback-Formular. Der nächste Schritt besteht darin, Daten über Grünanlagen auf Straßenebene zu sammeln, um eine Funktionalität zu entwickeln, die die Planung gesunder, angenehmer Fortbewegung unterstützt.“
Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels steht Green Paths in finnischer und englischer Sprache zur Verfügung. Eine schwedischsprachige Version ist in Arbeit. Die App ist für Browser auf Mobil- und Desktopgeräten geeignet.
Von Tim Bird, November 2020