Mit der Ausstellung „Iittala Kaleidoscope: From Nature to Culture“ würdigt das Design Museum in Helsinki das 140jährige Bestehen und Erbe der renommierten finnischen Glasfabrik. Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, das kreative Umfeld des Unternehmens und seine Bedeutung in der Welt des Designs kennenzulernen.
„In den frühen Jahren des Modernismus legten finnische Designpioniere wie Aino und Alvar Aalto sowie Kaj Franck den Grundstein für die Designphilosophie von Iittala: Grenzen zu verschieben und die Menschen mit Schönheit und Funktionalität zu erfreuen“, sagte Carolina Bade, Business Director bei Iittala, während einer Presseveranstaltung im Frühjahr 2021.
Die Ausstellung im Designmuseum läuft noch bis zum 19. September 2021. Liebhaber des finnischen Designs, die diesen Text erst später lesen oder nicht nach Helsinki reisen können, finden im Infokasten am Ende Links zu weiterem Material (auf Englisch).
Kuratorisches Erzählen
Der Titel der Ausstellung, „Iittala Kaleidoscope: From Nature to Culture“, verweist auf den Austausch zwischen finnischen Ökosystemen und dem sie umgebenden sozialen und kulturellen Umfeld. Das Designmuseum erzählt die Geschichte von Iittala anhand von Glasobjekten sowie Gemälden, rohen Glasbrocken, Originalzeichnungen und weiteren Gegenständen.
Die umfassende Ausstellung stützt sich auf die umfangreiche Sammlung des Museums von über 10 000 Iittala-Produkten. Die Kuratoren Florencia Colombo und Ville Kokkonen zeichnen Iittalas Geschichte seit dem Gründungsjahr 1881 nach und führen die Besucher durch die verschiedenen Epochen des Unternehmens: seine Ursprünge im 19. Jahrhundert, sein selbsternanntes „Kristallzeitalter“ in den 1920er und 30er Jahren, seinen nordischen Funktionalismus und Modernismus in der Mitte des Jahrhunderts sowie sein zeitgenössisches Schaffen.
Als Marke verkörpert Iittala das Finnische ebenso wie die Textilien von Marimekko, die Schokolade von Fazer oder die Mumin-Figuren der Autorin und Künstlerin Tove Jansson. Minimalismus, Funktionalität und die Nähe zur Natur machen Iittala zu einem prominenten Vertreter des nordischen Designs.
Die Ausstellung präsentiert durchweg klassische Stücke, darunter Werke von wegweisenden finnischen Glasdesignern des 20. Jahrhunderts wie Timo Sarpaneva, Kaj Franck, Aino Aalto und Oiva Toikka. Außerdem sind Farbmustersätze, Originalskizzen für das Produktdesign und Holzformen zu sehen. Fast so, als würde man das Atelier eines Designers betreten, geben diese Objekte Einblick in die kreativen und logistischen Prozesse.
Vierter Aggregatzustand
Kunstwerke aus anderen Gattungen geben zusätzliche Einblicke in die finnische Kulturszene und ihr Verhältnis zur Natur: zum Beispiel eine Kopie der Partitur der „Finlandia“ des Komponisten Jean Sibelius aus den Jahren 1899-1900 und das Gemälde „Die Zerstörung der Umwelt“ von Lennart Segerstråle von 1973.
Die Kuratoren erklären im Ausstellungskatalog: „Glasblasen ist eine Art verkörpertes Wissen, das nicht allein durch Beobachtung oder Anleitung erlernt werden kann.“ Der Künstler muss das Glas sowohl technisch beherrschen, als auch ein Gefühl für das Material haben.
Wegen seiner Fließfähigkeit und einzigartigen Eigenschaften wird Glas manchmal als vierter, schwierig zu handhabender Aggregatzustand betrachtet. Perfekt sitzende Handgriffe und das Wissen um die Wechselwirkungen von Glas mit verschiedenen Materialien bei unterschiedlichen Temperaturen sind unverzichtbare Fähigkeiten. Viele Künstler zeichnen sich durch einen unverwechselbaren Stil aus, der sich in der Dicke des Glases oder sogar in der Menge des Glases in der Ecke eines Gegenstandes zeigen kann.
Während der Ausstellungsvorbereitung besuchten die Kuratoren mehrfach die Iittala-Glasfabrik. „Die Glasbläser in Aktion zu sehen ist einfach großartig“, sagte Colombo bei der Presseveranstaltung und fügte hinzu, dass viele der Designer, die sie trafen, „persönliche Geschichten über ihre Beziehungen zu Iittala“ erzählten. Hat man einmal das Charakteristische der Iittala-Produkte erkannt, dann stößt man auf sie in vielen finnischen Haushalten – sie sind vertraute Gegenstände, die oft von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Glashaus
In einer Vitrine des Designmuseums werden weitere legendäre finnische Haushaltsgegenstände ausgestellt, darunter eine orangefarbene Fiskars-Schere aus dem Jahr 1967, ein Marimekko-Hemd von 1956 und Hackmans Savonia-Besteck, das in den 1960er Jahren entworfen wurde (Hackman und Iittala gehören seit Ende der 2000er Jahre zum Fiskars-Konzern). Sie zeigen wie sich alltägliche Haushaltsgegenstände in die finnische Kulturgeschichte einfügen. Und Iittala ist ein Teil davon; der nordische Funktionalismus der 1930er Jahre beeinflusste das Design und die Produktion des Unternehmens.
Noch immer bildet Iittala Glasbläser aus. Der aktuelle Kurs zur industriellen Glasproduktion begann 2021. Der Iittala Glasfabrik richtet den Kurs in Kooperation mit der nahe gelegenen Berufsschule Tavastia aus. Er soll innerhalb von zwei bis drei Jahren die nächste Generation von Glasbläsermeistern in das Handwerk einführen.
Es ist ein sehr anspruchsvoller Beruf. Für die Herstellung einer Aalto-Vase, dem vielleicht berühmtesten Iittala-Produkt, ist ein Team von sechs oder sieben Glasbläsern erforderlich. Der 12-stufige Arbeitsprozess dauert zehn Stunden. Erst nach fünf Jahren Berufserfahrung verfügt ein Glasbläser über die notwendigen Fähigkeiten, um an der Herstellung von Iittalas bekanntestem Produkt mitzuwirken.
Iittala in der KunstweltDie Kreationen der Iittala-Designer finden sich in Haushalten in ganz Finnland und rund um den Globus sowie in Museen auf der ganzen Welt. Dazu gehören das MoMA in New York, das British Museum in London, das Musée des Arts Décoratifs in Paris, die Galerie A4 in Tokio, das Museum of Contemporary Art in Chicago und das MOCA in Los Angeles. Die Ausstellung „Iittala Kaleidoscope: From Nature to Culture“ im Designmuseum in Helsinki ist bis zum 19. September 2021 geöffnet und in dieser Zeit werden über den Facebook-Account des Museums regelmäßig Online-Touren angeboten. Falls Sie diesen Text erst nach Ende der Ausstellung lesen oder diese aufgrund von Einschränkungen durch das Coronavirus nicht besuchen konnten, dann sollten Sie sich das vom Designmuseum online bereitgestellte umfangreiche Material ansehen, darunter Fotos, eine kurze Einführung der Kuratoren in die Ausstellung und einen längeren von den Kuratoren geführten Videorundgang. Für eingefleischte Fans von finnischem Glas bietet Iittala Online-Touren durch die Fabrik und die eigene Sammlung klassischer Iittala-Artikel an. |
Von Emma De Carvalho, August 2021