Seine geografische Lage und technologischen Innovationen haben dazu beigetragen, dass Finnland auf dem Gebiet eisbrechender Schiffe den Ton angibt. Der Klimawandel macht sich in der Arktis eindeutig bemerkbar, was aber nicht bedeutet, dass Eisbrecher von der Bildfläche verschwinden.
Forschungsprofessor Jari Haapala, Experte für Meereis, ist Leiter der Meeresforschung am finnischen Meteorologischen Institut. Ihm zufolge leidet die Arktis am meisten unter dem Klimawandel. Ihre Temperaturen steigen doppelt so schnell an wie die in anderen observierten Regionen.
„Es herrscht kein Zweifel, dass sich in der Arktis ein Klimawandel vollzieht“, sagt er. „Alle Indikatoren zeigen in die gleiche Richtung. Die Eisausdehnung (die Größe der eisbedeckten Fläche), die Eisdicke, das mehrjährige Eis usw. dokumentieren, dass weniger Eis vorhanden ist als früher.“
Die gewechselten Temperaturen und eine relative Verringerung des Eises vereinfachen den Transportverkehr jedoch nicht. „Trotz des Klimawandels darf man nicht vergessen, dass die Bedingungen in der Arktis äußerst schwierig sind“, so Haapala.
Treibeis behindert die Ostsee
„Bei der Diskussion über Eisbrechen und Klimawandel ist es wichtig, zwischen arktischen und subarktischen Gebieten wie der Ostsee, Sachalin und den Großen Seen zu unterscheiden“, sagt der Geschäftsführer von Aker Arctic Technology, Reko-Antti Suojanen. Das Unternehmen ist weltbekannt für sein Know-how im Eisbrechen, seine erstklassigen Schiffsdesigns und innovativen Lösungen.
Selbst wenn das Meereis dünn ist, treiben starke Winde in der Ostsee das Eis in Richtung Ufer und Häfen. In den nördlichen Teilen des zwischen Finnland und Schweden gelegenen Bottnischen Meeresbusens bricht das Eis im Winter auseinander und gefriert unzählige Male erneut. Dies führt zu dicken Treibeisschichten, die als Brocken mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern definiert werden. Die gleiche Eisart findet man auch in arktischen Gewässern.
„Sich im Eis zu bewegen, ist für Schiffe besonders schwierig“, erläutert Suojanen.
Die Wetterbedingungen in der Ostsee werden immer herausfordernder und belasten die Zeitpläne, die Schiffe einhalten müssen, um den Transportfluss aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig nimmt als Reaktion auf die Umweltvorschriften die Motorleistung von Handelsschiffen ab, obwohl ihre Größe zunimmt. Verminderte Leistungsfähigkeit im Winter ist die Folge.
„Daher wird in Zukunft mehr Beihilfe für Eisbrecher benötigt“, sagt Suojanen.
Wie wird Eis tatsächlich gebrochen?
Die Bedeutung der nördlichen Meeresroute als Exportkorridor vom arktischen Russland nach Europa und Asien hat seit den 2010er Jahren zugenommen. Spezialschiffe und Eisbrecher sind erforderlich, um eine sichere und zuverlässige Passage durch die eisigen arktischen Gewässer zu gewährleisten. Aufgrund technischer und wirtschaftlicher Faktoren können Transportrouten nur Gebiete mit einjährigem Eis durchqueren.
Um kommerzielle Frachttransporte in großem Maßstab in der Arktis zu ermöglichen, hat Aker Arctic eine Lösung namens Double-Acting Ship-Technologie, kurz DAS (Doppeltwirkende Schiffstechnologie), entwickelt und als Marke eingetragen. Um ihre Komponenten zu verstehen, müssen wir unters Eis tauchen und zwei weitere Begriffe erklären: „Azimutantrieb“ und „Eisbrechen“. Wie wir sehen werden, ist letzteres nicht so offensichtlich, wie es scheint.
„Azimut“ ist ein Begriff, der bei Winkelmessungen in der Navigation verwendet wird. Azimutantrieb bezieht sich auf ein Triebwerk oder eine Propellergondel, die sich drehen können, um in jede horizontale Richtung zu zeigen, wodurch das Schiff viel wendiger wird.
Als Nächstes muss man verstehen, wie ein Eisbrecher Eis bricht. Anders als es aussehen mag, bricht ein Eisbrecher das Eis nicht wirklich, sondern drückt es nach unten. Das Biegen des Eises erfordert viel weniger Energie als das Zerstampfen. Dies ist der Grund, warum der starke Stahlrumpf des eisbrechenden Schiffes nicht vertikal ist, sondern flach und fast horizontal. Das ist die natürliche Form für das Heck des Schiffes (also für uns Nicht-Seeleute bedeutet Heck die Rückseite des Schiffes). Wenn das Schiff achteraus (rückwärts) fährt, kann es daher mit weniger Energie Eis brechen. Das Problem ist, dass ein Schiff, wenn es nach achtern fährt, nicht gesteuert werden kann, es sei denn, der Propeller wird durch ein Azimut-Triebwerk ersetzt, das um 180 Grad gedreht werden kann, wenn das Schiff rückwärtsfährt.
Die Kombination dieser beiden Dinge führte zum DAS-Schiff, das in zwei Richtungen vor und zurück fahren kann. Die Rückwärtsfahrt kann zum Eisbrechen und der normale Vorausmodus zur Fahrt in offenen Gewässern verwendet werden. Der Astern-Modus ist so effizient, dass solche Schiffe aufgrund der flachen Form und auch der Propeller, die den Rest der Eisblöcke zerkleinern, fast jedes Eis brechen können.
Die DAS-Schiffe von Aker Arctic mit hoher Eisklassifizierung sind Schiffe, die auch den anspruchsvollsten Eisbedingungen trotzen können. Dies kann neben Eisbrechern auch bedeuten, dass Schiffe ohne Eisbrecher-Begleitung eingesetzt werden können. Solche Innovationen machen den Handelsverkehr in der Arktis rentabel. Gleichzeitig reduziert DAS die benötigte Schiffsleistung um die Hälfte, was zu einer entsprechenden Verringerung der Emissionen führt.
LNG und Hybridtechnologie
Zusätzlich wird die Umweltverschmutzung durch die Verwendung von Flüssigerdgas (LNG) anstelle von Schweröl reduziert. LNG erzeugt geringere Mengen an Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen und gar kein Schwefeloxid. LNG gibt auch keinen Gasruß ab, Rußpartikel, die für die Arktis besonders schädlich sind und zum Klimawandel beitragen.
Aker Arctic hat große Frachtschiffe für den Transport von LNG aus arktischen Orten entwickelt. Das LNG wird in großen Tanks, die das Gas auf einer Temperatur von minus 163 Grad Celsius halten, an Bord gelagert. LNG spielt auch als Treibstoff für Schiffe eine immer wichtigere Rolle. Der erste Eisbrecher, der LNG verwendete, war der finnische Eisbrecher „Polaris“, der von Aker Arctic entworfen wurde.
Der nächste Schritt hin zu einer Emissionsreduzierung ist die Hybridtechnologie.
„Eisbrechen erfordert eine Hochleistung, die mit Batterien nicht erreicht werden kann“, erklärt Suojanen. „Sie können jedoch dazu verwendet werden, um schnelle Leistungsschwankungen auszugleichen und die Treibstoffeffizienz zu verbessern. Andere Kraftstoffe wie Methanol werden ebenfalls untersucht.“
Fossilfreie Zukunft
Zu den jüngsten Beispielen für den stetigen Innovationsfluss von Aker Arctic gehören das Polarexpeditionsschiff und Kreuzfahrtschiff „Le Commandant Charcot“, ein LNG-Elektro-Hybrid, für die französische Kreuzfahrtgesellschaft Ponant sowie das supermoderne Polarforschungsschiff „Xue Long 2“ für das Polar Research Institute of China und der superagile Hafeneisbrecher „Ob“ für die russische Firma Rosatomflot. Die „Ob“, die derzeit im nordrussischen Sabetta vor Anker liegt, kann sich mit ihren vier Azimutantriebseinheiten auf der Stelle drehen und ist Rosatomflots einziger Eisbrecher ohne Atomantrieb.
„Unsere als Nächstes anstehenden Projekte sind ein LNG-Tanker für den ganzjährigen Einsatz in der Arktis, der erste seiner Art, und das Design eines neuen Ostsee-Eisbrechers, der für eine fossilfreie Zukunft zum Einsatz bereit steht“, so Suojanen.
„Schiffe mit Eisverstärkung und Eisbrecher werden auch in Zukunft benötigt, denn das beste Schiff, was Sicherheit und Umwelt betrifft, ist eins, das für seine Aufgabe und die Bedingungen, denen es ausgesetzt ist, entworfen und gebaut wurde.“
Von Catarina Stewen, Februar 2021