Am selben Juliwochenende, an dem die Britpop-Legenden Oasis ihre ersten Reunion-Konzerte spielten, feierte eine weitere megaerfolgreiche, allerdings außerhalb Finnlands kaum bekannte 90er-Band nach langer Pause ein Live-Comeback.
Anlässlich ihres 30-jährigen Jubiläums war Ultra Bra Headliner beim Ruisrock in Turku, einem der ältesten Rockfestivals Europas. Sie betraten die Bühne mit etwa zwei Dutzend Musikern, darunter zahlreichen Streichern und Bläsern.
„Ihr habt euch kein bisschen verändert; ihr seht toll aus“, scherzte Arto Talme, einer der vier Sänger von Ultra Bra. Sie animierten das Publikum zu nostalgischen Singalongs und präsentierten ihren neuen Song „Aarre“ („Schatz“), der fast ein Vierteljahrhundert nach 2001, dem Ende der phänomenalen sechsjährigen Karriere der Band, veröffentlicht wurde.
„Als wir ins Studio gingen, wusste keiner von uns so recht, was uns erwarten würde. Selbst nach all den Jahren begann die Band auf eine Weise zusammenzuspielen, die sich besonders anfühlte, etwas, das wir so schnell nicht missen möchten“, sagte Sängerin Terhi Kokkonen bei der Veröffentlichung.
Ultra Bra avancierte zu einer der größten Bands der 90er Jahre in Finnland, was überraschend war, da ihr Sound weit entfernt ist von Britpop, Grunge oder Electronica. Stattdessen handelt es sich um cineastischen Retro-Pop mit schwebenden Vokalharmonien. Die eingängigen Melodien und die üppigen Arrangements von Bläsern und Streichern des Pianisten und Komponisten Kerkko Koskinen erinnern an alte James-Bond-, Henry-Mancini- und Quincy-Jones-Schallplatten.
Seit 1996 hat die Gruppe neun Emma-Auszeichnungen (finnischer Grammy) abgeräumt, darunter vier Jahre in Folge den Titel „Gruppe des Jahres“. Drei Alben landeten auf Platz eins der Charts, vier wurden mit Platin ausgezeichnet.
Songs über Trennungen – und Windkraft

Die Sänger Terhi Kokkonen, Vuokko Hovatta, Arto Talme und Olli Virtaperko beim Ruisrock Festival in Turku im Juli 2025.
Foto: Sinimaaria Kangas
Die Band wurde von Universitätsstudenten, von denen viele aus bekannten Künstlerfamilien stammten, aus einer Laune heraus gegründet. Die Besetzung war von finnischen linken Bands der 1970er Jahre wie Agit Prop inspiriert, die ebenfalls zwei Sängerinnen und zwei Sänger hatten. Aber auch wenn die Ultra Bra-Songs sich mit Politik und aktuellen Themen befassten, so taten sie dies mit einem Augenzwinkern.
„Ich glaube nicht, dass wir jemals Agitation oder Propaganda betrieben haben. Vielmehr haben wir die musikalische Sprache und Leidenschaft der alten politischen Bewegung genutzt, um über unser eigenes Leben zu singen“, sagt Joel Melasniemi, Gitarrist und Grafikdesigner der Band.
Die meisten ihrer Hits beschäftigen sich ironisch mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Die beiden größten Hits, „Minä suojelen sinua kaikelta“ („Ich werde dich vor allem beschützen“) und „Sinä lähdit pois“ („Du bist weggegangen“), erschienen 1997 auf ihrem meistverkauften zweiten Album: Kroketti („Krocket“).
Der erste Song ist zu einer Art Hymne für junge Klimaaktivisten geworden, während der zweite Song eine Trennung schildert, in der die Erzählerin ihren Liebhaber nach einer durchfeierten Nacht gehen sieht und lakonisch bemerkt: „Der letzte Drink der Nacht / wird zum Frühstück / Ich habe noch Kaffee dazu genommen.“
Wie die meisten Texte von Ultra Bra stammt auch dieser von Anni Sinnemäki, die einst mit Koskinen verheiratet war. Später veröffentlichte sie zwei Gedichtbände, wurde Vorsitzende der Grünen Partei, Kabinettsministerin und ist heute stellvertretende Bürgermeisterin von Helsinki.
In „Kahdeksanvuotiaana“ („Im Alter von 8 Jahren“) erinnert sie sich, wie sie mit der Angst vor einem Atomkrieg aufgewachsen ist. Und im Refrain von „Ilmiöitä“ („Phänomene“) – geschrieben 1999, als sie Parlamentsabgeordnete war – fragte sie sich, warum es „immer noch keine Windkraft“ gab. Glücklicherweise gibt es sie jetzt, und sie ist Finnlands zweitgrößte Stromquelle.
Eine der Lead-Sängerinnen, Vuokko Hovatta, wurde Schauspielerin und veröffentlichte Soloalben, während die andere, Terhi Kokkonen, einen preisgekrönten Roman schrieb und zusammen mit Melasniemi und zwei weiteren ehemaligen Ultra Bra-Mitgliedern die Popband Scandinavian Music Group gründete. Diese hat die Mutterband weit überdauert und seit 2002 zehn Alben herausgebracht.
Agatha Christie und EU-Skepsis

Pianist Kerkko Koskinen komponiert und arrangiert den zeitlosen Pop der Band.
Foto: Roni Rekomaa / Lehtikuva
Seit der Auflösung der Band 2001, hat Koskinen eine Reihe von Alben veröffentlicht, darunter zwei von Agatha Christies Krimis inspirierte Instrumental-Suiten, bei denen das UMO Helsinki Jazz Orchestra mitwirkt. Agatha 2 aus dem Jahr 2003 enthält eine instrumentale Big-Band-Bearbeitung von Ultra Bras „Sokeana hetkenä“ („Während eines blinden Moments“). Es ist eines der schönsten Stücke von Koskinen, mit Beteiligung der Jazz-Saxophonistin Linda Fredriksson, die beim Ruisrock ein kraftvolles Bariton-Solo spielte.
Ein weiterer Sänger, Olli Virtaperko, heute Komponist zeitgenössischer klassischer Musik, erinnert sich, dass Koskinen bereits Anfang der 90er Jahre ein vielversprechender Bandleader war.
„Die zentralen Mitglieder von Ultra Bra gingen auf das Kallio-Gymnasium für darstellende Künste in Helsinki. Wir trafen uns regelmäßig bei Kerkko zu Hause, wo er uns dazu animierte, alle Arten von Musik zu spielen und zu singen, von traditionellem Jazz bis hin zu Pop-Klassikern“, sagt er.
Einige Jahre später, als alle an der Universität studierten, schlug Virtaperko Koskinen vor, die alte Truppe wieder zusammenzubringen, um ein Lied für einen politischen Song-Contest aufzunehmen. Sie gewannen ihn mit einem halbwegs ernsthaften Anti-EU-Song. Der Text stammte von Juhana Rossi, heute Herausgeber einer finnischen Wirtschaftszeitung und Reporter für das Wall Street Journal. Finnland war gerade der EU beigetreten, was in linken Universitätskreisen für Unmut sorgte.
„Der Preis für den Wettbewerb ermöglichte uns im Sommer 1995 in Tampere eine EP mit fünf Songs aufzunehmen. Auf dem Rückweg vom Studio in Tampere kamen wir auf den Namen Ultra Bra.“ Der Name hat nichts mit Dessous zu tun, sondern bedeutet einfach nur „ultra gut“ auf Schwedisch.
Die Debüt-EP „Houkutusten kiihottava maku“ („Der berauschende Geschmack der Versuchung“) erschien 1995, gefolgt von vier Alben in den nächsten fünf Jahren und einer Abschieds-Kollektion 2001.
2012 kam die Band kurzzeitig wieder zusammen, um bei einem Benefizkonzert für den grünen Präsidentschaftskandidaten Pekka Haavisto aufzutreten, gefolgt von weiteren Reunion-Konzerten fünf Jahre später. Diesen Sommer spielt Ultra Bra auf drei Festivals, gefolgt von zwei Konzerten Ende August im Olympiastadion von Helsinki, das bis zu 50.000 Menschen fasst.
„Über die Stadionkonzerte hinaus haben wir nichts geplant, aber wir haben auch keine Türen zugeschlagen“, sagt Melasniemi. „Neue Songs herauszubringen war eine positive Erfahrung. Mal sehen!“
Die Lieder von Ultra Bra haben den Zeitgeist des Finnlands der späten 90er Jahre eingefangen und wecken daher bei vielen Menschen mittleren Alters nostalgische Gefühle. Gleichzeitig wurden ihre Songs von einer neuen Generation von Fans wiederentdeckt, die zum Zeitpunkt der Auflösung der Band noch nicht einmal geboren waren – aber beim Ruisrock-Festival in Turku in der ersten Reihe mitgesungen und ekstatisch getanzt haben.
Von Wif Stenger, August 2025