Da die meisten Menschen zu Hause zu bleiben müssen und Großveranstaltungen verboten sind, tauschen Musiker die Bühnen der Konzertsäle neuerdings gegen Online-Konzertplattformen aus. Sie tun weiterhin das, was ihnen am meisten am Herzen liegt, und versuchen gleichzeitig damit, ihre Existenzgrundlage am Leben zu erhalten.
Hier sind ein paar Einblicke in die vielen Vorführungen, die im Netz stehen. Die meisten der von uns erwähnten Websites sind auf Englisch, aber Musik ist natürlich eine internationale Sprache.
In einigen Fällen kann man eine Eintrittskarte für ein „Sofakonzert“ kaufen und es in seinem eigenen Wohnzimmer für weniger als den Preis eines Albums genießen. Andere Aufführungen sind kostenlos und bieten Website-Links für Publikumsmitglieder, die Aufnahmen oder Produkte kaufen möchten. Einige Veranstaltungen werden live übertragen, wobei die Musiker zu einem festgelegten Zeitpunkt auftreten, während andere Vorstellungen, darunter einige von der Finnischen Nationaloper und dem Finnischen Nationalen Ballett, online veröffentlicht werden und nach Belieben angeschaut werden können.
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass für jeden etwas dabei ist.
Finlandia telefonisch
Seit die Menschen wegen des Coronavirus zu Hause bleiben müssen, ist eine Videoform zu einem Genre für sich geworden: Wir sprechen von diesen zusammengesetzten Videos, in denen die räumlich distanzierten Mitglieder eines Orchesters oder Chores alle im eigenen Zuhause spielen oder singen, woraufhin ein unsichtbarer Technologiegeist die einzelnen Aufnahmen zu einem vollständigen Konzert verschmilzt.
Zum Zeitpunkt des Schreibens hat der Kammerchor der Vaskivuori-Sekundaroberstufenschule im nördlich von Helsinki gelegenen Vantaa mit seinem Video „Song of the Fearless“ (Song der Furchtlosen) mehr als 118.000 Aufrufe eingeheimst.
Der Kammerchor der Vaskivuori-Sekundaroberstufenschule singt „Song of the Fearless“ von Jussi Chydenius, Liedtext von Julia Junttila.
Video: Kammerchor der Vaskivuori-Sekundaroberstufenschule
Die Aufnahme wurde gemacht, um sich zu trösten, nachdem der Chor seine Reise zum Cork International Choral Festival in Irland absagen musste. Anschließend fügte er eine Version mit englischen Untertiteln hinzu. Wer sich das ganze anschaut, wird auch einige Haustiere der Kids im Video sehen.
„Vertraue in das, was kommen wird“, lautet die letzte Zeile des Songs. Weitere Informationen zu den Ursprüngen des Videos „Song of the Fearless“ finden Sie auf der Website von Music Finland.
Wenn man etwas weiter nördlich zur 100 Kilometer von Helsinki gelegenen Stadt Lahti reist, findet man ein ähnliches Video.
Die Sinfonia Lahti fühlt sich beim Spielen der „Finlandia“ von Jean Sibelius wie zu Hause.
Video: Sinfonia Lahti
Mit ihren Handys nahmen die Mitglieder der Sinfonia Lahti zu Hause die „Finlandia“ auf, die 1899/1900 von Jean Sibelius, Finnlands berühmtestem Komponisten, geschrieben wurde. Die weitenteils bekannteste Partie, die so manche als die „Finlandia-Hymne“ kennen, beginnt kurz nach der Fünf-Minuten-Markierung.
Bereitstellung einer Plattform
Wer sich über Online-Konzerte informieren möchte, dem bieten mehrere Websites Musiklisten und Links an.
Eine ist Keikalla; das Wort bedeutet „beim Gig“, kann aber auch „auf der Arbeit“ meinen. Laut Helsingin Sanomat, Finnlands größter Tageszeitung, wird dort für den Sänger Sami Saari und die Jazzpojat (die Jazz-Boys) geworben, die „unverschämt unterhaltsamen Jazz“ spielen. Oder wie wär’s mit Lordi, die Monster-Metal-Band, die 2006 den Eurovision Song Contest gewann. Ihr Konzert nennt sich Scream Stream.
In einem anderen Webportal, Semilive, kann man sich zum Livestream zuschalten oder sich auch später einige Konzerte reinziehen. Zu den Künstlern zählen die Hardrock-Band Shiraz Lane, der Rapper Kube, der Singer-Songwriter Tommi Läntinen und die Popsängerin Petra.
Die treffend betitelten Koronakonsertit (Corona-Konzerte) offerieren eine generelle Liste bevorstehender und vergangener Konzerte von sämtlichen „Veranstaltungsorten“. Die diversen Auflistungen bieten ein Repertoire mit Musik von Joseph Haydn aus der Lutherischen Kathedrale von Helsinki und einen Quarantäneclub mit dem Violonisten Pekka Kuusisto in einem leeren Theater in Loviisa, einer Stadt 90 Kilometer östlich der Hauptstadt. Koronakonsertit warten sogar mit einer Aufreihung ähnlicher Websites anderer Länder auf.
Für die Leute musizieren
Hier sind einige weitere Künstler, die ihre Tätigkeit nicht aufgegeben und gleichzeitig räumliche Distanz bewahrt haben.
Der Titel von Teija Nikus neuestem Album, „Hetkessä“ (Im Moment), klingt passend für diese ungewöhnliche Zeit.
Video: Teija Niku
In einem Facebook Live-Konzert spielt die Akkordeonistin Teija Niku ihre eigenen begeisternden, nordisch und balkanisch inspirierten Kompositionen aus ihrem dritten Soloalbum, „Hetkessä“ (Im Moment). „Ich hatte gehofft, dass ich dieses Jahr häufig aus diesem Raum heraus komme, um für die Leute zu spielen“, erklärt sie während des Konzerts in ihrem Proberaum, „aber momentan ist das nicht möglich, also muss ich in meinen eigenen vier Wänden für euch spielen“.
Brú in Bruges: Diese lebhafte Tanzmelodie stammt aus Lappfjärd, einem Dorf in Westfinnland.
Video: Brú
Brú, ein finnisch-französisch-indisch-italienisch-norwegisches Barockmusikensemble, hat seine eigene Interpretation traditioneller Musik aus den nordischen und anderen Ländern. Es hat Teile eines Konzerts in Belgien gepostet. Kurz danach konnten die Musiker wegen des Covid-19 nicht mehr vor Live-Publikum auftreten.
Ja, diese Violine besitzt zehn Saiten (Man schaue sich mal an, wie viele Stimmwirbel sie hat). Fünf davon sind zum Bogenstreichen da, die anderen sind Resonanzsaiten, die mitschwingen.
Video: Sara Pajunen
Die finnisch-amerikanische Violinistin Sara Pajunen hat dieses faszinierende Stück im amerikanischen Nordminnesota auf einer norwegischen Hardangerfiedel, die zehn Saiten besitzt, aufgenommen. Sieh dir übrigens den Wald im Hintergrund an. Man könnte meinen, die Landschaft sehe Finnland sehr ähnlich.
Oper und Ballett haben dieselbe Adresse
Es ist episch: „Kullervo“ besteht aus Choreografie und Chor.
Video: Finnisches Nationalballett
Die Finnische Nationaloper und das Finnische Nationalballett, die beide im selben Gebäudekomplex am Ufer der Töölö-Bucht von Helsinki zu Hause sind, mussten ihre gesamte Frühjahrssaison absagen. Auf ihrer Stage24-Webseite empfehlen sie jedoch, mit verschiedenen Video-Aufführungen in voller Länge „die Bühne nach Hause kommen zu lassen“. Die finnischste Wahl dürfte das Ballett „Kullervo“ sein, das sich auf eine Episode aus dem Nationalepos „Kalevala“ stützt. Choreografiert wurde es von Tero Saarinen zu Chor- und Orchestermusik von Sibelius.
Was auch immer ihr euch anschaut, habt ein großartiges und wirklich einmaliges Konzerterlebnis!
Vom ThisisFINLAND-Mitarbeiterstab, April 2020