Auch wenn einige der medienwirksamen finnischen Produkte aus der digitalen Gesundheitstechnologie weltweit mehr Beachtung finden, ist das Netzwerk der Biobanken und Forschungszentren womöglich Finnlands größter Erfolgsfaktor.
Gegenwärtig werden in acht großen Biobanken finnische Datenproben erfasst, analysiert und gespeichert. Vernetzt man diese Biobanken mit dem nationalen Gesundheitsregister, das Angaben aller finnischen Bürger enthält, kann praktisch die gesamte Bevölkerungsstruktur abgebildet, gruppiert und analysiert werden. Und da die finnische Bevölkerung aus historischer Sicht vorwiegend homogen und isoliert war, eröffnet dies außergewöhnliche Möglichkeiten für die Bestimmung krankheitsbedingter genomischer Variationen.
Eine solche Kombination ist sowohl für nationale als auch für internationale medizintechnische Unternehmen von unschätzbarem Wert.
„Die moderne Medizintechnik benötigt Big Data“, erläutert Dr. Aarno Palotie, Fakultätsmitglied des Center for Human Genome Research in Boston und des Broad Institute von MIT und Harvard.
„Biobank-Proben an sich sind wertlos, wenn sie nicht mit Daten verlinkt werden. Unser Gesundheitssystem ist mit Sozialversicherungsnummern verbunden. Dies eröffnet den Zugang zu einer Langzeit-Gesundheitsbetreuung, die Jahrzehnte umspannt, und das ist nicht in vielen Ländern der Fall.
Zugänglichkeit und Möglichkeiten
In Finnland arbeiten öffentliche und private Organisationen sowie Unternehmen eng zusammen. Finnland spielte auch bei der Ausarbeitung der Europäischen Gesetzgebung für die Umsetzung und den Schutz gesundheitsbezogener Daten sowie bei der Verbesserung der finnischen Gesetzgebung eine zentrale Rolle. Diese gesetzlichen Vorschriften sind der Schlüssel zur Schaffung neuer Forschungs- und Innovationsmethoden und -möglichkeiten.
Es werden Maßnahmen umgesetzt, um Finnlands Ruf als erstklassigen Standort für die medizinische Forschung und Unternehmen zu stärken.
„Wir erhalten viel staatliche Unterstützung“, so Palotie. „Ich weiß vor allem zu schätzen, was die Ministerien getan haben, um die hiesigen behördlichen Auflagen zu reduzieren, vor allem für gesundheitsrelevante Studien.“
So hat das finnische Ministerium für Soziales und Gesundheit beispielsweise eine Arbeitsgruppe ernannt, die die Einrichtung eines Genomzentrums vorbereiten soll, das unter anderem für den Aufbau und die Entwicklung einer nationalen Genomdatenbank verantwortlich sein wird.
Sitra, der staatliche finnische Innovationsfonds, leitete die Implementierung der kürzlich fertiggestellten „Medical Research Map“, eine Studie, die das Potenzial für eine Zusammenarbeit zwischen globalen Pharmazieunternehmen und medizinischen Fakultäten in Finnland transparenter gestalten soll. Die Studie erfreute sich großer Unterstützung: Fünf medizinische Fakultäten in Finnland und 16 der weltweit größten Pharmazieunternehmen nahmen daran teil.
Sie dient zur Umsetzung einer Wachstumsstrategie für den finnischen Gesundheitssektor, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Kürzlich durchgeführte Umfragen deuten darauf hin, dass das größte Potenzial für eine Zusammenarbeit zwischen multinationalen Pharmaziekonzernen und medizinischen Fakultäten in der Erforschung von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt; und der finnische Gesundheitssektor ist wachstumsträchtig. Die finnische Förderagentur für Technologie und Innovation Tekes schätzt, dass in den nächsten fünf Jahren mehrere Hundert Millionen Euro in finnische Unternehmen der Wellness- und Gesundheitsbranche investiert werden.
Wettbewerb und Qualität
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Großbritannien betreibt zum Beispiel eine Biobank mit einer halben Million Proben, und China will in den nächsten zehn Jahren Bioproben von fünf bis zehn Millionen Menschen erfassen.
Qualität und Tiefe der finnischen Daten sind aber nach wie vor unerreicht, und bei den Längsschnittstudien werden identische Variable über Zeiträume von bis zu mehreren Jahrzehnten betrachtet. Dies und die isolierte Bevölkerungsstruktur werden bei einer Vielzahl von Forschungsansätzen in der Entwicklung von Arzneimitteln ausschlaggebend sein.
„In Finnland hat diese Art der Forschung Tradition“, erklärt Palotie. „Die Qualität unserer Daten ist hervorragend. Die Daten unseres Gesundheitsregisters, die Langzeitstudien ermöglichen, sind einzigartig. Wir haben eine erstklassige Infrastruktur, und unsere gesetzlichen und ethischen Vorschriften entsprechen eher denen von Ländern, in denen große Pharmaziekonzerne ansässig sind.“
Und so funktioniert es bei uns: Drei finnische UnternehmenMedizinische Daten im Griff: Das Unternehmen BC Platforms bietet Datenverwaltungs- und Softwarelösungen an, mit denen große Mengen von Genomdaten mit Proben und klinischen Daten verknüpft und analysiert werden können. Zu den Kunden des Unternehmens zählen hochkarätige Forschungsunternehmen, Biobanken und große Pharmazieunternehmen, die medizinische Daten erfassen und analysieren. BC Platforms hat kürzlich seine Forschungspartnerschaft mit dem Zentrum für Molekularmedizin am schwedischen Karolinska-Institut ausgebaut, um Kapazitäten für eine groß angelegte Genomsequenzierung der nächsten Generation zu schaffen. Diagnose vor dem Auftreten erster Krankheitssymptome: Auch die DiagMMR-Technologie von LS CancerDiag stammt aus der akademischen Forschung. DiagMMR ist das Ergebnis der Forschungsarbeit an der Universität Helsinki. Die Forscher erkannten dort, dass die meisten heutigen Lynch-Syndrom-Diagnosen (Dickdarmkrebs) auf Tumorstudien zurückgreifen. Die DiagMMR-Methode hingegen ermöglicht eine Diagnose auf der Grundlage einer nicht-invasiven Gewebeprobe, noch bevor die ersten Krankheitssymptome auftreten. Schneller, besser, kostengünstiger: Das von Blueprint Genetics entwickelte DNA-Sequenzierungsverfahren trägt zu einer schnellen, qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Genanalyse bei. Die technische Innovation des 2012 gegründeten Unternehmens ermöglichte ein neues, gezieltes Sequenzierungsverfahren. Es wird für die Analyse der genetischen Faktoren von Krankheitsveranlagungen verwendet. Krankhäuser in aller Welt nutzen heute die gezielten Gentests von Blueprint Genetics für die Diagnose von Erbkrankheiten. |
Von Christopher Ryan Jones, ThisisFINLAND Magazine 2017