An den EuroGames in Helsinki nehmen mehr als 1.500 Sportler aus aller Welt teil. Sie sind nicht nur des Sportes wegen hier, sondern auch um Spaß zu haben und Denkweisen zu verändern.
Juha Meronen war immer schon etwas sportverrückt. Seine Begeisterung begann bereits, als er noch ein kleiner Junge war.
„Ich spielte Baseball und sogar Eishockey. Also alles, was junge Kerle damals getan haben, als es noch keine Playstation gab“, sagt Meronen.
Zum Topsportler hat er es nie gebracht, aber die Liebe zum Sport blieb. In einem Alter, in dem andere Sportaktivisten beginnen, ihre Schuhe an den Nagel zu hängen, hat sich Fitnesssportler Meronens Tempo noch beschleunigt. Durch seinen jetzigen Sportklub HOT hat er sich mit verschiedenen Sportarten vertraut gemacht. HOT ist ein 1997 gegründeter Helsinkier Sportverein für Schwule. In seiner Volleyballmannschaft bemüht sich Meronen hartnäckig, den Ball auf den Parkettboden auftreffen zu lassen, obwohl in den letzten Jahren Golf allmählich zu seiner Hauptsportart geworden ist.
Ach ja, Meronen ist nicht nur ein begeisterter Sportler, sondern auch schwul.
„Aber die Homosexualität zeigt sich nicht auf dem Sportfeld. Wenn ich Golf spiele, golfe ich und baggere meine Golfpartner nicht an“, meint er schmunzelnd.
Worte, die man in einer idealen Welt überhaupt nicht sagen müsste.
Sport ohne Vorurteile
Juha Meronen hat schon 11 Mal an den EuroGames-Sportwettkämpfen der sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten teilgenommen. In diesem Jahr werden die EuroGames Ende Juni/Anfang Juli in Helsinki ausgetragen, und Meronen ist in seiner Heimatstadt der Vizepräsident der Spiele.
„Sport spielt die Hauptrolle, aber ganz so rigoros geht es hierbei nicht zu. Das Niveau der Teilnehmer schwankt vom Anfänger bis zum täglich trainierenden Athleten. Auch wenn Medaillen verteilt werden, handelt es sich hier eher um ein gesellschaftliches Event.“
Die Spiele werden parallel zur in Helsinki stattfindenden Pride-Woche veranstaltet. Und obwohl auch im Sport häufig etwas mit den Augen gezwinkert wird, ist von „Spiel“ keine Rede. Im Gegenteil.
„Für viele sind die EuroGames die einzige Veranstaltung, wo man Sport in seiner eigenen spezifischen Gruppe treiben kann. Man muss nicht darüber grübeln, was andere vielleicht denken, und deshalb nehmen auch viele Menschen den Sport ernst.“
Obgleich Schwule und Lesben in vielen Ländern immer mehr akzeptiert werden, müssen sie sich in der Sportwelt weiterhin stark überlegen, ob sie es wagen können, sich zu outen.
“Vor allem in den Mannschaftsportarten existieren immer noch die Vorurteile, dass Schwule nicht hart genug spielen, auf dem Spielfeld den Schwanz einkneifen oder in der Dusche auf andere starren“, sagt Meronen.
Die EuroGames beschäftigen laut Meronen eine große Anzahl von Sportaktivisten aus den sogenannt „normalen“ Sportvereinen. Die Resonanz darauf war zum Großteil überaus positiv, aber es gab auch Ausnahmen.
„Der Vorsitzende eines bestimmten Vereins fragte, wie sie gegenüber ihren jungen Leuten die Teilnahme ihrer Junioren an einem Schwulen- und Lesben-Event rechtfertigen könnten. Doch gerade zur Änderung solcher Denkweisen braucht man die EuroGames.“
Auch das tolerante Finnland kann sich noch weiterentwickeln
Zu den Helsinkier EuroGames sind rund 1.500 Sportler angereist, und neben Schwulen und Lesben auch einige Transgender.
„Doch wir prüfen in absolut keinster Weise, was jemand ist.“
Laut Meronen sind Finnland und Helsinki ein guter Ort zur Abhaltung von Wettbewerben für LGBT-Minderheiten. Auch wenn das finnische Parlament erst im vergangenen Jahr ein Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe sanktioniert hat, befinden sich die Dinge hier im Vergleich zu vielen anderen Ländern im Lot. Man kann durchaus seinem Liebespartner auf der Straße seine Gefühle bekunden, ohne dabei befürchten zu müssen, seiner Orientierung wegen, zum Opfer von Gewalt zu werden.
„Es wurden enorme Fortschritte gemacht. Ich glaube, dass die Verabschiedung des gleichberechtigten Eheschließungsrechts im Parlament für dessen Gegner der letzte Strohhalm war und ihnen nichts Anderes übrig blieb, als aufzugeben.“
In Sachen Toleranz für sexuelle Minderheiten gibt Juha Meronen den Finnen die Gesamtnote „sehr gut“. Dennoch gäbe es noch Raum für Verbesserungen.
„Die Diskussion in Finnland ist in Tat und Wirklichkeit immer noch von ziemlicher Heteronormativität geprägt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Mann eine Frau und Kinder hat oder dass diese zumindest kommen. Aber nicht jeder hat welche, und nicht jeder will sie.“
Der Stadt bleiben rosa Moneten
Meronen lobt die Zusammenarbeit mit der Stadt Helsinki. Schirmherr der Spiele ist Staatspräsident Sauli Niinistö, die Eröffnungsrede hält der Helsinkier Oberbürgermeister, Jussi Pajunen, und der Sportbereich zeichnet für die Vermietung von Räumlichkeiten verantwortlich. Das finnische Bildungsministerium gewährte der Veranstaltung finanzielle Unterstützung.
„Im Rahmen der amerikanischen Cleveland Gay Games 2014 gaben die 7000 Teilnehmer in der dortigen Region 35 Millionen US-Dollar aus. Helsinki hat somit richtig erkannt, dass man durch eine kleine Investition auf diese Weise viele zahlungsfähige Besucher bekommen kann.“
Sie halten sich in Helsinki auf, um Schweiß zu vergießen, den Sport zu genießen und sich ins Bewusstsein zu rufen, dass der Verteidiger, wenn er am Angreifer vorbeiprescht, in nur sehr wenigen Sportarten Zeit hat, Fragen über dessen geschlechtliche Orientierung zu stellen.
Vielleicht werden solche Veranstaltungen wie die EuroGames sich selbst eines Tages gegenstandslos machen.
„Der Traum ist, dass man als Schwuler wie jeder andere frei Sport treiben kann. Aber auch nach über 20 Jahren werden die EuroGames bislang immer noch als gesellschaftliches Ereignis und Spaß betrachtet, was im Sport wichtig ist.“
Jeder ist in der Zeit der Spiele auf dem Kansalaistori-Platz im EuroGames Village herzlich willkommen.
Von Juho Paavola, Juni 2016