„As ich 2017 zum ersten Mal nach Finnland kam, wusste ich nicht viel über das Land. Aber die Menschen, die ich an der Lappeenranta-Lahti University of Technology LUT kennengelernt habe, haben mir sofort gefallen“, sagt Jamie Hyneman, bekannt durch seine Arbeit in der Fernsehshow MythBusters zwischen 2002 und 2016.
„Ich mag die finnische Arbeitskultur. Die Menschen haben Sisu und legen großen Wert auf Ehrlichkeit.“ Sisu ist Finnisch und steht für eine Kombination aus Mut und Beharrlichkeit.
2021 wurde Hyneman Professor für Praxis an der LUT in Lappeenranta, einer Stadt im Südosten Finnlands. Dort hatte er bereits 2017 einen Ehrendoktortitel erhalten. Er begann seine Karriere als Experte für Spezialeffekte beim Film. Heute hat er ein Unternehmen für Produktentwicklung, M5 Industries, mit Sitz in Kalifornien.
„Die Entwickler in Finnland sind wie ich: geradlinige Charaktere mit viel Kreativität“, sagt er. „Man sagt, die typische Einstellung sei, sich zurückzuhalten, viel Kaffee zu trinken und die Arbeit zu erledigen. Damit kann ich mich identifizieren.“
Englisch als Arbeitssprache
Hyneman lebt in San Francisco und besucht Finnland einmal jährlich. „Remote-Unterricht ist umweltfreundlicher als ein Flug von den USA nach Finnland“, sagt er.
„Ich habe Tools für die Remote-Arbeit entwickelt. Mein Avatar-Roboter kann sich zum Beispiel im Hörsaal bewegen und lässt mich von Angesicht zu Angesicht mit Studierenden interagieren. Die Annahme neuer Technologien ist in Finnland in der Regel eine Selbstverständlichkeit. Die Studierenden der LUT verfügen über ein beeindruckendes technisches Vokabular in englischer Sprache.“
In Finnland ist das Arbeiten auf Englisch sehr einfach. Jorma Turunen ist Professor für Praxis an der Universität von Turku im Südwesten Finnlands. Er war Vorstandsmitglied in mehr als 30 finnischen Tech-Unternehmen. Vor seiner akademischen Tätigkeit war er CEO von Technology Industries of Finland, einer zentralen Organisation für Öffentlichkeitsarbeit und Tarifverträge.
„Englisch dient häufig als Unternehmenssprache, vor allem in Technologieunternehmen, die nach internationalen Talenten für Expertenpositionen suchen“, sagt Turunen.
Sinnvolle Arbeit, komfortables Leben
Im finnischen Arbeitsleben spiegelt sich die Gleichheit der Gesellschaft wider.
„Führungskräfte handeln in der Regel nicht autoritär. Von jedem wird erwartet, dass er Verantwortung für seine eigene Arbeit übernimmt“, sagt Turunen. „Solange man ehrlich und zuverlässig ist, wird man als Kollege geschätzt. Gegenseitiges Vertrauen erhöht die Arbeitsproduktivität und -qualität. Dabei ist es leicht, die Arbeit als sinnvoll zu empfinden. Finnland ist bekannt für die Gleichstellung der Geschlechter. Alle haben die gleichen Möglichkeiten, ihre Karriere voranzutreiben.“
Turunen war Mentor für junge Forscher, die aus dem Ausland nach Finnland gekommen sind.
„Viele von ihnen schwärmen davon, wie angenehm das Familienleben hier sein kann. Zum Beispiel die berühmten kostenlosen finnischen Schulen mit ihren hervorragenden Lernergebnissen.“
Innovation beschleunigt Wachstum
Finnland wurde 2021 in die Top 10 der innovativsten Länder des Bloomberg Innovation Index aufgenommen, wie schon viele Jahre in Folge.
Innovative finnische Start-up-Unternehmen haben das Interesse internationaler Investoren geweckt. Von den 1,2 Milliarden Euro, die sie 2021 erhalten haben, kamen 71 Prozent aus dem Ausland.
Unternehmensgründung ist einfach
Gomes ist eine der cleversten Jungunternehmerinnen der europäischen Tech-Branche und wurde 2022 in die Forbes-Liste „30 Under 30 Europe“ aufgenommen. Sie ist Mitgründerin und CEO des finnischen Unternehmens Serviceform.
Die aus Sri Lanka stammende Iranthi Gomes lernte ihren finnischen Ehemann Jarkko Oksanen in Australien kennen, wo sie Wirtschaft und IT studierte. 2018 gründeten sie das B2B-Softwareunternehmen Serviceform und siedelten das neue Unternehmen in Finnland an.
„Es ist einfach, in Finnland ein Unternehmen zu gründen. Der Prozess ist schnell“, sagt Gomes. „Einen Teil des Papierkriegs kann man sogar auf Englisch erledigen. Der Standort ist perfekt für uns, denn wir wollen unseren Markt auf andere europäische Länder ausweiten.“
Serviceform bietet Tools, mit denen Unternehmen ihren Website-Traffic in qualifizierte Leads umwandeln, mit Kunden kommunizieren, E-Mail-Marketingkampagnen durchführen und alles zentral verwalten können. Mittlerweile hat Serviceform 60 Mitarbeiter in Finnland, Schweden, Spanien und Sri Lanka.
„Die Hälfte unserer Mitarbeiter ist in Finnland“, sagt Gomes. „Unsere sechs ausländischen Mitarbeiter haben in Finnland gelebt, als wir sie eingestellt haben. Meiner Erfahrung nach ist die lokale Geschäftskultur offen und freundlich gegenüber Ausländern.“
Startups bekommen viel Unterstützung
„MunKamu ist ein Start-up, das eine Online-Plattform für die On-Demand-Hilfe für ältere Menschen anbietet“, sagt Anna Fatima Sambou. „Wir haben unseren Sitz im nordfinnischen Tech-Hub Oulu. Wir haben Pilotprojekte in Oulu und Helsinki gestartet, wobei beide Städte sich als hilfreich gezeigt haben.“
Sambou kommt aus Gambia und hat in Afrika und Asien gearbeitet. Sie suchte nach Informationen über Start-ups und fand die Business Corner (damals Business Kitchen) der Universität Oulu, wo Studierende Geschäftsideen entwickeln können. 2018 zog sie nach Oulu und erwarb einen Master-Abschluss an der Oulu Business School.
„Die Universität Oulu und Business Oulu haben mir geholfen, meine Geschäftsideen weiterzuentwickeln“, sagt sie. „Als Praktikantin in einem Unternehmen der Gesundheitstechnologie lernte ich auch die finnische Geschäftskultur kennen. Ich nehme am Mentoring-Programm Helsinki Female Tech Founder Frontrunner teil, das mir geholfen hat, mein Netzwerk aufzubauen und Kontakt zu Investoren herzustellen.“
Finnland bietet jede Menge Hilfe für Start-ups. Beispielsweise bietet Business Finland hilfreiche Dienstleistungen und neun verschiedene Finanzierungsarten speziell für Start-ups an.
„Die Gruppe Startup Refugees, bietet Unterstützung für Immigranten, die ein Unternehmen gründen wollen“, so Sambou. Ihr Ziel ist es, Newcomer in Finnland in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Startup Refugees hat mich mit Mentoren zusammengebracht und mir bei Unternehmensstrategie, Produktentwicklung und Marktforschung geholfen. 2021 halfen sie mir bei der Teilnahme am größten Start-up-Event in Finnland: Slush.“
Von Päivi Brink, ThisisFINLAND Magazine 2023