Finnlands Ostsee-Rätseln auf der Spur

Finnische Taucher und Meeresbiologen machen aufregende Entdeckungen bei einer Unterwasserstudie der Ostsee (Diashow).

Finnische Taucher und Meeresbiologen machen aufregende neue Entdeckungen bei der allerersten detaillierten Unterwasserstudie in den finnischen Territorialgewässern der Ostsee (Diashow weiter unten).

Die Ostsee ist eins der weltweit am stärksten verschmutzten Meere. Das finnische Programm zur Bestandsaufnahme seiner Unterwasserwelt ist ein sich über zehn Jahre spannendes Programm, das die finnische Abkürzung VELMU trägt. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die See vor Finnlands langer und komplexer Küste vom Finnischen Meerbusen über das von pittoresken Inseln punktierte Schärenmeer bis zum Bottnischen Meerbusen im Norden zu erforschen.

Übermässige Nährstoffe aus landwirtschaftlichen Düngemitteln und anderen Quellen stellen das größte Problem der Ostsee dar, aber auch gefährliche Chemikalien wurden festgestellt. Das Meer ist flach, der Wasseraustausch über seinem einzigen Zufluss zum Atlantik, der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden, ist langsam. Genaue Informationen über die Unterwasserwelt und Bedingungen auf dem Meeresboden der Ostsee sind dringend erforderlich, um zu gewährleisten, dass ihre Naturschätze geschützt werden.

„Gegenwärtig bestehen noch große Lücken in unseren ökologischen und geologischen Karten der finnischen Ostseegewässer“, sagt Meeresbiologin Essi Keskinen, eine erfahrene Taucherin, die derzeit im Rahmen des finnischen Forstamts, Metsähallitus, bei VELMU mitarbeitet.

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Ein Aalmutter nimmt anscheinend Blickkontakt mit der Kamera auf. Foto: Mats Westerbom/Metsähallitus

„Über längere Zeit in der Ostsee zu tauchen, ist unter Umständen harte körperliche Arbeit, vor allem wenn man eine Menge schweres Atemgerät und Ausrüstung für Probeentnahmen mitschleppt“, sagt sie. „Wenn wir im Frühjahr nach der Meereisschmelze mit dem Tauchen beginnen, misst die Wassertemperatur lediglich zwei Grad Celsius. Aber ich mag die Meeresfeldforschung in der Gemeinschaft mit anderen begeisterten Biologen und Studenten wirklich ungemein. Wir schlagen meist ein Basislager auf einer einsamen Insel auf, kampieren dort möglicherweise eine Woche lang, um in den benachbarten Gewässern zu tauchen.“

Überraschungen unter Wasser

Unter Wasser benutzen die Taucher Bleistifte und Blöcke mit synthetischem Papier, um die Daten über Wassertiefe, Unterwasserwelt und die ökologischen und geologischen Besonderheiten des Meeresbodens festzuhalten, der felsig, sandig, schlammig oder üppig von Algen bewachsen sein kann.

„Wir vermerken die Wasserpflanzen, Algen und Fische oder marinen Kleinlebewesen, die wir erblicken, sowie jede Verschmutzung, die wir vielleicht bemerken”, sagt Keskinen. „Leider finden wir allen möglichen Müll unter Wasser, von Wodkaflaschen bis zu Autobatterien und sogar Kühlschränken. Dennoch ist es immer spannend, neue Gewässer zu erkunden, und manchmal finden wir sehr schöne Unterwasser-Ökosysteme mit klarem Wasser und vielen bunten Meerespflanzen.“

Positive Trendwende

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Obwohl einige Teile der Ostsee von Algen bedeckt sein mögen, gibt es auch Gebiete mit klarem Wasser und farbenfrohen Pflanzen.Foto: Mats Westerbom/Metsähallitus

Finnlands Meeresgewässer bedecken eine Fläche von mehr als 50 000 Quadratkilometern und sind bis zu 100 Meter tief. „Wir können bis auf etwa 30 Meter hinabtauchen, aber nach zehn oder 20 Metern gibt es nicht viel Vegetation, weil so wenig Licht durchdringt“, sagt Keskinen. „Obwohl wir ausgiebigen Gebrauch von Drop-Kameras und Luftbildaufnahmen machen, können wir unmöglich alles erforschen. Deshalb verwenden wir Modelle, aus denen wir Daten für die Gebiete ableiten, die wir nicht erkunden können.“

Bis 2015 sollte man anhand der Ergebnisse der Bestandsaufnahme detaillierte ökologische Karten von den Meereshabitaten aller finnischen Gewässer erstellen können. Mit diesen Daten ist es dann möglich, Schutzgebiete festzulegen und die Fischerei, Baggerarbeiten oder die Ortsbestimmunge der Meeresinfrastruktur wie Pipelines und Windenergieanlagen zu steuern.

Die flachen und empfindlichen Gewässer der Ostsee sind schon lange verseucht. Aber Keskinen, die seit fast 20 Jahren in der Ostsee taucht, äussert sich optimistisch über die Zukunftschancen des Meeres: „Die Lage ist immer noch nicht gut, aber ich denke, wir haben das Schlimmste hinter uns“, sagt sie. „In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren sahen einige Gewässer wie ein dicker Brei aus Blaualgen aus. Maßnahmen wie die neuen Kläranlagen in Sankt Petersburg und ein Verbot, die Abwässer von großen Passagierfähren ins Meer zu leiten, zeitigen allmählich Erfolge.“

Ein Gipfelprozess möchte unsere See retten

Der internationale Ostsee-Gipfel in Sankt Petersburg (5. und 6. April 2013) knüpfte an eine finnische Initiative an, die 2010 bei einem Gipfel in Helsinki von der Ostseeaktionsgruppe, der BSAG (Baltic Sea Action Group), ins Leben gerufen wurde.

Dieser einzigartige Prozess hat zum Ziel, eins der weltweit am stärksten verseuchten Meere durch den Aufbau von Partnerschaften im privaten und öffentlichen Sektor zu retten. Mit ihrer Hilfe sollen grosse Umweltprobleme, darunter die Verschmutzung mit übermässigen Nährstoffen und gefährlichen Chemikalien, bekämpft werden. Im Rahmen des Prozesses kam es zu mehr als 200 Zusagen von Ländern, Unternehmen, Organisationen und einzelnen Bürgern rund um die Ostsee.

„Wir hoffen vor allem, dass der diesjährige Gipfel in Russland neue Zusagen bezüglich der Behandlung von Abfällen aus großen Massentierhaltungsbetrieben und Abwässern aus mehr Städten im Einzugsgebiet der Ostsee herbeiführt“, sagt BSAG-Vorsitzender Ilkka Herlin. „Greifbare Lösungungen gibt es, auch Unternehmen mit den richtigen Technologien, die bereits sind sich zu engagieren.“

In der Tiefe der Ostsee

Von Fran Weaver, April 2013