Irgendwann während der ersten 20 Minuten stellte ich fest, dass ich dem Gespräch nicht mehr folgen konnte.
Ich lächelte weiterhin höflich, konnte aber nicht verstehen, warum der Großvater meines Partners mit einer so überschwänglichen Begeisterung, wie ich das nur von evangelikalen Pfarrern kenne, über seine bevorstehende Renovierung sprach.
Mich hatte verwirrt, wie er das Verb kehua verwendet hatte. Im Standardfinnisch bedeutet es „loben“. Erst später erfuhr ich, dass einige Sprecher in bestimmten Ecken Finnlands kehua als umgangssprachlichen Ersatz für sanoa („sagen“) verwenden. Als ich also hörte: „Se kehui, että remontti alkaa kohta“, verstand ich: „Er lobte, dass bald mit der Renovierung begonnen wird.“ Das schien mir angesichts des Themas etwas übertrieben, aber in der Gegend an der Westküste, wo der Großvater herkommt, bedeutet es eigentlich nur: „Er sagte, dass bald mit der Renovierung begonnen wird.“
Dieselbe Sprache, anders gekleidet
Ich komme aus Australien, einem Land, dessen gesprochene Variante des Englischen man immer mit dem khaki-gekleideten Helden aus dem Film Crocodile Dundee verbinden wird, so dass mir das Phänomen der Umgangssprache vertraut ist. Dennoch finde ich, dass puhekieli (umgangssprachliches Finnisch, wörtlich „Sprachsprache“) schwieriger zu meistern ist als kirjakieli (Standardfinnisch, wörtlich „Buchsprache“), das formellere Standardfinnisch, das in meinem Lehrbuch so anschaulich präsentiert wird.
Die Finnischlehrerin Niina Salmi räumt ein, dass es einige Herausforderungen gibt. Sie erklärt, dass „Wörter in der Umgangssprache völlig anders sein können“ als im Standardfinnisch. Das ist Stoff für ein höheres Niveau. In der Umgangssprache werden zum Beispiel einige der grammatikalischen Formen, die man so mühsam gelernt hat,verkürzt. Sinulla on („Du hast“) wird zu sulla on oder sogar sull‘ on.
Anni Toikka, die seit elf Jahren an der Seite von Salmi unterrichtet, fügt hinzu, dass die Umgangssprache auch eine lebendige, sich „ständig verändernde“ Sprache sei. „Jeden Tag werden neue Wörter in der Umgangssprache geschaffen, während ältere Wörter verschwinden“, sagt Toikka.
Es ist nicht verwunderlich, dass sich Studenten Salmi gegenüber gelegentlich beklagen, dass die Standardsprache und die Umgangssprache „manchmal zwei völlig verschiedene Welten sind“, vor allem, wenn dann noch Generationenunterschiede und ein oder zwei oder acht Dialekte hinzu kommen. Sowohl Salmi als auch Toikka betonen jedoch, dass die zugrunde liegende Struktur die gleiche sei. Toikka erklärt: „Wenn man auf die Gemeinsamkeiten achtet, sieht man, dass es sich um dieselbe Sprache handelt, die nur anders gekleidet ist. Wenn die Standardssprache Finnisch in Anzug und Krawatte ist, dann ist die Umgangssprache das Finnisch in der Jogginghose.“
Vertraute Sprache unter Freunden
Abgesehen davon, dass man damit peinliches Schweigen bei Gesprächen mit älteren Verwandten vermeiden kann, ist das Erlernen der Umgangssprache enorm nützlich. Die Japanerin Haruka Ono, die während eines Schüleraustauschs zum ersten Mal mit der finnischen Umgangssprache in Berührung kam, sagt: „Man stellt schnell fest, dass die Umgangssprache überall – auf der Straße, in den Geschäften, in Restaurants – gesprochen wird. Die Umgangssprache ist die Sprache, in der täglich kommuniziert wird.“
Aus Sicht einiger Sprachschüler werden Gespräche durch die Umgangssprache natürlicher. Toikka erklärt, dass die Umgangssprache normalerweise unter Freunden verwendet wird. „Sie kann dabei helfen, eine gewisse Nähe zwischen Menschen zu schaffen.“ Manche Studenten sehen die Beherrschung der Umgangssprache auch als Beweis für ihre Sprachkenntnisse. Die lettische Studenting Liene Bukovska betont: „Ich werde ernster genommen, wenn ich die Umgangssprache benutze, weil ich mich dann in einem höheren Sprachniveau bewege.“
Wie schafft man es also mit der finnischen Umgangssprache klar zu kommen? Wie so oft, ist die Motivation ausschlaggebend. Aber auf jeden Fall, so Toikka, soll man sich „gleich in die Umgangssprache stürzen“, indem man Musik hört und Fernsehen schaut. Kateřina Buchtová aus der Tschechischen Republik sagt, sie habe die Umgangssprache durch ihre Lieblingsfernsehsendung Pasila aufgeschnappt, die das Leben auf einer Polizeistation im gleichnamigen Vorort von Helsinki porträtiert.
Aktiv zuhören
Buchtová hört außerdem finnische Musik, bei der umgangssprachliche Wörter eher verwendet werden als standardsprachliche Ausdrücke. Zum Beispiel wird aus ihmisiä (Menschen) ihmisii. Wenn man online nach unbekannten Wortformen sucht, bekommt man ein Gefühl dafür, wie häufig diese auftreten und wie sie verwendet werden.
Auch ein Blick in das Wörterbuch des gesprochenen Finnisch Oikeeta suomee: Suomen puhekielen sanakirja, herausgegeben von Gummerus, lohnt sich. Es enthält Beispielsätze in umgangssprachlichem Finnisch und kann Ihnen dabei helfen, Ihr Finnisch auf die nächste Stufe zu bringen.
Seit ich zum lokalen Radiosender der finnischen Rundfunkanstalt Yle gewechselt bin und Playlists der Musik, die ich höre, zusammenstelle, komme ich mit der Umgangssprache besser zurecht. Rodrigo Quintana aus dem Baskenland empfiehlt zum Lernen ebenfalls Podcasts und YouTube-Videos. Über seine eigenen Erfahrungen sagt er: „Sehr geholfen hat mir, in finnischen Gruppenchats oder Foren aktiv zu sein.“
Nur Mut!
Sowohl Buchtová als auch Quintana betonen jedoch, dass sich die Umgangssprache am besten im Gespräch mit finnischen Muttersprachlern erlernen lässt. Das tun übrigens auch die meisten Sprachschüler, die ich getroffen habe. Rodrigo sagt: „Hören, schreiben und anwenden.“
Toikka stimmt zu und rät Lernenden, „mit den Grundlagen zu beginnen, wie z. B. minä olen [‚Ich bin‘] in mä oon zu verwandeln, dann einige grundlegende Wörter der gesprochenen Sprache wie telkkari [statt televisio, ‚Fernseher‘] zu lernen“, und diese als Nächstes „in die Sprache einzubauen“.
Ebenso wie Toikka bemüht sich auch Salmi, ihre Schüler im Unterricht mit der Umgangssprache vertraut zu machen, aber sie sagt, sie könne „nicht genug betonen, wie wichtig es ist, mutig zu sein und die Sprache auch zu benutzen“. Für Salmi ist es stets ermutigend, mit ehemaligen Studenten genau so zu sprechen, wie mit jedem finnischen Muttersprachler. „Das ist sozusagen der letzte Test für die gesprochene Sprache: sich mit Finnen ohne Probleme unterhalten zu können.“
Gesprochenes FinnischEine willkürliche Liste von Ausdrücken, zusammengestellt von der ThisisFINLAND-Redaktion |
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Umgangssprachliches Finnisch (puhekieli) | Standardfinnisch (kirjakieli) | Deutsch |
En mä tiiä. (Oder sogar: Emmä tiiä.) |
En minä tiedä. | Weiß ich nicht. |
Onks toi sun pyörä? | Onko tuo sinun pyöräsi? | Ist das dein Fahrrad? |
Tarviiks kuittii? | Tarvitsetko kuittia? | Brauchst du eine Quittung? |
Mitäs kuuluu? | Mitä kuuluu? | Wie gehts? |
Paljon se maksaa? | Kuinka paljon se maksaa? | Wie viel kostet das? |
Älä viitti! | Älä viitsi! | Lass sein! |
yks, kaks | yksi, kaksi | eins, zwei |
kasi, ysi | kahdeksan, yhdeksän | acht, neun |
kakskytyks | kaksikymmentäyksi | einundzwanzig |
vähäks aikaa | vähäksi aikaa | für kurze Zeit |
hyvii tyyppei | hyviä tyyppejä | gute Leute |
Mitä oot tehny tänään? | Mitä olet tehnyt tänään? | Was hast du heute gemacht? |
Tuutsä mukaan? | Tuletko mukaan? | Kommst du mit? |
Voitsä sanoo mulle, kun oot valmis lähteen? | Voitko sinä sanoa minulle, kun olet valmis lähtemään? | Kannst du mir sagen, wenn du bereit bist zu gehen? |
Kiitti! | Kiitos! | Danke! |
Von Kathleen Cusack, Juli 2021