Was geschieht, wenn man sich so stark in finnisches Design verliebt, dass es lebenswichtig wird? Man arbeitet dann unter Umständen letzten Endes in Finnlands hochmoderner Mobilspieleindustrie.
Als Wensi Zhai ihr erstes Buch über Finnland fand, war sie eine junge Studentin an der chinesischen Kunstakademie CAFA (Central Academy of Fine Arts) und wusste augenblicklich, wo sie hinwollte.
„Das Buch beeindruckte mich“, bekennt Zhai. Nach seiner Lektüre suchte sie fieberhaft nach einer Möglichkeit, nach Finnland zu ziehen. „Die Abbildungen zeigten Designs, zu denen ich mich hingezogen fühlte. Ich wollte mehr über finnisches Design erfahren und über den Lebensstil, die Umwelt und Natur des Landes. Wenn ich etwas mag, bin ich blind für alles andere.“
Zhais Freund und Kollege, Miguel Moreno aus Spanien, erzählt eine andere, jedoch sehr vertraute Geschichte. Morenos erster Besuch in Finnland hatte etwas mit einer „blonden Dame mit grünen Augen,“ zu tun. Allerdings verliebte er sich schon bald auch in die minimalistischen Formen finnischen Designs und finnischer Kunst.
„Ich kann nicht verstehen, dass Designer wie Eero Aarnio oder Architekten wie Alvar Aalto oder Eero Saarinen außerhalb Finnlands nicht besser bekannt sind“, meint Moreno. Binnen Kurzem schickte er Bewerbungsschreiben nach Finnland und am Ende machte er die Tür seines Animationsunternehmen in Barcelona hinter sich zu.
Die Arbeit mit Piggies und Birdies
Zhai erreichte ihr Ziel 2008, als sie von der Helsinkier Hochschule für Kunst und Design als Austauschstudentin angenommen wurde. Heute arbeiten sowohl Zhai als auch Moreno für Rovio Entertainment, den finnischen Mobilspieleentwickler. Das Entertainmentunternehmen ist für seine Angry Birds und Bad Piggies bekannt. Zhai ist dort Juniorgrafikdesigner, und Moreno arbeitet bei Rovio als Hauptcharaktere-Designer.
„Finnland ist ein ideales Land für Fachleute, besonders im Bereich von Zukunftstechnologie und Bild“, sagt Moreno. Er fing bei Rovio an, bevor die Vögel zum Hit wurden und die Firma ein gefiedertes Franchiseunternehmen wurde. „Es ist ein unternehmerisches Land.“
Rovio zeichnet sich als Unternehmen durch seine hohe Mitarbeiterzufriedenheit aus, die auch dadurch bekräftigt wird, dass den Angestellten die Freiheit geboten wird, schöpferisch zu sein. „Die Tatsache, dass mir die Möglichkeit offeriert wird, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten, von der Konzeption neuer Charaktere bis hin zum Marketing sowie der Ideenfindung für neue Spiele, ist fantastisch“, sagt Moreno. „Und obendrein bekomme ich dafür bezahlt!“
Das Arbeitsumfeld ist für Zhai der entscheidende Punkt sowie die Tatsache, dass in Finnland „Kunden und Kollegen die Designer wirklich respektieren, und dass das Design allgemein von sehr hoher Qualität ist.“ In einer Branche, in der der Designer „seinen Kunden absolut zufriedenstellen“ muss, spielt Respekt eine wichtige Rolle. Zhai gestaltet derzeit ein Buch für Rovio.
Inspiriert von Menschen
Zhai erläutert, wie wichtig Design für sie ist, und woran sie sich inspiriert: „In Finnland ist fast jedes Objekt mit Design verknüpft, ob die Kaffeetasse in der Cafeteria oder eine Lampe in einem Restaurant. Ich nehme das wahr und werde davon inspiriert. Ich habe deswegen das Gefühl, nicht nur bei der Arbeit, sondern auch außerhalb des Büros kreativer zu sein.“
Bei einigen finnischen Brands ist die Farbgestaltung „zwar farbenfroh, aber doch auch sehr ruhig gehalten“, so Zhai. Marimekko hat seine finnische Eigenheit behalten und dennoch internationale Anhänger an sich gefesselt. „So etwas ist gutes Design.“
Auch die Finnen selbst animieren sie: „In Finnland herrscht ein Sinn der Verlässlichkeit. Die meisten Menschen nehmen ihre Arbeit und Verantwortung sehr ernst. Ich mag die Geradlinigkeit der Finnen; sie erleichtert die Arbeit.“
Der ebenfalls begeisterte Moreno stützt sich auf die Inspiration, die er von seinen Kollegen erhält: „Bei Rovio habe ich den Luxus, mit fantastischen Künstlern zusammenzuarbeiten, und das beflügelt mich jeden Tag!“
Was kann man auch sonst in einem Unternehmen erwarten, das vor talentierten Animations- und Game-Designern nur so strotzt, die sich alle mit voller Leidenschaft ihrer Arbeit hingeben? Sogar seine filmorientierten Spiele, ein Genre, das Spieler desweilen ignorieren, sind ebenfalls erfolgreich. Das hat der Schleuderstart von Angry Birds Star Wars bewiesen.
Angesichts des erstaunlich rasanten Tempos, mit dem überall Schweine und Vögel herumschwirren, kann man gespannt sein, auf wie viele Mitarbeiter Rovio in einem Jahr anschwellen wird. Das Unternehmen ist auf dem besten Weg, ein echtes Imperium zu werden. Erst kürzlich kündigte es seinen ersten 3-D-Spielfilm an, der im Sommer 2016 herauskommen soll. Er wird von John Cohen produziert, zu dessen bisherigen Produktionen „Despicable Me“ gehört.
Alles, was wir dazu sagen haben, ist: „Mögen die Vögel mit dir sein!”
Von Carina Chela, Januar 2013