Elli Pikkujämsä äußert sich zu den Chancen der finnischen Nationalmannschaft vor der Euro 2022, die vom 6. bis 31. Juli in England abgehalten wird.
In der Eröffnungsphase jedes großen internationalen Fußballturniers sticht eine Gruppe als härter als der Rest hervor. Bei der Frauen-EM 2022 ist diese „Todesgruppe“ die Gruppe B, in der Finnland gegen drei Top-Teams antritt: den Gesamtfavoriten Spanien, den achtmaligen Sieger Deutschland und eine beeindruckende dänische Mannschaft.
Das finnische Frauenteam mit dem Spitznamen Helmarit, auf Englisch auch die Boreal Owls genannt (was „Raufußkäuze“ bedeutet) hatte sich zuvor dreimal für die Euro qualifiziert.
„Finnland ist der Underdog, aber vielleicht können wir das als unsere Stärke nutzen“, sagt Pikkujämsä (Jahrgang 1999), die Profispielerin beim schwedischen KIF Örebro ist. „Mannschaften wie Spanien sind regelrecht verliebt in den Ball, aber wir sind kompakt (d.h. ein kompakter Mannschaftsblock) und sehr gut in der Verteidigung, also können wir sie vielleicht mit ein paar scharfen Kontern überraschen.“
Die Ruhe vor dem Sturm
Beobachtet man ihre Intensität auf dem Spielfeld, dann könnte man meinen, Pikkujämsä wurde geradezu zum Fußballspielen geboren, aber ursprünglich wollte sie Profi-Snowboarderin werden und gewann bei den Olympischen Jugendspielen 2016 die Silbermedaille im Slopestyle.
„Ich habe auch eine langjährige Vorgeschichte in der Leichtathletik“, sagt sie. „Meine vielfältigen Erfahrungen im Sport haben mir sowohl physisch als auch psychisch geholfen. Ich glaube, ich besitze eine gute Spielintelligenz und Konzentrationsfähigkeit.“
Pikkujämsäs Mentalität sowohl auf dem Feld als auch abseits ruft Worte wie „konzentriert“ und „souverän“ ins Gedächtnis. Sie ist derzeit in der finnischen Nationalmannschaft einer der Namen, die man im Auge behalten sollte, und wird von Trainerin Anna Signeul für ihre ruhige Entschlossenheit gepriesen.
„Elli ist eine talentierte junge Spielerin mit einer großartigen Technik“, sagt Signeul, die seit 2017 Finnlands Cheftrainerin ist. „Sie kann mit beiden Füßen lange und kurze Pässe ausführen, und ihre Beherrschung des Balls hilft ihr, brenzlige Situationen zu meistern.
„Sie hat die Fähigkeit, Leistungen zu erbringen, wenn es wirklich darauf ankommt. Sie geht sehr gut mit Drucksituationen um.“
Gnadenloses Rampenlicht
Signeul weiß, dass die Vorbereitung auf die Endrunde gnadenlos sein wird, wobei das Rampenlicht der Medien den Druck dermaßen erhöht, wie ihn viele Spieler noch nie erlebt haben.
„Wir arbeiten hart daran, unseren Spielern Strategien an die Hand zu geben, dem Druck standzuhalten“, sagt sie. „Wir haben einen Psychologen, einen Ernährungsberater und einen technischen Trainer, die Einzel- und Gruppenunterstützung geben, und wir steigern die Trainingsintensität.“
Nach Vorbereitungsspielen gegen die Niederlande und Japan sowie einem Abschlusscamp vom 20. bis 28. Juni kommt die Mannschaft am 4. Juli nach England.
Kameradschaft und Solidarität gehören zu den stärksten psychischen Stärken der Mannschaft, so Pikkujämsä. „Jeder kennt seine Rolle, und wir sind ein gut eingespieltes Team. Wir haben alle unterschiedliche Persönlichkeiten, aber wir verstehen uns ausgezeichnet. Wir verbringen auch außerhalb des Spielfelds Zeit miteinander und sind wirklich daran interessiert, uns gegenseitig zu helfen, besser zu werden.“
Finnland gehört zu den Ländern, die unermüdlich daran gearbeitet haben, den Status und die Sichtbarkeit des Frauenfußballs anzuheben. „Wir haben einen langen Weg zurückgelegt“, meint Pikkujämsä. „Wir sind sehr stolz darauf, uns durch Siege gegen hochrangige Teams wie Schottland für die Endrunde qualifiziert zu haben.“
Inspirierende Eulen
Pikkujämsä fügt hinzu, dass die Boreal Owls in letzter Zeit zahlreiche finnische Mädchen dazu inspiriert haben, Fußball zu spielen: „Es gibt sogar eine Kampagne, die dazu animiert, und jedes Mädchen, das anfängt zu spielen, bekommt einen kostenlosen Fußball.“
Noch immer herrscht leider in manchen Kreisen Skepsis in Hinsicht auf das Niveau und den Wert des Frauenfußballs, aber solche überholten Denkweisen sind dem Untergang geweiht. Die Weltmeisterinnen, die US-amerikanische Fußballnationalmannschaft der Frauen, haben vor kurzen einen Rechtsstreit gegen ihren eigenen nationalen Verband über gleiche Bezahlung und Bedingungen wie die Mannschaft der Männer gewonnen.
Pikkujämsä fordert die Zweifler auf, offen zu bleiben. „Spielstrategisch sind Frauenspiele genauso interessant wie Männerspiele“, sagt sie.
Als Pikkujämsä gebeten wird, die Siegermannschaft des bevorstehenden Finales zu nennen, lächelt sie kryptisch. „Ich würde Finnland sagen“, antwortet sie, „aber sagen wir einfach, dass ich ziemlich sicher bin, dass jemand in unserer Gruppe den Pokal mit nach Hause nehmen wird.“
Von Silja Kudel, Juni 2022