Vor 100 Jahren dokumentierte der renommierte Fotograf I.K. Inha die finnische Hauptstadt mit glasnegativen Aufnahmen. Durch eine Gegenüberstellung seiner Bilder und digitaler Fotos, die aus derselben Perspektive heraus in unseren Tagen geknipst wurden, erhält Helsinki neue Dimensionen.
1910 Brachte WSOY den „Helsingin Opas“ heraus, einen Helsinkier Stadtführer. Das Buch umfasste 60 Bilder der finnischen Hauptstadt von Into Inha Konrad (1865-1930), einem Fotografen, der vor allem dafür bekannt war, im Land herumzustreifen und Landschaften einzufangen, und zwar zu einer Zeit, die für die Entwicklung des finnischen Nationalbewusstseins von größter Bedeutung war.
2009 druckte WSOY erneut ein Buch mit Inhas Helsinki-Fotographien, einschließlich etwa 130 Bilder, die 1910 nicht veröffentlicht worden waren. Der Titel hieß „Helsinki – Valon kaupunki“ (Helsinki: Stadt des Lichts). thisisFINLAND hat die Genehmigung erhalten, einige dieser Bilder ins Internet zu stellen, und Fotojournalist Tim Bird hat die gleichen Orte aufgesucht, um zu zeigen, wie sie heute aussehen. Die Vergleiche sind umwerfend, – einige, weil die Orte total anders aussehen, andere wieder, weil sich so wenig verändert hat.
„Nach 20 Jahren in Helsinki gibt es nicht viele Teile der Stadt, die ich nicht gesehen habe. Aber es war schön, einige Stadtteile wiederzuentdecken“, sagt Bird. „Es gab positive wie auch negative Überraschungen.“
Das Ergebnis ist eine faszinierende Erlebnistour durch das moderne und historische Helsinki, die einen teils dokumentarischen, teils künstlerischen und nostalgischen Überblick gibt.
Gegenüber: Die südöstliche Ecke des Senatsplatzes war vom Rathaus (rechts) und vom Senatsgebäude (links) eingesäumt. Heute wird das erste noch für städtische Funktionen benutzt, während das andere nun als Regierungspalais fungiert...
Unten: ... und die Büros der Ministerpräsidentin, der Justizministerin und des Finanzministers beherbergt. Das niedrige graue Gebäude an der Ecke ist das 1757 erbaute Sederholm-Haus, das älteste Gebäude in der Innenstadt von Helsinki. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: "Ein Anblick, der nicht bloß Touristen, sondern selbst gestandene Städter verzaubert", heißt es in dem Begleittext zu Inhas Foto von der Böschung, die einen Blick auf den Südhafen freigibt.
Unten: Hundert Jahre später, die evangelisch-lutherische Kathedrale (ehemals bekannt als Nikolai-Kirche, links), die Russisch-orthodoxe Kirche (rechts) und die Fassaden der meisten Gebäude, die den Hafen säumen, sind im Großen und Ganzen gleich geblieben. Nur die Werft in den Vordergrund musste einem Fährterminal Platz machen. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Die Hügelform der Korkeavuorenkatu (der Hochbergstraße) und einige der sie säumenden Häuser haben sich seit 100 Jahren nicht verändert, selbst die Johannes-Kirche mit ihren zwei 1891 fertiggestellten Türmen.
Unten: Sehen Sie, wie die Autos die Straße schmaler aussehen lassen? Die niedrigen Holzhäuser auf der rechten Seite sind höheren Backsteinbauten gewichen. Am oberen Rand des Bildes ist immer noch ein Kirchturm sichtbar. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Mindestens drei Straßenbahnlinien kreuzten sich bei am Raitiotori (dem Tramplatz), wo sich heute die Durchgangsstraßen Mannerheimintie und Aleksanterinkatu überschneiden. Wenn Sie schon mal in Helsinki waren, werden Sie bestimmt dieses Gebäude auf dem Bild erkennen...
Unten: ... denn es liegt gegenüber dem Kaufhaus Stockmann, an dem die Straßenbahnen immer noch vorbeirumpeln. 1862 gegründet, ist Stockmann seit den 1920 Jahren aus dieser Gegend nicht mehr wegzudenken. Die bekannte Statue der „Drei Schmiede“ (links) von Felix Nylund befindet sich aber erst seit 1932 an ihrem Platz. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Gleich um die Ecke befindet sich das Ylioppilastalo (das Studentenhaus). Es hat sich nicht viel verändert...
Unten: ...aber um das den Bau herum hat sich die Stadt ausgebreitet. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: historische Assoziationen: Die Nikolaikatu (Nikolaistraße), ursprünglich nach Zar Nikolaus benannt ...
Unten: ... wurde 1928 zu Ehren des einflussreichen Gelehrten, Journalisten und Politikers J.V. Snellman (1806-1881) in Snellmaninkatu(Snellmanstraße) umgetauft. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Das Schwedische Theater wurde 1866 auf der gleichen Stelle erbaut, wo das vorige Theater stand, das niedergebrannt war. Als Inha die Fotoserie schoss, bestand die Bevölkerung in Helsinki, die einst überwiegend schwedischsprachig war, bereits aus mehr als 50 Prozent finnischen Muttersprachlern.
Unten: Heute sprechen in Helsinki rund sechs Prozent Schwedisch als Muttersprache und 84 Prozent Finnisch. Doch das Schwedische Theater feiert immer noch Triumphe, und man kann auch nach wie vor im Einspänner die Esplanade entlangfahren. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Die Töölö-Gegend hatte vor 100 Jahren noch keine Gestalt angenommen. Das Ufer der Töölö-Bucht von der Töölö-Zuckerraffinerie eingenommen.
Unten: Heute erstreckt sich das Opernhaus, das seit 1993 die Finnische Nationaloper und das Finnische Nationalballett beherbergt, an eben diesem Ufer. Seine Fassade aus Glas und Stein lässt nicht von den Schornsteinen erahnen, die einst dort standen. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Der Vorsitzende des Helsinkier Stadtrats, Alfred Norrmén, baute dieses Haus 1897.
Unten: 1960 wurde Norrméns Haus abgerissen und durch das neue Hauptquartier des finnischen Forstunternehmens Enso-Gutzeit ersetzt, den Vorläufer von Stora Enso. Das neue Gebäude wurde von Alvar Aalto entworfen. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Warum haben sie diese Markthalle auf dem Kasarmitori-Platz (Kasernenplatz)...
Unten: ... mit dem hier vertauscht? Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Wir befinden uns auf der Unioninkatu, auf der Westseite der Lutherischen Kathedrale, und blicken gen Süden. Stockmann lag am Senatsplatz (ein Teil seines Schildes ist sichtbar, unten links).
Unten: Ein Jahrhundert später flanieren Menschen noch immer gerne durch diesen Stadtteil. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Oben: Das Kunstmuseum Ateneum liegt am Ende des Bahnhof-Platzes. Fertiggestellt 1887 mit umfangreichen öffentlichen Mitteln hieß sein Spitzname einst Millionenpalast.
Unten: Im Juli 2009 schuf die Künstlerin Kaisa Salmi ein Meer von Farben auf dem Platz mit ihrem Eden VI, einem Labyrinth aus 100.000 Gerberas. Die Blumen wurden eine Woche danach gratis an die Helsinkier Bürger verteilt. Fotos von I.K. Inha und Tim Bird
Fotos von I.K. Inha, 1908-1909 (WSOY Archive) und Tim Bird, Juli 2009
Text von Peter Marten