5 Gründe, Kartoffeln zu lieben wie die Finnen

Die Vielseitigkeit der Kartoffel ist unübertroffen 

Wie viele verschiedene Gerichte kann man mit einem einzigen Wurzelgemüse zubereiten? Bei Kartoffeln sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Die Kartoffel stammt aus dem Gebiet des heutigen Südperus und des nordwestlichen Boliviens. Nach Finnland gelangten sie im 18. Jahrhundert durch deutsche Zinngießer. Dank der Aufklärungsarbeit der frühen Kartoffelliebhaber und einiger Priester gewannen sie die Herzen der Finnen. Die Vorstellung der Eroberung Finnlands durch die Kartoffel war so spannend, dass 2021 eine Filmkomödie (Peruna, auf Deutsch Kartoffel) darüber gedreht wurde.

Heutzutage gibt es finnische Kartoffeln in vielen Formen, Größen und Strukturen: mehlige und stärkehaltige Kartoffeln mit ihrer unglaublichen Fähigkeit, sich in einen seidenweichen Brei zu verwandeln, feste kleine Kartoffeln für eine deftige Suppe oder einen Eintopf,oder große und kräftige Kartoffeln, die zu Pommes frites verarbeitet werden können. Mit den richtigen Belägen lässt sich eine einfache Ofenkartoffel in eine ausgewogene Mahlzeit verwandeln. Kartoffeln schmecken hervorragend in mit Käsegratins, gekocht mit guter Butter und einer Prise Salz oder in Kartoffelsuppen

Abbildung einer einzelnen Kartoffel in einem großen Wassertropfen.

Kartoffeln sind eine klimafreundliche Wahl: Sie verbrauchen im Vergleich zu vielen anderen Grundnahrungsmitteln weniger Wasser, Land und Energie.Illustration: Hilla Ruuskanen

Kartoffeln sind eine zuverlässige Nahrungsquelle in einem sich verändernden Klima

In einer Welt, die dringend klimafreundliche Nahrungsmittel braucht, sind Kartoffeln eine der nachhaltigsten Optionen. Internationale Untersuchungen haben kürzlich gezeigt, dass Kartoffeln umweltverträglicher sind als Nudeln oder Reis. Sie gehören zu den zehn flächenund wassersparendsten Nutzpflanzen mit dem geringsten CO2-Fußabdruck und sind leicht anzubauen.

Kartoffeln sind widerstandsfähig und anpassungsfähig und gedeihen fast überall, was sie zu einer idealen Pflanze für den Anbau in verschiedenen Klimazonen macht. Bei ausreichendem Wasser- und Nährstoffangebot wachsen sie in ganz Finnland ohne große Pflege – vom üppigeren, grüneren Süden bis zum härteren, weniger nährstoffreichen Boden im Norden. Man kann sie auch in einem Hochbeet oder sogar in einem Eimer anbauen.

Kartoffeln bieten Trost, Tradition und Freude

Finnische Kartoffelgerichte sind das ultimative Soul Food. Sie geben fröhlichen Anlässen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und traurigen Anlässen einen einen gewissen Trost und Vertrautheit. Die Kartoffel begleitet uns durchs Leben. Kartoffelpüree ist oft die erste feste Nahrung, die ein finnisches Baby zu sich nimmt.

Kartoffeln in einem Festmahl bei feierlichen Anlässen zu servieren, ist so tief in der finnischen Kultur verankert, dass es fast schon instinktiv ist. Am Feiertag zum Ersten Mai feiern die Finnen die Ankunft des Frühlings mit Picknicks und Kartoffelsalat. Im Hochsommer zieren die ersten Frühkartoffeln der Saison die Festmahle. Und bei Hochzeiten entscheiden sich viele Menschen für eine Vorspeise mit Salzkartoffeln und in Salz eingelegter Fisch. Kartoffeln sind auch bei Beerdigungen präsent, als Hauptzutat in Delikatessen wie karelischem Eintopf, Lachssuppe oder Rentiersuppe.

Sie werden – verdientermaßen – mit einem Festival geehrt

Jedes Frühjahr warten die finnischen Kartoffelliebhaber sehnsüchtig auf die ersten Kartoffeln des Jahres. 2011 beschlossen Kartoffelfans aus Turku im Südwesten Finnlands, die neue Kartoffelsaison zu feiern, und gründeten das New Potato Festival. Die Veranstaltung unterstreicht, dass die Kartoffel nicht nur ein verlässliches Grundnahrungsmittel in der Küche ist, sondern auch eine einzigartige gastronomische Spezialität.

Auf dem Festival bereiten berühmte Köche eine Reihe von Gerichten zu, die von gebratenen und kalt geräucherten Kartoffelspezialitäten bis hin zu Kartoffeldesserts reichen. Laut den Festivalgründern verdient die Kartoffel die gleiche Aufmerksamkeit wie Wein. Was Kartoffeln und Wein gemeinsam haben, ist, dass das Terroir – das Zusammenspiel von Boden und Klima – ihre unverwechselbaren Geschmacksprofile hervorbringt. Wenn man sich die Kartoffelauswahl in einem finnischen Supermarkt ansieht, muss man dem einfach zustimmen. Es gibt für alles und jeden eine Kartoffel mit einzigartigen Eigenschaften – und so sollte es auch sein.

Cartoonartige Illustration von zwei bunten Kartoffelchips-Tüten, eine rot mit der Aufschrift „CHIPS“ und eine blau mit der Aufschrift „MEGA BAG“, umgeben von losen Chips am Boden.

Von handwerklich hergestellten Chips bis hin zu neuen Gourmet-Sorten – die finnische Kartoffelinnovationen nehmen ständig zu.Illustration: Hilla Ruuskanen

Kartoffeln fördern Innovation 

Die vielen Möglichkeiten der Kartoffel haben finnische Lebensmittelenthusiasten zur Entwicklung neuer Produkte inspiriert. Ein großartiges Beispiel für die Genialität der Kartoffel finden wir auf den Åland-Inseln, einer autonomen, schwedischsprachigen Inselgruppe, die zu Finnland gehört. Die Region ist auch die inoffizielle Hauptstadt der Kartoffelchips in Europa. Wenn es eine Geschmacksrichtung gibt, können Sie sicher sein, dass dort bereits passende Kartoffelchips hergestellt werden.

Eine der bekanntesten Kartoffelinnovationen der letzten Jahre ist die Frex-Kartoffel. Was als Ein-Mann-Mission begann und die Entwicklung der perfekten Kartoffel zum Ziel hatte, führte zu Kartoffelsorten, die von Sterneköchen und Hobbyköchen gleichermaßen geschätzt werden. Die Marke Frex legt Wert auf natürliche und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und zielt darauf ab, Kartoffeln mit einem unverfälschten, rustikalen Aussehen und einem köstlichen, authentischen Geschmack zu erzeugen. Diese Kartoffeln sind Teil einer umfassenderen Initiative zur Rückbesinnung auf die Wurzeln des echten Geschmacks und des ökologischen Landbaus, bei der moderne Technologie mit traditionellen Methoden kombiniert wird, um so die Bodengesundheit und den Nährstoffkreislauf zu verbessern. Aktuell werden in Finnland drei verschiedene Frex Kartoffeln angebaut. Der Erfinder von Frex, Tapio Knuuttila, hat erklärt, dass eines der Ziele von Frex darin besteht, mehr Arbeitsplätze im ländlichen Finnland zu schaffen und gleichzeitig Traditionen und natürliche Werte zu respektieren.

Text Veera Kaukoniemi, ThisisFINLAND Magazine

Ein geheimes Frühlingsreich: Finnlands Reisigburgen erwachen zum Leben

Im fahlen Licht eines Frühlingsmorgens schwebt der Gesang einer Amsel durch den erwachenden Wald, und irgendwo zwischen den Kiefern und den knospenden Birken bauen Kinder eine Burg aus Stöckchen. Für Familien in Finnland ist der Wald mehr als nur eine Kulisse; er ist Spielplatz, Geschichtenerzähler und Zufluchtsort zugleich.

Hörst du die Amsel singen?

Die Frühlingssonne scheint so hell, dass die Augen fast schmerzen. Die ersten Blumen der Saison brechen hervor, Weidenkätzchen öffnen sich allmählich, Eichhörnchen huschen an Baumstämmen entlang, und Kaninchen halten inne, um ihre Pfoten zu putzen.

Und dann, einfach so, erscheinen sie – Burgen aus Stöckchen, inmitten des Waldes versteckt. Jeden Tag werden sie aufwändiger: Wände aus verflochtenen Zweigen und Dächer aus Frühlingsblättern, die in den Himmel ragen – bis eines Morgens der Waldboden wieder ungestört daliegt, und sie verschwunden sind.

In einem Waldstück lehnt sich ein einfacher Unterstand aus Ästen an einen Baum.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt an einem Baum, an dessen Stamm auch ein hölzernes Vogelhäuschen befestigt ist.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Die Menschen in Finnland legen großen Wert auf ihre Verbundenheit zur Natur – eine Verbindung, die oft schon in früher Kindheit entsteht. Schließlich sind über 70 Prozent der finnischen Landesfläche von Wald bedeckt, und selbst in den größten Städten ist ein grünes Refugium immer nur einen kurzen Spaziergang entfernt.

Urbane Grünflächen bieten nachweislich positive Auswirkungen auf die Gesundheit: Sie heben die Stimmung, bauen Stress ab und helfen, Depressionen vorzubeugen. Zeit unter Bäumen fördert zudem das körperliche Wohlbefinden und senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

In Finnlands lebendigen Landschaften kann sich jeder einen Moment Zeit nehmen, um innezuhalten, tief durchzuatmen und einfach nur zu sein.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum im Wald.

Kleine, sternförmige lila Blüten wachsen im Gras neben einem Baum.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Wer hat als Kind schon einmal eine Reisigburg gebaut? Falls nicht, hast du wohlmöglich echte Magie verpasst.

Wenn ja, dann herzlichen Glückwunsch! Du kennst das Gefühl von Freiheit und unendlichen Möglichkeiten, wenn jeder abgefallene Ast und jeder Blätterwedel im Wald zu einer Stange oder einem Brett für dein geheimes Versteck werden konnte.

Und wenn der perfekte Zweig oder das perfekte Brett fehlte, füllte die Fantasie die Lücke. So sieht die Welt der Reisigburgbauer aus.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Schatten fallen über einen Haufen Äste und Zweige.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Ein Stück Schnur ist um einen Baumstumpf im Wald gebunden.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

In finnischen Familien ist es oft selbstverständlich, Zeit in der Natur zu verbringen.

Ein kurzer Tagesausflug zu einem nahegelegenen See, ein Wochenende im Zelt auf einem Waldcampingplatz, Beerenpflücken entlang sonnendurchfluteter Wege, die stille Freude am Vogelbeobachten, diese kleinen Abenteuer gehören zum Familienalltag.

Sogar Kita-Erzieherinnen gehen regelmäßig mit ihren Kleinkindern in den Wald. Mit großen Augen entdecken die Kleinen moosbewachsene Lichtungen und umgestürzte Baumstämme.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich an einen Baum.

Sonnenlicht scheint und bricht sich in den Nadeln eines Nadelbaumzweigs.

Ein einfacher Unterstand aus Ästen lehnt sich in einem Wald am Meer an einen Baum.

Der Wald ist weder dunkel noch unheimlich, er ist ein Ort märchenhaften Zaubers und selbstgebauter Reisigburgen, wo jedes Kind seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.

Wer wohnt in diesen Reisigwänden? Selbst wenn sie leer sind, wirken die Stöckchengebilde lebendig, jedes ist von ihrem eigenen geheimen Geist durchdrungen.

Flackern da neugierige Augen im Schatten? Ist da ein sanftes Lächeln, das durch die Zweige lugt?

Oder ist das der Sommer selbst, der mit einer warmen Brise heranweht, um endlich seinen rechtmäßigen Platz einzunehmen?

Text und Fotos von Emilia Kangasluoma, Mai 2025

7 erstaunliche Dinge, die finnische Unternehmen aus Holz herstellen

Batterien aus Bäumen

Ein Ladekabel ist an ein Elektroauto angeschlossen.

Was? Lignode von Stora Enso ist ein Batteriematerial, das aus Bäumen hergestellt wird.

Warum? Mit dem Anstieg von Elektrofahrzeugen und elektronischen Geräten erhöht sich auch die Nachfrage nach Batterien. Ein Lithium-Ionen-Akku besteht zu beinahe einem Drittel aus Graphit, einem Material mit einer hohen Auswirkung auf die Umwelt. Lignode könnte synthetisches Graphit in den Batterien von Fahrzeugen und Unterhaltungselektronik ersetzen und so die Batterieproduktion nachhaltiger machen. Lignode basiert auf Lignin, einem üblichen Neben­produkt der Cellulosefaser-Produktion, und verfügt über zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, von Bioplastik über Lebensmittel bis hin zu Asphalt.

Wo und wann? Die Pilotproduktion von Lignode begann 2021, während die Entwicklungsarbeit mit den Kunden weiterläuft.

Zahnimplantate aus Cellulose

Ein zahnförmiges Teil ist an einer Metallschraube befestigt.

Was? VTT hat Zahnimplantat-Kronen aus Nanocellulose produziert.

Warum? Vor der modernen Zahnmedizin und Materialwissenschaft trugen viele Menschen Zahnersatz aus Holz. Jetzt haben die Forscher vom VTT, dem Technischen Forschungszentrum Finnlands, ein Nanocellulose-­basiertes Material entwickelt, das für Zahn­implantat-Kronen verwendet werden könnte. Die Struktur des Materials wurde den außergewöhnlich starken Beinen eines Fangschreckenkrebses nachempfunden und ist bedeutend leichter und härter als die Keramik, die für traditionelle Zahnkronen verwendet wird. Zu den weiteren Einsatz­möglichkeiten des
Materials zählen Sportausrüstung, kugel­sichere Westen sowie Flugzeugrümpfe.

Wo und wann? Forschung and Entwicklung werden kontinuierlich vorangetrieben.

Holzverbundwerkstoff
für Waschbecken

Unter einem Wasserhahn befindet sich ein rundes Waschbecken auf einem Waschtisch.

Was? Woodio ist das weltweit erste Massivholz-Verbundmaterial, dass zu 100 % wasserdicht ist.

Warum?  Die meisten Waschbecken, Toiletten sowie sonstige Badzimmereinrichtungen auf der Welt werden aus Keramik hergestellt, einem Material mit einem großen CO2-Fußabdruck, das bruchanfällig ist. Wasserfester Holzverbundstoff bietet eine langlebige, leichte und visuell attraktive Alternative. Die Waschbecken, Badewannen, Klobrillen und Innenverkleidungen von Woodio werden aus Espen- und Birken-Spänen hergestellt, die als Nebenprodukte in der finnischen Forstwirtschaft abfallen. Während der Nutzung speichern die Holzspäne CO2 und können gegen Ende ihres Lebenszyklus für die Energieproduktion verwendet werden.

Wo und wann? Online sowie bei Händlern überall auf der Welt erhältlich.

Aus Sägemehl wird Fischfutter

Ein Muster aus körnigem braunem Pulver auf weißem Hintergrund.

Was? MonoCell ist ein Einzellerprotein, das aus Sägespänen gewonnen wird.

Warum? Sägespäne sind als Neben­produkt der holzverarbeitenden Industrie im Überfluss vorhanden. Ein großer Teil fließt in die Zellstoff- und Energieproduktion, doch es werden neue Einsatzmöglichkeiten benötigt, um ihre Nutzung zu maximieren. Wissenschaftler des Natural Resources Institute Finland (bekannt unter seiner finnischen Abkürzung Luke) haben aus Sägespänen ein hochwertiges Einzellerprotein hergestellt. Eine der vielen Verwendungen von MonoCell ist Fischfutter, in dem es Fisch- oder Pflanzenprotein ersetzen und so wertvollen Fischbestand sowie Landfläche schonen könnte.

Wo und wann? Analyse und Entwicklung werden als Teil des CellFood-Projekts von Luke fortgesetzt.

Leichtere Autoteile

Ein Teil einer Autotür von innen betrachtet, vor dem Hintergrund eines blauen Himmels.

Was? Renewable Functional Fillers von UPM können Plastikteile leichter machen.

Warum? Viele Gummi- und Plastikprodukte beinhalten Funktionsfüllstoffe – kleine Partikel, die die Produkteigenschaften verbessern. BioMotion Renewable Functional Fillers von UPM werden aus Hartholz hergestellt und könnten ölbasierte Funktionsfüllstoffe in Autoteilen aller Art aus Plastik und Gummi ersetzen, wie Verkleidungen, Türdichtungen, Reifen und Schläuche. Sie sind nicht nur die nachhaltigere Wahl, sondern sie sind auch leichter als herkömmliche Füllstoffe.

Wo und wann? Die Produktion von Renewable Functional Fillers beginnt Ende 2024 in der Bioraffinerie Leuna in Deutschland.

Biologisch abbaubare Mode

Eine Person trägt ein Hemd mit einem grau-weißen Blumenmuster.

Was? Spinnova ist eine Textilfaser, die ohne Chemikalien aus der gleichen Cellulose wie Papier hergestellt wird.

Warum? Die Modeindustrie produziert etwa 10 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen und verbraucht große Mengen an Wasser und Chemikalien. Die Technologie von Spinnova verwandelt Cellulose in eine vielseitige Textilfaser, die 99 Prozent weniger Wasser benötigt als Baumwolle. Die Textilien können ohne Qualitätsverlust oder das Hinzufügen von Frischfasern recycelt werden und sind vollständig biologisch abbaubar. Marken wie Marimekko, Adidas und The North Face haben bereits ihre Spinnova-Kollektionen herausgebracht.

Wo und wann? Die erste kommerzielle Fabrik wurde in Finnland 2023 eröffnet.

Alternative für Plastik

Eine Person hält eine Einkaufstasche voller Lebensmittel.

Was? Paptic will Plastik sowie andere Einwegmaterialien bei Verpackungen ersetzen.

Warum? Viele Produkte benötigen eine Verpackung. Dies wiederum kann eine Belastung für die Umwelt sein. Paptic ist ein feuchtigkeitsbeständiger Holzwerkstoff, der für Taschen,
Verpackungen und mehr verwendet werden kann. Er hat eine charakteristische, textilähnliche Haptik und kann gemeinsam mit Verpackungspapieren und Pappe recycelt werden. Dank ihrer Skalierbarkeit sticht diese Technologie heraus: Paptic kann mit geringfïgigen Modifizierungen von regulären Papiermaschinen produziert werden.

Wo und wann? Paptic-Materialien werden in mehr als 
50 Ländern verwendet.

Text Lotta Heikkeri, ThisisFINLAND Magazine

Finnlands ESC-Geschichte: Von Versuchen zu Erfolgen

Der Eurovision Song Contest (ESC) ist eine der weltweit größten und ältesten Veranstaltungen der Popkultur. Seit 1956 bringt sie Fans aller Altersgruppen in mehr als 50 Ländern zusammen. Der europaweite Pop-Wettbewerb hat Megastars wie ABBA, Céline Dion und Julio Iglesias hervorgebracht.

Finnland nahm 1961 zum ersten Mal an dem Wettbewerb teil und erwarb sich die zweifelhafte Ehre, die meisten Beiträge einzureichen, ohne jemals zu gewinnen. Das Land belegte 11-mal den letzten Platz und kam bis 2006 nie über den sechsten Platz hinaus.

„Wir hatten immer das Image, das Landei zu sein, das nie mit den coolen Stadtkindern konkurrieren konnte“, erinnert sich Hannah Norrena, Radiomoderatorin beim finnischen Rundfunk Yle.

Dann geschah das Undenkbare: Mit dem größten Punktevorsprung aller Zeiten gewann Lordi, eine theatralische Metal-Band in Monsterkostümen, mit „Hard Rock Hallelujah“ den ESC. Ein nationaler Triumph für Finnland, vergleichbar mit dem Gewinn der ersten Eishockey-Weltmeisterschaft im Jahr 1995.

Finnische Band gewinnt in Schweden

Drei Männer in Anzügen stehen in einer Reihe, jeder mit einem Gegenstand für die Sauna: ein Büschel Zweige, einem Metalleimer und einer Kelle.

Drei Jungs aus Westfinnland bilden KAJ, die finnische Band, die Schweden als seinen ESC-Act für 2025 ausgewählt hat. Von links: Axel Åhman, Kevin Holmström und Jakob Norrgård.
Foto: Erik Åhman

2025 entpuppte sich Finnland als Exporteur von ESC-Talenten. Schweden wählte KAJ, eine komödiantische Band aus Finnland, um das Land mit dem Song „Bara bada bastu“ (etwa „Lass uns einfach saunieren“) zu vertreten. Der estnische Beitrag für 2025 wurde von einem Finnen mitkomponiert.

2021 landete Finnland mit der Metal-Band Blind Channel unter den ersten sechs und zwei Jahre später gewann der schrullige finnischsprachige Rapper Käärijä in einem grellgrünen Bolero fast den Wettbewerb. Er erhielt die meisten Publikumsstimmen, unterlag aber bei der Jury-Abstimmung gegen Schweden.

Der Eurovision Song Contest wird in fast allen europäischen Ländern von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten veranstaltet, wobei Yle jedes Jahr den finnischen Beitrag auswählt.

Seit 2012 organisiert Yle mehrere öffentliche Vorentscheidungen unter dem Namen Uuden Musiikin Kilpailu (UMK, „Neuer Musikwettbewerb“). In den letzten Jahren ist im Ausland das Interesse am UMK gestiegen: Tausende ESC-Fans außerhalb Finnlands verfolgen das finnische Finale. Davon profitiert Finnland dann auch direkt beim Eurovision Song Contest, bei dem die Einwohner der 56 Länder der Europäischen Rundfunkunion für den Beitrag eines beliebigen Landes stimmen können – außer für ihren eigenen.

Lordi, Hallelujah

Fünf Menschen in furchterregenden Monsterkostümen stehen nebeneinander in einer steinernen Unterführung.

Mit dem Song „Hard Rock Hallelujah“ gewann Lordi, eine finnische Metal-Band in Monsterkostümen, den Eurovision Song Contest 2006 mit dem größten Punktevorsprung aller Zeiten
Foto: Markku Ulander/Lehtikuva

Für Jouni Pihkakorpi, Präsident des finnischen ESC-Fanclubs OGAE, war der Sieg von Lordi ein Wendepunkt.

„Wir haben endlich erkannt, dass wir mit der Musik antreten können, die wir beherrschen – und das ist Rock“, sagt er.

„Das Wichtigste, was wir gelernt haben, ist Selbstvertrauen“, sagt Norrena. „Wir waren beim ESC nur mittelmäßig und hatten uns daran gewöhnt zu verlieren. Dann hat Lordi uns gezeigt, dass wir tatsächlich gewinnen können!“

Neben den Monster-Rockern und Blind Channel hatten die finnischen Acts auch viel Gitarrenrock zu bieten, der bis zu Vicky Rosti im Jahr 1987 zurückreicht. 2015 gehörte dazu ein 86- Sekunden langes, rohes Punk-Stück von Pertti Kurikan Nimipäivät, das den durchgestylten Wettbewerb aufschreckte. Es war die erste Punkband beim ESC und ihre Mitglieder waren die ersten ESC-Künstler mit Behinderungen.

Tops und Flops

In einer Menschenmenge hält eine Frau eine große finnische Flagge hoch.

Fans aus ganz Europa schwenken ihre Fahnen, wenn der Eurovision Song Contest übertragen wird.
Foto: Vesa Moilanen/Lehtikuva

Andere finnische Beiträge reichten von Bluegrass, Folk und Reggae bis hin zu Anneli Saaristos Flamenco-lastigem „La Dolce Vita“, das 1989 den siebten Platz belegte. Davor waren viele Songs liebenswert hausbacken. Heute klingen einige von ihnen ungewollt kitschig, ja sogar peinlich – trotz des Einsatzes heimischer Megastars wie Vesa-Matti Loiri und Katri-Helena.

„Zu bescheiden oder unsicher zu sein, war schon immer das Problem Finnlands“, sagt Pihkakorpi. „Deshalb waren die Stücke, abgesehen von ein paar Ausnahmen, oft fade und wenig überraschend. Jetzt bin ich stolz darauf, dass Finnland sich traut, mit Songs anzutreten, die unkonventionell und anders sind, aber trotzdem populär werden.“

Bis zur Jahrtausendwende waren die Beiträge fast ausschließlich auf Finnisch. Ein Problem muss das aber nicht sein, wie der Erfolg von Käärijä und Saaristo hat gezeigt. Allerdings ist die internationale Popularität der Vergangenheit keine Garantie für einen ESC-Erfolg, wie die jüngsten Flops des Elektronikproduzenten Darude und der Pop-Rocker The Rasmus zeigen.

Soziale Medien

Ein Mann mit kurzem Haar und gestutztem Bart, der einen leuchtend grünen Bolero trägt, blickt in die Kamera.

Käärijä, ein schräger finnischsprachiger Rapper in einem grellgrünen Bolero, gewann 2023 die Publikumswahl, unterlag aber bei der Abstimmung der Fachjury gegen Schweden.
Foto: Malin Lövkvist/Aftonbladet/Lehtikuva

Norrena weist auf die wachsende Bedeutung der sozialen Medien hin: „Blind Channel, Käärijä und The Rasmus haben alle lustige soziale Inhalte kreiert, die internationale Fans anlockten. Und Käärijäs Charme war es, der ihn auf den zweiten Platz katapultiert hat. Der Kontrast dieses überheblichen Songs mit seiner bescheidenen Persönlichkeit war magisch.“

Der ESC-Blogger und Moderator Tony Latva (alias DJ Werneri) stimmt zu und betont, dass „Käärijä hinter den Kulissen sehr hart gearbeitet hat, was zu seinem Erfolg beigetragen hat. Er ist eine fantastische Persönlichkeit, ein großartiger Live-Performer und hat auch andere wirklich gute Songs. Der ESC gab seiner Karriere einen hervorragenden Schub“.

Beim Eurovision Song Contest 2025 steht Käärijä wieder auf der Bühne. Jedes Jahr werden einige ehemalige Teilnehmer eingeladen, um am ESC-Abend aufzutreten.

Heutzutage, so Latva, sei Networking entscheidend. „Ein guter, einzigartiger und eingängiger Song allein reicht nicht aus“, fügt er hinzu. „Käärijä hat gezeigt, dass es auch auf die stimmlichen Fähigkeiten ankommt, denn die Jurys legen darauf eindeutig Wert. Und außerdem ist ein gewisses Maß an Schockwert heute fast schon eine Voraussetzung.“

Für ihn ist das UMK-System entscheidend für die Entwicklung neuer Talente.

„Der Erfolg von Käärijä hat die Einstellung der Künstler zu Hause verändert“, sagt er. „Der UMK produziert jetzt Hits für die finnischen Single-Charts und macht viele Künstler bekannt, auch wenn sie nicht für den ESC ausgewählt werden. Erika Vikman zum Beispiel bekam 2020 einen großen Karriereschub [als sie beim UMK den zweiten Platz belegte], bevor sie nun ausgewählt wurde, um Finnland beim ESC 2025 zu vertreten.“

Von Wif Stenger, Mai 2025

5 finnische Saunen zeigen, dass es für jeden Geschmack die richtige Sauna gibt.

Löyly, Helsinki

Stühle stehen auf einer Terrasse vor einem verwinkelten Holzgebäude.

In Finnland muss man sich nicht weit von der Stadt entfernen, um eine Sauna zu finden. Ein perfektes Beispiel für die urbane Saunakultur ist die beliebteste Sauna Helsinkis, Löyly, die sich nur einen Steinwurf vom Stadtzentrum entfernt befindet. Die Saunen und Aufenthaltsbereiche von Löyly sind geschlechtsneutral, sodass Freundesgruppen und Familien das Erlebnis zusammen genießen können. Nach einem entspannenden Besuch in den Dampf- und Rauchsaunas können die Besucher zum Abkühlen ins Meer eintauchen und gleichzeitig die Skyline der Stadt bestaunen.

Serlachius Kunstsauna, Mänttä

Zwei in Handtücher gehüllte Frauen sitzen auf einer Bank in einer Sauna und blicken durchs Fenster auf einen Wald.

Die Serlachius-Kunstsauna befindet sich am Seeufer hinter dem Kunstmuseum Gösta und ist ein Meisterwerk origineller, moderner Architektur mit Kunstwerken, die deren Vorraum und Rasen verzieren. Der runde Schwitzraum hat eine beruhigende, zeitlose Atmosphäre und vereint finnische Schreinerkunst mit zeitgenössischem Design. Sogar die Wassereimer, Schöpfkellen und Textilien, die verwendet werden, wurden speziell für Serlachius beauftragt und entworfen. Ein sehenswertes Ziel für Kunstliebhaber!

Volksbad Rauhaniemi, Tampere

Mehrere Personen in Badeanzügen sitzen auf Bänken neben einem Holzgebäude, dessen Boden mit Schnee bedeckt ist.Tampere wurde offiziell zur Sauna-Hauptstadt von Finnland erklärt, und das aus einem guten Grund. In Tampere sind mehr als 50 öffentliche Saunen über die ganze schöne Landschaft der Stadt am Seeufer verstreut. Eines der historischen Kleinode ist das Volksbad Rauhaniemi, ein traditioneller, stimmungsvoller Saunakomplex voller Flair, der ganzjährig Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe anzieht. Im Winter können die mutigsten Besucher sogar das Eisschwimmen ausprobieren und in der ruhigen Jurtensauna, in der nicht gesprochen werden darf, über die Erfahrung nachdenken.

Arctic Sauna World, Muonio

Mehrere Menschen in Bademänteln entspannen sich in einem Spa; durch die Fenster ist eine Winterlandschaft zu sehen.

In Finnisch-Lappland, nahe beimPallas-Yllästunturi-Nationalparks, befindet sich die Arctic Sauna World. Das Resort verfügt über fünf unterschiedliche Saunas, vier davon wurden nach Naturgottheiten der finnischen Mythologie benannt. Für alle, die das erste Mal in die Sauna gehen, empfiehlt sich möglicherweise zuerst ein Besuch in der milden Infrarotsauna, um sich danach in die feurige traditionelle Rauchsauna zu wagen. Die Krönung des Resorts ist jedoch eine Sauna, die ausdrücklich dem Beobachten der Nordlichter gewidmet ist, mit großen Panoramafenstern und Blick auf den nahegelegenen Jerisjärvi-See.

Lähde Forest Spa, Nilsiä

Dampf steigt aus einem Pool im Freien auf, das vor einem modernistischen Holzgebäude liegt.Wie der Name schon sagt (lähde bedeutet „Quelle“ oder „Springsbrunnen“ auf Finnisch), ist das Lähde Forest Spa eine entspannende Oase inmitten des Waldes bei Tahko, einem der beliebtesten Skigebiete in Finnland. Die eindrucksvollste Sauna ragt hoch über den Baumwipfeln auf und bietet eine atemberaubende Aussichtauf die umgebende Natur. Das kinderfreie Resort verfügt sowohl über beheizte als auch über unbeheizte Schwimmbecken im Freien mit einem Pavillon direkt am Pool, der für ruhige Entspannung sorgt. Als Ergänzung zum Sauna-Erlebnis werden außerdem Wellnesskurse angeboten.

Von Johanna Teelahti, ThisisFINLAND Magazine

Finnisch sein auf Schwedisch

Jedes Jahr am 6. November wird in Finnland der Tag des finnisch-schwedischen Kulturerbes gefeiert, um die Bedeutung des Schwedischen, einer der offiziellen Sprachen des Landes, zu würdigen. Die schwedischsprachige finnische Journalistin Anna-Lena Laurén erläutert uns, was die schwedische Sprache für Finnland bedeutet.

Der finnlandschwedische Dichter Henry Parland (1908-30) schrieb einmal in einem Brief: „Ich bin ein Fremder, wohin ich auch gehe“. Der Schriftsteller hatte den für viele Finnlandschweden (schwedischsprachige Finnen) typischen vielseitigen Hintergrund:

Parland wurde in Wyborg (damals Teil Finnlands und heute Teil Russlands) in eine Familie mit schottischen Wurzeln geboren und besuchte die Schule in deutscher Sprache. Obwohl er auch Russisch und Finnisch beherrschte, war Schwedisch die Sprache seiner schriftstellerischen Karriere.

In Finnland gibt es seit 1100, als schwedische Kreuzfahrer kamen, eine schwedischsprachige Bevölkerung, aber die Finnlandschweden verfügen über ein viel breiteres kulturelles und genetisches Erbe. Russisches, deutsches, schottisches und baltisches Blut fließt in den Adern vieler Finnlandschweden.

Finnen oder Schweden?

Eine Menge schwenkt finnische Fahnen.

Finnische Flaggen im Stadion: Finnlandschweden unterstützen auf keine Fall Schweden bei Sportereignissen.Foto: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva

Als Parland schrieb, dass er überall, wo er hinkomme, ein Fremder wäre, bezog er sich nicht nur auf seinen multikulturellen Hintergrund. Wahrscheinlich meinte er auch, dass es äußerst schwierig sein kann, seine Identität Menschen zu erklären, die glauben, dass Nationalität und Sprache ein und dasselbe sind. Ein Finne, der Schwedisch spricht? Wie ist das möglich?

Tatsache ist, dass Finnlandschweden sich selbst als Finnen betrachten. Das heißt, wir sind keine Schweden, die in Finnland leben, sondern Finnen, deren Muttersprache Schwedisch ist. Mehrsprachige Länder sind nicht ungewöhnlich – in Europa gibt es auch Belgien und die Schweiz –, aber der Irrglaube, dass ein Land nur eine Sprache haben kann, ist immer noch recht verbreitet.

Fragen Sie also niemals Finnlandschweden, ob sie im Eishockey für Finnland oder Schweden sind. Sie werden es schlicht als Beleidigung empfinden.

Eine der Amtssprachen Finnlands

Ein Gemälde von Mannerheim in einem dunklen Anzug, sitzend und mit verschränkten Armen.

Marschall C.G. Mannerheim, gemalt von Akseli Gallen-Kallela, einem der bekanntesten finnischen Künstler, dessen Muttersprache ebenfalls Schwedisch war.Foto: Jussi Nukari/Lehtikuva

Ausländer fragen oft, warum Schwedisch in Finnland eine Amtssprache ist, da nur 5,2 Prozent der Bevölkerung Schwedisch sprechen.

Die Antwort ist, dass die schwedische Sprache in Finnland eine kulturelle und historische Bedeutung hat, die sich nicht in Prozenten messen lässt. Finnland war 700 Jahre lang Teil Schwedens, eine Zeit, die Finnland eine westeuropäische Sozialstruktur bescherte. Im Gegensatz zu Russland und den baltischen Staaten wurde Finnland keine Feudalgesellschaft, sondern eine Gesellschaft, die aus freien Bauern bestand.

Als sich das Finnische um 1800 als Sprache der Verwaltung und schöpferischen Künste durchzusetzen begann, waren es schwedischsprachige Intellektuelle, die diesen Prozess anführten. Sie betrachteten sich als finnische Patrioten. Gleichzeitig behielt das Schwedische seine kulturelle Bedeutung.

Ein großer Teil der wichtigsten finnischen Literatur wurde auf Schwedisch verfasst – die Nationalhymne zum Beispiel von dem Nationaldichter Johan Ludvig Runeberg. Finnlands bekanntester Komponist, Jean Sibelius, sprach Schwedisch, ebenso wie Marschall C.G. Mannerheim, der Finnland durch die Weltkriege führte. Neben seiner Muttersprache sprach Mannerheim auch Russisch, Deutsch, Französisch und Englisch – und Finnisch war eigentlich seine schwächste Sprache. Das machte ihn aber nicht weniger zu einem Finnen.

Finnisch-schwedische Stärke in der Kunst

Eine ältere Tove Jansson vor zwei großen Mumin-Plüschtieren.

Die finnisch-schwedische Künstlerin und Autorin Tove Jansson schuf die beliebten Mumin-Trolle, von denen hier einige als kleine Figuren zu sehen sind.Foto: C.G. Hagström

Bis heute produzieren die Finnlandschweden einen viel größeren Anteil an Literatur, als man bei 5,2 Prozent der Bevölkerung erwarten würde. Die Mumins, Finnlands größter Exportartikel, wurden von der finnlandschwedischen Autorin und Künstlerin Tove Jansson geschaffen.

Drei schwedischsprachige Theater in der Hauptstadt, 15 Zeitungen im ganzen Land, mehrere Radiosender und ein Fernsehsender: In Finnland gibt es eine ganze Welt der Kultur und Kunst in schwedischer Sprache, parallel zu und im Dialog mit der finnischsprachigen Welt.

Das ist einer der Gründe, warum die schwedische Sprache in Finnland so tief verwurzelt ist. Sie ist keine Fremdsprache, sondern Teil des kulturellen Erbes der ganzen Nation.

Von Anna-Lena Laurén, aktualisiert Mai 2025

Vitales Erbe: Der Maler Reidar Särestöniemi ließ die Farben Nordfinnlands leuchten

Reidar Särestöniemi (1925–1981), ein exzentrischer Künstler aus Nordfinnland, hielt die ungezähmte Schönheit seiner Heimatregion in seinen kühnen, farbenfrohen Gemälden fest.

Als Junge war er ein eigenartiges, einsames Kind, das mehr Freunde unter Tieren als unter Menschen fand. Er flüchtete sich zu Erkundungsstreifzügen in den Wald und trieb Schabernack mit den Tieren auf dem Bauernhof.

Für die Arbeit auf dem kleinen elterlichen Gehöft war er nicht geeignet. Die landwirtschaftlichen Aufgaben zu lernen, interessierte ihn nicht.

Er empfand den schnell fließenden Fluss Ounas, der an seinem Haus vorbeifloss, als seinen Bruder. So war seine Natur.

Nördliche Herkunft

Auf einer Karte Finnlands und der umliegenden Gebiete gibt ein Punkt die weit nördlich gelegene Lage des Dorfes Kaukonen an.

Er wurde im Dorf Kaukonen geboren. Er war das jüngste der sieben Kinder von Matti und Alma Särestöniemi. Als Kind mischte er Buttermilch und Blütenblätter zur Herstellung von Farben und manchmal benutzte er Asche, um Farbe zu mischen, wenn nichts anderes verfügbar war. Es war für ihn ein Zwang zu zeichnen und malen – er musste es einfach tun. Nichts anderes konnte sein Interesse fesseln.

Es war nicht leicht, sich aus so bescheidenen Verhältnissen an die Spitze der finnischen Kulturszene hochzurangeln. Doch er schaffte es.

Ausdrucksstarke Wirkung

Auf einem Schwarz-Weiß-Foto stützt ein Mann sein Kinn in die Hand.

Reidar Särestöniemi (1925–1981) empfand eine tiefe Verbundenheit mit der Natur, die seine Kunst stark beeinflusste.
Foto: Unto Järvinen/HS/Lehtikuva

Das Didrichsen Kunstmuseum in Helsinki verzeichnete im Frühjahr 2025 einen Besucherrekord: Zehntausende kamen, um sich Särestöniemis farbenfreidige Gemälde in der Ausstellung „On the world’s shore: Reidar Särestöniemi 100 years“ (bis 1. Juni 2025) anzuschauen.

Die großen, lebendigen Kunstwerke ziehen die Aufmerksamkeit förmlich auf sich, und die Menschen standen Schlange, um sie aus der Nähe zu betrachten. Orangefarbene Tundra und eine rote Sonne prangen an den Museumswänden. Zarte, frostbedeckte Birkenzweige befinden sich im Dornröschenschlaf. Rentiere grasen, und Wollgras scheint sich sanft im Wind zu wiegen.

Museumsdirektorin Maria Didrichsen meint, dass Särestöniemis Kunst heute neu beurteilt wird. „Seine Kunstwerke sind nicht akribisch gegenständlich, aber dennoch erstaunlich leicht zu verstehen“, sagt sie.

Sie glaubt, dass der stetig wachsende Tourismus nach Finnisch-Lappland den Menschen Särestöniemis Kunst näher gebracht hat. Während seine Farben einst als zu grell galten, erkennen Besucher des hohen Nordens Finnlands heute ihre naturgetreue Darstellung.

„Seine Kunst hat Kraft, und die Größe seiner Werke erzeugt eine starke Wirkung“, sagt Didrichsen. „Viele Betrachter sind von seinen Kunstwerken gefesselt und schöpfen daraus Trost und Energie, besonders in diesen unruhigen Zeiten.“

Obsessive Hingabe

Ein Gemälde zeigt verschiedene überlappende Schichten, von denen eine ein leuchtendes Orangerot aufweist.

„In einer Nacht erfüllte der Nordwind das Moor mit Blumen“ (1971): In Nordfinnland kommt der Frühling spät, aber mit großer Intensität. Särestöniemi glaubte, der Sommer sei dort so kurz, dass die ersten Frühlingsblüten bereits herbstliche Rottöne trugen.
Foto: Rauno Träskelin

Der Junge von weit jenseits des Polarkreises landete schließlich auf der Kunstschule und wurde ein professioneller Künstler.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Särestöniemis Mutter seinen ersten Privatlehrer für ihn, der ihm im Alter von 22 Jahren den Besuch der Finnischen Akademie der Schönen Künste in Helsinki ermöglichte. Etwa zur gleichen Zeit begann er sein Studium im Fachbereich Zeichnen an der Universität Helsinki.

Der Umzug aus der Wildnis in die geschäftige Hauptstadt Finnlands war für Särestöniemi eine große Umstellung. Sein Zuhause in Kaukonen lag am Ende einer unbefestigten Straße, und nun sausten Straßenbahnen und Autos an ihm vorbei.

In der Schule malte Särestöniemi mit obsessiver Hingabe von neun Uhr morgens bis fast Mitternacht. Er war ruhelos, ganz anders als die anderen Schüler. Er konnte nicht stillsitzen; er hüpfte von einer Staffelei zur anderen wie ein Blaukehlchen, ein Singvogel, der den Sommer im hohen Norden verbringt.

Doch der junge Mann lernte in einem erstaunlichen Tempo.

Bleibende Eindrücke

Ein Mann mit Bart arbeitet in einem Atelier. Pinsel und andere Utensilien liegen und stehen auf einem Tisch.

Särestöniemi entschied sich, auf dem alten Gehöft seiner Familie zu leben und zu arbeiten.
Foto: Kaius Hedenström/Lehtikuva

1952 reiste Särestöniemi zum ersten Mal nach Paris, um sich inspirieren zu lassen. Diese Erfahrung hinterließ einen bleibenden Eindruck in seinem Schaffen.

Einen Monat lang besuchte er fast täglich den Louvre, entdeckte die Werke des mexikanischen Malers Diego Rivera und verliebte sich in die Werke des russisch-französischen Künstlers Marc Chagall. Särestöniemi fragte sich, wie jemand so märchenhafte Bilder malen konnte; es war, als würden Bilder benutzt, um Gedichte zu rezitieren.

In Paris hatte Särestöniemi das Gefühl, ganz er selbst sein zu können. Er musste sich nicht verstecken – er war frei. Die französische Hauptstadt war eine Metropole mit unzähligen Möglichkeiten, während Finnland ihm weit weg und abgeschieden erschien.

Als Särestöniemi von Mitteleuropa in sein Zuhause nach Kaukonen zurückgekehrt war, stand ihm ein langer, arbeitsintensiver Winter bevor. Er hatte das Geld für seine Reise durch das Versprechen zusammengebracht, Holz vom Land seiner Familie zu verkaufen, und nun musste er im Wald 300 Bäume fällen.

Empfindliche Natur des Nordens

Auf einem Gemälde sind zwei Tierfiguren zu erkennen, die sich zu umarmen scheinen.

„Begegnung der Flüchtlinge“ (1969): Särestöniemis große Liebe war der Dichter Yrjö Kaijärvi. Särestöniemi ließ in seine Gemälde oder ihre Titel oft subtile Andeutungen über seine Sexualität einfließen.
Foto: Rauno Träskelin

Naturschutz spielte später eine wichtige Rolle in Särestöniemis Kunst. Er war seiner Zeit voraus, als er die Verwendung von Plastik kritisierte. Der Schutz von Tieren, Wäldern und Flüssen war für ihn eine totale Leidenschaft.

Er konnte den drohenden Staudamm am Ounas-Fluss nicht akzeptieren. Er wollte nicht, dass die empfindliche Natur des Nordens verschwand.

Särestöniemi porträtierte sich selbst in seinen Gemälden als unterschiedliche Tiere. Wenn er sich als verspielt und kraftvoll darstellen wollte, malte er einen Luchs. Das Moorhuhn repräsentierte seine Zerbrechlichkeit.

Malte er einen Wolf, wollte Särestöniemi dessen Seltenheit hervorheben. Vielleicht fühlte er sich selbst desweilen wie ein einsamer, in die Enge getriebener Wolf. Er war schwul in einer Zeit, als Homosexualität in Finnland strafbar war.

Er versteckte subtile Botschaften in seinen Bildern, wie zum Beispiel Bären mit Bärten, die sich umarmen. Die Anspielungen waren für alle sichtbar, wurden aber nur von wenigen verstanden. Er blieb im Schatten und damit in Sicherheit.

Aufmerksamkeit erweckend

Bäume und Skulpturen schmücken den Rasen vor einem einstöckigen Backsteingebäude.

Marie-Louise und Gunnar Didrichsen, die Gründer des Didrichsen-Kunstmuseums in Helsinki, lernten Särestöniemi 1968 zum ersten Mal kennen und erwarben später mehrere seiner Werke.
Foto: Rauno Träskelin

Särestöniemi wagte es, Individualität zu verteidigen. Er war auch selbst ein Unikum.

Zu einer Zeit, als bärtige Männer in seinem Heimatdorf mit Argwohn betrachtet wurden, ließ er sich einen langen schwarzen Bart wachsen und färbte ihn knallrot.

Er lief angetan in spanisch anmutender Kleidung mit samischen Lederstiefeln auf der Dorfstraße in Kaukonen herum. Die Samen sind die Ureinwohner Nordeuropas. Die Einheimischen witzelten, er trage im Winter Sommerkleidung und im Sommer Winterkleidung.

Es schien, als ob er es genoss, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Teil einer großen Performance zu sein. Er war groß und schillernd, genau wie seine Gemälde.

Er übte keine Zurückhaltung

Mehrere Personen betrachten Gemälde in einer Galerie.

Die Ausstellung des Didrichsen-Kunstmuseums anlässlich Särestöniemis 100. Geburtstags verzeichnete einen Besucherrekord.
Foto: Emilia Kangasluoma

Särestöniemi fand seinen eigenen, unverwechselbaren, leicht naiven Stil, als er 1959 von einer Studienreise nach Leningrad in der Sowjetunion zurückkehrte. Er hatte gelernt, die Farben der Natur auf seiner Palette zu finden und verwendete kräftige, selbstbewusste Striche.

Er war mit Farben nicht geizig. Er konnte eine ganze Dose Farbe auf ein Werk schütten, verteilen, verschmieren und zu einem Gemälde verarbeiten.

Er wusste immer, dass seine Kunst anerkannt und er berühmt werden würde. Die Popularität kam denn auch rasch. Die Menschen liebten den exotischen, exzentrischen Künstler, dessen großformatige Werke in intensiven Farben zu lodern schienen.

Die Kunstwerke verkauften sich gut und erzielten Rekordpreise. Als Särestöniemi das Geld für seine Gemälde in seiner kleinen Bankfiliale einzahlen wollte, schüttelte ihm ein dankbarer und erstaunter Bankdirektor herzlich die Hand.

Selbstdarstellung

Ein Gemälde zeigt weiße und graue Baumstämme in einer weißen, verschneiten Landschaft.

“Das Herz des Winters“ (1980): Fast sein ganzes Leben lang verabscheute Särestöniemi die Polarnacht des Winters, doch in seinen späteren Jahren beschloss er, sich damit abzufinden. Er malte diesen hellen Birkenhain inmitten des Schnees.
Foto: Emilia Kangasluoma

Manche hielten Särestöniemi für arrogant. Er war außergewöhnlich, das konnte niemand leugnen.

Aber vielleicht war seine Arroganz in Wirklichkeit Sensibilität? Ein Ventil sich zu artikulieren, Ein Mittel zur Selbstbefreiung.

In den finnischen Medien wurde er oft als mystische Figur dargestellt, die Könige und andere Berühmtheiten in seinem Atelier in der Wildnis empfing. Doch Särestöniemi sehnte sich eigentlich nach der Anerkennung durch die Elite der Kunstwelt, die er zu Lebzeiten nie wirklich erhielt.

Er reiste viel, besuchte die Antarktis, den norwegischen arktischen Außenposten Spitzbergen und alles, was dazwischen lag. Manchmal reiste Särestöniemi so weit wie möglich in die Ferne – weg von den langen, kalten Wintern in Nordfinnland –, er kehrte aber immer wieder zurück.

Die Natur, Fjells und Tundra des hohen Nordens bedeuteten Särestöniemi alles. Er fühlte eine tiefe Verbundenheit mit ihnen und drückte dies in seinen Gemälden mit großer Leidenschaft aus.

Särestöniemi starb 1981 im Alter von 56 Jahren in Nordfinnland. Der Fluss Ounas floss auch weiterhin ungehindert dahin.

Von Emilia Kangasluoma, Mai 2025

Dieser Artikel basiert teilweise auf Informationen aus Noora Vaaralas Buch „Sarviini puhkeaa lehti“ (Gummerus, 2025).

Das Särestöniemi-Museum in Kaukonen beherbergt Reidar Särestöniemis Wohnhaus und Atelier sowie eine Galerie.

Finnische Forscher erkunden neue Sprachlerntechniken mit Kunst, Bewegung und Fühlen

Beim traditionellen Sprachenlernen liegt der Schwerpunkt oft auf schriftlichen Übungen, wobei die Rolle von Bewegung und Gefühlen vernachlässigt wird. Die Forschung belegt jedoch, dass verkörperte Erfahrungen dazu beitragen können, neue Wörter und Strukturen im Gehirn zu verankern.

Das ist die Idee hinter Embodied Language Learning through the Arts (ELLA) (übers. Verkörpertes Sprachenlernen durch die Künste, kurz ELLA). Es handelt sich dabei um ein von der Kone-Stiftung finanziertes Projekt, das sich mit der Frage beschäftigt, wie künstlerische Betätigungen den Zweitspracherwerb fördern.

„Wir brauchen ELLA, weil sich die Sprachpädagogik ändern muss“, sagt Eeva Anttila, Professorin für Tanzpädagogik an der Theaterakademie der Helsinkier Universität der Künste, die ELLA geleitet hat. „Lernen sollte Spaß machen, motivieren und emotional unterstützen.“

Was hat Kunst damit zu tun?

Auf einem Foto, das von oben aufgenommen wurde, zeichnen sechs Kinder auf dasselbe große Blatt Papier.

Bewegung und Emotionen sind eng mit Kognition verbunden, und verschiedene Betätigungen können zum Sprachenlernen beitragen.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Eeva Anttila

Bewegung und Emotionen sind eng mit Wahrnehmung verbunden. „Wenn Lernende sich körperlich mit Sprache auseinandersetzen, verinnerlichen sie diese tiefer“, stellt Anttila fest. ELLA fördert einen ganzheitlichen Ansatz, der Verkörperung, künstlerischen Ausdruck und Spracherwerb integriert, insbesondere in kulturell diversen Umfeldern.

„Die Aufmerksamkeitsspanne der Schüler ist kurz, und die Künste helfen, die Konzentration lange genug aufrechtzuerhalten, damit die Erfahrungen reifen und ihr Potenzial entfalten können. Lernen durch Handeln geht tiefer und ist wirkungsvoller.

ELLA wurde in Schulen, Vorbereitungskursen für Migranten, Gymnasien, der Erwachsenenbildung und in der Lehrerausbildung eingeführt. „Mit ELLA wollen wir das menschliche Potenzial voll ausschöpfen, indem wir mehrere Fähigkeiten gleichzeitig erlernen und üben“, so Anttila. Durch die Aktivierung der Sinne, Emotionen und motorischen Fähigkeiten entwickeln sich die sprachlichen Kompetenzen der Lernenden und gewinnen gleichzeitig kulturelle Einblicke.

Eines der ELLA-Teilprojekte, „Dans med språk“ (schwedisch für „Tanz mit Sprache“), führte an einem Gymnasium für darstellende Künste in der mittelwestfinnischen Stadt Tampere Spoken-Word-Choreografien auf Schwedisch ein. (Schwedisch ist eine Amtssprache in Finnland.)

Der Kurs steht allen offen, unabhängig von Tanzerfahrung oder Schwedischkenntnissen. Er ist mittlerweile so beliebt, dass es eine Warteliste gibt, eine beeindruckende Leistung, da sich auch zahlreiche finnischsprachige Schüler für die Teilnahme entscheiden.

Flüssiger Sprachgebrauch durch Singen

Eine bunt gemischte Gruppe von etwa 40 Personen stellt sich für ein Gruppenfoto auf; die einen stehen, die anderen knien.

Der „Learn Finnish by Singing“-Chor: Die Rolle, die das Singen beim Sprachenlernen spielen kann, ist ein faszinierendes Gebiet, das noch nicht gründlich erforscht worden ist.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Johanna Lehtinen-Schnabel

Auch das Singen beschleunigt den Spracherwerb. Eine sehr interessante Umsetzung der ELLA-Philosophie ist das Finnischlernen durch Singen.

„Dies ist ein faszinierendes transdisziplinäres Gebiet, das bisher kaum erforscht ist“, sagt Johanna Lehtinen-Schnabel, ELLA-Forscherin und Leiterin der „Learn Finnish by Singing“-Chöre in Helsinki und dem nahegelegenen Espoo.

Die Idee stammt von den Schülern eines Pilotprojekts, in dem Lehtinen-Schnabel erwachsenen Zuwanderern Musikunterricht gab. Singen hilft den Lernenden, sprachliche Prozesse, wie Aussprache, Rhythmus und Intonation, zu verinnerlichen und gleichzeitig die Angst vor Fehlern zu verringern.

Lehtinen-Schnabels Doktorarbeit an der Sibelius-Akademie, der renommierten Musikhochschule in Helsinki, konzentriert sich auf diese sprachbewussten Chöre, die Genres von Pop und Rap bis hin zu Volksmusik abdecken und die Lernenden mit verschiedenen Sprachstilen vertraut machen. Durch den Einbezug von Flashmobs, Dialekten und Improvisationen machen die Chöre das Sprachenlernen zu einem immersiven, praxisnahen Erlebnis.

„Wenn ich im Chor singe, habe ich nicht das Gefühl, zu lernen“, meint Chormitglied Alicia Sevilla. „Es macht Spaß und ist ganz natürlich.“ Sie lernt zwar auch Finnisch in einem regulären Kurs, schreibt dem Chor aber zu, dass er die Flüssigkeit ihres Sprechens und ihr gesprochenes Finnisch verbessert hat. Die Chöre stehen allen Leistungsniveaus offen und erfordern keine Vorkenntnisse der finnischen Sprache.

Die Sprachkenntnisse von Kindern freisetzen

Mehrere Reihen von Schülern werden von hinten gezeigt. Ihre Hände sind erhoben und ahmen die Geste einer Lehrerin im vorderen Teil des Raums nach.

Es macht Spaß und ist ganz natürlich, eine Sprache durch Singen zu erlernen.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Johanna Lehtinen-Schnabel

Die Forschung im Bereich des verkörperten Sprachenlernens hat sich bisher hauptsächlich auf Erwachsene und Kleinkinder konzentriert, hingegen deutlich weniger auf Jugendliche. Elias Girod, Tänzer und angehender Lehrer, hofft, dies zu ändern. In seiner Masterarbeit an der Universität Helsinki untersuchte er im Rahmen von ELLA verkörpertes Lernen im Zweitsprachenunterricht.

„Die Kopplung von Wörtern und Bewegung stärkt die neuronalen Verbindungen, wodurch Informationen einprägsamer und tiefer verankert werden“, sagt er. Dies deckt sich mit Forschungsergebnissen, die den engen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Kognition belegen.

Für Girod bietet verkörpertes Lernen ein breites Spektrum an Möglichkeiten, darunter Aufstehen, Sitzen auf dem Boden, nach draußen gehen oder einfach die Untersuchung, wie wir unseren Körper in verschiedenen Umgebungen einsetzen. „Sprachenlernen ist mehr als nur Grammatik“, äußert er. „Es geht um Interaktion und Motivation. Künstlerische Betätigung schafft beides auf natürliche Weise.“

Finnlands nationaler Kernlehrplan (2014 novelliert, eine weitere Reform ist für das Schuljahr 2025/26 geplant) legt bereits jetzt Wert auf funktionalen und kognitiven Unterricht gegenüber formalem oder starrem Unterricht, doch Girod wünscht sich weitere Verbesserungen. Er argumentiert, dass für Schüler, die kürzlich nach Finnland gezogen sind, „die Priorität darauf liegen sollte, dass sie sich wohl und verbunden fühlen“.

Er plädiert für einen erfahrungsorientierteren Ansatz, wo Sprache durch Bewegung, Interaktion und kreativen Ausdruck statt durch isolierte Übungen gelernt wird. „Kinder sollten auch zu Aufführungen und Ausstellungen außerhalb der Schule mitgenommen werden“, fügt er hinzu und betont dabei die Bedeutung kultureller Erfahrungen für die Förderung von Sprachkenntnissen und Zugehörigkeitsgefühl.

Als praktischen Schritt schlägt er vor, professionelle Künstler für Workshops und Aufführungen in die Schulen einzuladen.

Sprachunterricht neu gestalten

Im Hintergrund tanzen ein Mann und eine Frau auf der Bühne, während im Vordergrund eine Frau laut aus einem Buch vorliest.

Die Aufführung „Kunnes avartuu“ (etwa: „Bis es sich ausdehnt“) ist ein Dialog zwischen Veli Lehtovaaras Choreografie und Gedichten, die von Milka Luhtaniemi (im Vordergrund) geschrieben und vorgelesen wurden.
Foto: Jani Salonen

Girod kritisiert die Rangliste der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment), da sie nur quantifizierbare Fächer misst und kreative Fächer ausschließt. Diese Unterlassung lässt Tanz, andere Kunstformen und die Sprache, die sie bereichert, außer Acht und übersieht ihren Bildungswert.

ELLA steht für einen Wandel in der Sprachbildung, der sie dynamischer und immersiver macht. Die Integration von Bewegung, Kreativität und zwischenmenschlicher Bindung fördert die sprachliche Entwicklung, das Selbstvertrauen, das kulturelle Bewusstsein und das Zugehörigkeitsgefühl.

Von Carina Chela, April 2025