Finnischer Physiker Tuomo Suntola erhält den Millennium Technology Prize

Tuomo Suntolas Erfindung, die sogenannte Atomlagenabscheidung, wird in allen Bereichen, von Smartphones bis hin zu Solarzellen, eingesetzt.

“Es ist ein wunderbares Gefühl, den Millennium Technology Prize zu gewinnen“, freut sich Tuomo Suntola. „Jetzt können wir den Nutzen dieser Technologie mit Überzeugung weitergeben, denn das ist genau das, was wir uns vorgestellt haben.“

Suntola, 1943 in Tampere geboren, ist für seinen Beitrag zur Entwicklung der Atomlagenabscheidung (Atomic Layer Deposition, kurz ALD)  ̶  eine Nanoskala-Technologie, durch die ultradünne Schichten kontrolliert hergestellt werden können  ̶  mit dem alle zwei Jahre vergebenen, mit einer Million Euro dotierten Millennium-Technologiepreis 2018 ausgezeichnet worden. Die Finnische Technologie-Akademie verleiht den Millennium Technology Prize für eine bahnbrechende technologische Innovation, die die Lebensqualität der Menschen verbessert und eine nachhaltige Entwicklung fördert.

Nanotechnologisches Schweizer Messer

Bei vielen Silberarbeiten verwendet Kalevala Jewellery ein ALD-Verfahren, das von der finnischen Firma Beneq entwickelt wurde, um den Schmuckstücken eine transparente Anlaufschutzschicht zu verleihen. Diese Anhänger sind Teil der Serie „Naisen ääni“ (Stimme der Frau).Foto: Kalevala Jewellery

„ALD ist das Schweizer Messer der Nanotechnologie“, sagt Riikka Puurunen, außerordentliche Professorin an der Aalto-Universität und ALD-Forscherin. „ALD kommt bereits in vielen technologischen Bereichen zum Einsatz. Die Anwendungsmöglichkeiten sind riesig.“

Hersteller verwenden ALD in der Fotovoltaik, LED-Leuchten und flachen Elektrolumineszenz-Displays. Die Technologie wird sogar zur Beschichtung von Silberschmuck benutzt, um ein Anlaufen zu verhindern. Eine ihrer größten Rollen spielt das Verfahren jedoch bei Speicher- und Logikchips.

„ALD ist ein Wegbereiter des Mooreschen Gesetzes, wonach beobachtet wurde, dass sich die Anzahl der Transistoren auf Chips mit integrierten Schaltungen etwa alle zwei Jahre verdoppelt“, erklärt Puurunen. „Ein wichtiger Meilenstein war 2007, als Intel mit der kommerziellen Nutzung von ALD in seinen Chips begann.“

Verwirrte CEOs sind kein Hindernis

In diesem leicht verständlichen Video vom Millennium Technology Prize erklärt ALD-Erfinder Tuomo Suntola selbst sein Verfahren (auf Englisch).
Video: Finnische Technologie-Akademie

Einer von Suntolas ersten Jobs nach der Universität war die Arbeit an einem Feuchtigkeitssensor, der eine dünne Folie benötigte. Dies veranlasste ihn, sich über andere Möglichkeiten zur Erzeugung hauchdünner Filme den Kopf zu zerbrechen. Als ihn das Medizintechnikunternehmen Instrumentarium nach neuen Produktideen fragte, wusste er denn auch genau, was er vorschlagen wollte.

„Ich brachte meine Idee vor, und das Management stellte daraufhin viele Fragen“, erzählt Suntola. Der CEO sagte schließlich: „Ich bin immer noch verwirrt, aber lasst uns loslegen.“

Die Idee bestand darin, Schichten aus verschiedenen Ausgangsstoffen jeweils eine Atomlage nach der anderen übereinander zu schichten, was auch bei komplexen dreidimensionalen Formen eine Gleichmäßigkeit gewährleistet. 1974 meldete Suntola ein Patent für seine ALD-Erfindung an.

„Damals hatten wir nur ein Ziel, und das war ALD für Flachbildschirme mit Elektrolumineszenz zu verwenden“, sagt Suntola. „Aber schon in dieser frühen Phase habe ich über dessen Möglichkeiten für Halbleiter nachgedacht.“

Die Grundlagenforschung in dieser Technologie wurde unabhängig davon auch in der ehemaligen Sowjetunion betrieben, initiiert von Valentin B. Aleskowski und Stanislaw I. Koltsow, die beide in den 2000er Jahren gestorben sind.

Technologie im Höhenflug

Die Intel-Mitarbeiterin Rebecca Nevin hält einen Stratix-10-Chip, der 30 Milliarden Transistoren enthält und in einer Sekunde 420 Blu-ray-Discs verarbeiten kann. Intel begann 2007 mit der kommerziellen Nutzung von ALD in seinen Chips.Foto: Tim Herman/Intel

Die erste Anzeigetafel zeigte ankommende und abfliegende Flüge am Flughafen Helsinki an. Ihre kommerzielle Produktion begann in den 1980er Jahren. Mit verbesserter Technologie wurde ALD für eine vielfältigere Anwendung erwogen.

„Als ich bei Microchemistry, einer Tochtergesellschaft des finnischen Energieunternehmens Neste, arbeitete, begannen wir mit der Entwicklung von ALD für Fotovoltaik-Geräte und Siliziumwafer“, so Suntola.

Erst in den frühen 2000er Jahren, als die Chip-Hersteller darauf aufmerksam wurden, fand dieses Verfahren plötzlich enormen Anklang. Wer Spaß an den Funktionen seines modernen Smartphones, Notebooks und PCs hat, kann Suntola und seiner Erfindung dafür danken.

Veränderte Betrachtungsweise des Universums

Die Schweizer Bildungs- und F&E-Einrichtung HE-Arc setzt Picosuns ALD-Verfahren und Mechanismus ein, um Zeitmessgerät-Komponenten wie dieses hier zu beschichten.Foto: HE-Arc

Heute wird ALD für weitere Anwendungen ins Auge gefasst, etwa im Gesundheitswesen, wo es zur Beschichtung von Implantaten oder zur kontrollierten Freisetzung von Wirkstoffen genutzt werden kann.

„Eine der Ideen, die mich begeistern, ist die Anwendung von ALD auf Teleskopspiegeln“, sagt Suntola. „Diese nächste Generation von Teleskopen könnte die gesamte Betrachtungsweise des Universums verändern.“

Suntola sitzt weiterhin im Aufsichtsgremium von Picosun, einem finnischen Unternehmen, das auf ALD spezialisiert ist. Doch die meiste Zeit arbeitet er an seiner Idee eines dynamischen Universums.

„Ich erforsche liebend gerne die Grundlagen unserer Theorien über das Universum. Ich schaue hinter die Gleichungen“, sagt er.

Von David J. Cord, Mai 2018