Anu Penttinen lebt im pittoresken, winzigen Nuutajärvi. Ihre Inspiration holt sie sich aber von Straßenkarten, Stadtlandschaften und Menschengeschaffenem. Nicht gerade die normalen Elemente finnischen Glasdesigns. Anu Penttinen geht eigene Wege und gilt als Finnlands talentierteste Glaskünsterin.
Anu Penttinen studierte ursprünglich Keramik, fand dann aber, dass „Ton doch nicht das richtige Material für mich“ war. Sie probierte es mit Glas, und „es sprach einfach zu mir“, sagt sie.
Ihre aufsehenerregenden Ausstellungen haben die Künstlerin fast um die ganze Welt geführt, so etwa nach Deutschland, Italien, den Vereinigten Staaten, Neuseeland, Großbritanien und Australien, wo sie eine Zeit lang in Canberra studiert hat.
„Ich mag den Prozess des Glasblasens. Er hat etwas Unmittelbares, und man muss rasche Entscheidungen treffen. Ich mag die Art und Weise, wie sich heißes Glas benimmt. Es hat seine eigene Personalität. Es ist ganz und gar kein leichtes Material. Deshalb verliert man auch nie das Interesse daran. Glas ist stets eine Herausforderung,“ erzählt Penttinen.
Die finnische Glaskünstlerin betreibt im noblen Helsinkier Designviertel in Punavuori ihren 2003 gegründeten Laden Nounou, und sie arbeitet für einige bekannte finnische und europäische Unternehmen als Glasdesignerin.
Spiel mit frohen Farben und expressiven Ornamenten
Farbe ist für sie heute das wichtigste Element. Zehn Jahre lang waren ihre Arbeiten eher grafisch und schwarzweiss. „Dann habe ich mich mit Farbe befasst, was wirklich eine Herausforderung darstellt. Es ist aber auch interessant, Farbkombinationen zu finden, die mit meinen Ornamenten ineinandergreifen. Die Ornamente sind im Übrigen ein weiterer wichtiger Punkt bei meinem Design. Es ist niemals nur das eine oder andere, sondern immer die Kombination von Farben und Formen,“ unterstreicht Penttinen.
Die Künstlerin arbeitet mit verschiedenen Techniken, Glasblasen, Ofenformung und Kaltformung, denn ihre gläserne Palette ist vielseitig, angefangen von kleinen Glasbehältern bis zu Lampen, Glasvögeln bis zu Skulpturen. Zurzeit erkundet Penttinen die relativ neue Roll-up-Technik, wo Glasscheiben miteinander verschmolzen, dann zu einem Zylinder aufgerollt und schließlich geblasen werden.
„Das ist eine interessante und für mich momentan die wichtigste Technik, die ich verwende, weil ich mit ihr Sachen anstellen kann, die davor nicht möglich waren“, konstatiert Penttinen.
Finnland begann seinen internationalen Siegeszug im Glasdesign Mitte der 30er Jahre. Von da ab brachte es unaufhörlich so große Namen wie Alvar Aalto, Tapio Wirkkala, Kaj Franck, Nanny Still, Timo Sarpaneva und Oiva Toikka hervor, um nur einige zu nennen. Für die Designer der jetzigen Generation war es jedoch nicht einfach, ihren Schatten zu entfliehen. Aber sie schafften es, und Glasskünstler wie Harry Koskinen, Markku Salo, Hans-Christian Berg oder Anu Penttinen sind heute auch im Ausland bekannt.
Do-it-yourself: das Motto der neuen Generation
„Die heutige Generation von Glaskünstlern macht ihre Arbeiten im Gegensatz zur vorigen viel öfter total selber. In den alten Zeiten war eigentlich kein Glaskünstler in Finnland imstande, selbst Glas zu blasen. Andererseits gibt es heute viele industrielle Glasdesigner, die gar nicht wissen, wie man mit Glas umgeht. Für sie ist es nur eins von vielen Medien für die Massenproduktion,“ konstatiert Penttinen.
„Einst war finnisches Glasdesign noch viel bekannter als heute. Es wurde sehr viel Werbung dafür gemacht. Es war vielleicht noch populärer als jetzt. Wenn man heutzutage mit Glas seinen Lebensunterhalt verdienen und seine Arbeiten eigenhändig machen will, ist es sehr schwierig, sie zu vermarkten und dafür Anerkennung zu erlangen. Es ist ein ziemlich neuer Gedanke, die eigenen Glasobjekte selbst anzufertigen. Früher wurden sie einfach in der Glashütte geblasen.“
Unerwähnt bleibt dabei, dass das körperlich anstrengende Glasblasen mit seinen feuerheißen Öfen und giftigen Chemikalien einst Männerdomäne war. Doch diese Zeiten sind vorüber. Penttinen behandelt die glühendheiße Glasmasse als würde sie kalten Ton betätscheln.
220 Jahre Nuutajärvi und weiter geht‘s
Penttinen stammt aus Helsinki, lebt aber seit einigen Jahren ganzjährig im Glasdorf Nuutajärvi.
„Nuutajärvi bedeutet ungemein viel für mich. Ich habe mein ganzes Leben von Helsinki nach Nuutajärvi verpflanzt. Es ist ein traumhafter Ort zum Arbeiten und ein großartiger Ort zum Leben. Glas ist nämlich ein Lebensstil, nicht bloß ein Job. Für mich ist es ein ruhiger Ort mit einer langen Geschichte der Glasbläserei. Das ist sehr wichtig für mich“, sagt Penttinen, die jetzt in Kaj Francks Hause lebt, einer der ganz Großen des finnischen Designs.
„Im Dorf herrscht eine ganz spezielle Atmosphäre, und sie hat auch Bedeutung, für die anderen, die hier arbeiten, den gleichen Werkstoff benutzen und ähnlich ticken wie ich.“
Das Dorf, die gleichdenkenden Menschen, die Natur rundherum sind für Penttinen jedoch eher Ruhepunkte als Inspirationsquelle. Die holt sie sich aus der Stadt. „Ich bringe die Natur nie in meine Arbeit. Meine Arbeiten inspirieren sich hauptsächlich an Großstädten, Einzelheiten der Stadtlandschaft. Aber das Umfeld hier in Nuutajärvi erleichtert es, ein Glaskünstler zu sein.“
Das kleine Nuutajärvi ist von zahlreichen Glasdesign- und Glasbläserstudenten, etwa zehn selbstständigen Künstlern mit eigenen Firmen und den fähigsten Glasbläsern des Landes bevölkert. Nuutajärvis Glashütte, die zur Designmarke Iittala gehört, feiert in diesem Jahr ihr 220-jähriges Bestehen. Es wird das letzte Jubiläum der Glashütte sein, denn 2014 soll sie geschlossen, und die Produktion von Glaskunstwerken ins Hauptwerk von Iittala verlagert werden.
Iittala und Penttinen betonen jedoch: “Das bedeutet nicht, dass das Dorf dichtmacht. Es könnte sogar förderlich sein. Jedenfalls werden das Dorf und der Tourismus davon nicht berührt. Und wir Künstler haben hier alle ohnehin unsere eigenen Studios und Hotshops. Uns berührt es also nicht. Unsere enge Verbindungen zu Iittala wird davon auch nicht beeinträchtigt, sondern dauert fort. Die Produktion wird ja auch nicht eingestellt, sondern bloß verlagert.
Penttinen will jedenfalls zur 220 Jahre alten Tradition einer hochschöpferischen finnischen Glaskunst weiterhin beitragen und sie durch ihre eigene, lebensfrohe, ausdruckstarke, zeitgenössische Bildersprache erneuern.
Von Rebecca Libermann, Juni 2013