2014 jährt sich Tove Janssons hundertster Geburtstag. Weltweit bekannt wurde sie durch ihre Mumin-Abenteuer, die sie schrieb und selbst illustrierte. Doch sie war weit mehr als die Erfinderin der Mumins. Eine große Ausstellung im Kunstmuseum Ateneum in Helsinki stellt Janssons künstlerische Vielseitigkeit zur Schau.
Tove Jansson (1914-2001) führte ein bemerkenswertes Leben und ist nach wie vor eine der populärsten Künstlerinnen und Autorinnen Finnlands. Die äußerst beliebten Mumins werden zwar Trolle genannt, sie besitzen jedoch erstaunlich menschliche Züge. Sie bilden eine Gemeinschaft neugieriger Wesen, deren Schwächen und Philosophieren Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechen.
Die Figuren erschienen erst in Romanen, dann in Comics und später in Zeichentrickfilmen. Jansson schrieb die Mumin-Geschichten in ihrer Muttersprache Schwedisch, eine der Amtssprachen in Finnland. Die Bücher verteilen sich über vier Jahrzehnte ihres künstlerischen Werdegangs, von den 1940er bis zu den 1970er Jahren. Die erste englische Übersetzung wurde 1951 veröffentlicht, mehrere Jahre vor der finnischsprachigen Version. Der erste deutsche Muminband, „Eine drollige Gesellschaft“, kam 1954 heraus.
Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis von „Komet im Mumintal“, ein Buch, das in den meisten Ländern als erstes publiziert wurde, auf Deutsch aber zehn Jahre später, bietet einen Vorgeschmack auf die verwegenen Abenteuer, humorvollen Possen, philosophischen Einsichten und fesselnden Figuren der Erzählung.
Die Kapitelüberschriften schildern, wie Mumin und Schnüfferl einem geheimnisvollen Weg zum Meer folgen, Mumin das Snorkfräulein vor einem fleischfressenden Busch rettet, erzählen von einer fantastischen Überquerung des ausgetrockneten Meeres, von einem Schwarm Grashüpfer und einem Kaffeekränzchen. Mit trockenem Humor heißt es im Inhaltsverzeichnis, dass das letzte Kapitel vom Ende der Geschichte handelt. Das Buch spielt in einer Höhle, auf einem unterirdischen Fluss, einer Sternwarte und einer Party im Wald.
Jenseits der Mumin-Bücher
Viele wissen nicht, dass Jansson auch Romane und Kurzgeschichten für Erwachsene verfasst hat. In den letzten Jahren hat Sort Of Books diese Werke in gelungenen, neuen englischsprachigen Übersetzungen veröffentlicht; einige davon sind zum ersten Mal auf Englisch erschienen.
In der Einleitung zu „Fair Play“ sagt Ali Smith, „Als Autorin für Erwachsene war Jansson – auf ihre eigene, unaufdringliche Art – auch ziemlich radikal, was Form wie Thematik betrifft.“ Janssons stilistische Klarheit „sorgt für geheimnisvolle Transparenz“. Ihre Bücher erzählen von „Menschen, die normalerweise“ in der Literatur „nicht vorkommen oder die nicht so ausführlich dargestellt werden“.
Das Buch umfasst eine Sammlung von autobiografischen Geschichten, die einen Teil von Janssons Leben mit ihrer Partnerin Tuulikki offenbaren. Die beiden waren mehr als 40 Jahre lang zusammen. Weitere Jansson-Bücher des Verlags Sort Of Books sind u.a. „Summer Book“ („Sommerbuch“) und „Sculptor’s Daughter“ („Die Tochter des Bildhauers“), beide gelten als Klassiker.
Penguin ist der Herausgeber eines weiteren mit Jansson in Zusammenhang stehenden Buchs, eine neue Biographie von Tuula Karjalainen mit dem Titel „Tove Jansson: Work and Love“ (Tove Jansson : Arbeit und Liebe), das im Dezember 2014 erscheint.
Karjalainen beleuchtet nicht nur Janssons vielseitige Karriere als Schriftstellerin und bildende Künstlerin, sondern zeigt uns auch, wie kühn Jansson ihren Lebenswegs gegangen ist. Sie lebte mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war, eine skandalöse Situation in jenen Tagen. Sie unterhielt auch mit Frauen Beziehungen. Diese Verbindungen waren offen Geheimnisse in Helsinki zu einer Zeit (in den 1940er und 1950er Jahren), da eine solche Beziehung sie ins Gefängnis oder eine psychiatrische Klinik hätte bringen können.
Gemälde, Wandbilder und Kunstkreise
Eine andere Seite, die Mumin-Fans häufig nicht kennen, ist Janssons Malerei. Trotz ihres letztendlichen Erfolgs mit ihren Mumin-Büchern und ihren Werken für Erwachsene erachtete Jansson eigentlich die Malerei als ihre Hauptberufung eines Großteils ihres Lebens. Es gab eine Phase in ihrem Leben, in der sie ihr Geld mit monumentalen Wandmalereien für verschiedene Regierungs- und Firmengebäude verdiente.
Laut Karjalainen schloss sich Jansson der Welle der abstrakten Kunst, die Finnland in den 1950er Jahren erreicht hatte, erst spät an. Allerdings schuf sie dann in diesem Kunststil exquisite Werke. Im Interview für diesen Artikel meinte Karjalainen, dass Jansson der abstrakten Kunst wohl nicht so rasch nahe gekommen sei, weil sie „von Natur aus eine Geschichtenerzählerin“ gewesen ist, ob nun in der Malerei oder in der Literatur.
In den wenig aufgeschlossenen Helsinkier Kunstkreisen Mitte des 20. Jahrhunderts muss Janssons Erzähltalent, Erfolg und Vielseitigkeit einen gewissen Neid erregt haben. Einen Großteil der 1950er Jahre lebte sie – und ihre andere Kunst – davon, dass sie für die britischen „Evening News“ Mumin-Comics schrieb und illustrierte. „Wenn sie [in Helsinki] mit Künstlern zusammenkam“, sagt Karjalainen, „erhielt sie stets eine Menge negativer Kritik. Es wurde so schlimm, dass sie ihre Telefonnummer ändern musste, weil sie Anrufe bekam, in denen ihr gesagt wurde, dass sie ihre Seele dem Kommerz verschrieben habe.“
“Heute können wir uns das kaum vorstellen, aber so war es damals.“
Ateneums große Ausstellung „Tove Jansson“Vom 14. März bis 7. September 2014 zeigt das Kunstmuseum Ateneum in Helsinki eine umfassende Sammlung von Tove Janssons Gemälden, Zeichnungen, politischen Karikaturen und – natürlich – auch Mumin-Comics, -Buchillustrationen und -Figuren. Tuula Karjalainen, die eine neue Biografie über Jansson (siehe oben) geschrieben hat, ist die Kuratorin der Ausstellung. Karjalainen machte sich weit und breit auf die Suche nach Gemälden in Privatsammlungen, um Museumsbesuchern einen raren Zugang zu nur selten in der Öffentlichkeit zur Schau gestellten Werken zu verschaffen. Die Ausstellung umfasst auch weniger bekannte Werke aus den 1930er, abstrakte Gemälde aus den 1960er Jahren und eine faszinierende Reihe von Selbstporträts aus fünf Jahrzehnten. |
Von Peter Marten, März 2014