Wie Finnlands Konzept „Housing First“ reale Erfolge im Kampf gegen Obdachlosigkeit erzielt

Finnland ist das einzige Land der Europäischen Union, in dem die Anzahl an Obdachlosen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Dies gelang hauptsächlich aufgrund eines Konzepts, das sich „Housing First“ nennt.

Traditionell wird eine Wohnung als das Endziel eines sozialen Wiederherstellungsprozesses gesehen. Housing First stellt die Idee auf den Kopf und macht das Wohnen zur obersten Priorität: wenn man ein sicheres Zuhause hat, ist es einfacher, wieder auf die Beine zu kommen und anzufangen, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das bedeutet, dass Nüchternheit keine Voraussetzung mehr für den Erhalt einer Wohnung ist und dass die Fachkräfte der Wohneinheiten bei den Beihilfen sowie bei Bank-und Gesundheitsproblemen helfen.

Als Teil des Engagements um das Modell wurden ehemalige Obdachlosenunterkünfte in Wohneinheiten umgewandelt, um neuen Wohnbestand mit unterstützenden Dienstleistungen zu schaffen. Seit dem Beginn von Housing First 2008 ist die Zahl der Obdachlosen in Finnland um 30 Prozent und die Anzahl der langfristig obdachlosen Menschen um mehr als 35 Prozent gesunken. Die derzeitige Regierung hat einen Plan, die Obdachlosigkeit bis 2027 zu beseitigen.

Menschen mit Wohnungen zu versorgen hört sich kostspielig an, aber einer Studie vom finnischen Ministerium für Umwelt zufolge kann es sogar Geld sparen. Finnland hat 250 Millionen Euro investiert, um neuen Wohnraum zu bauen und Betreuungspersonal für die Wohnungen einzustellen. Gleichzeitig wurden bei der medizinischen Notfallversorgung, bei den sozialen Diensten und im Justizwesen für jede ehemals obdachlose Person jährlich 15.000 € gespart.

Leena, 48

Drei Fotos nebeneinander zeigen Ansichten einer Wohnung: ein Wohnzimmer mit Zimmerpflanzen, ein Bett mit Nachttisch und eine saubere Küche.

Foto: Kaisu Kaplin

“Handwerk und Stricken waren schon immer mein Ding. Solange ich in dieser Krisenwohnung in einer betreuten Wohneinheit lebe, mache und verkaufe ich Fäustlinge, Socken und Pullover für meine Freunde und Bekannte. Ich kann stundenlang stricken. Manchmal bekomme ich davon einen so steifen Nacken, dass es fast schon lustig ist. Dinge mit meinen Händen zu tun ist meine Leidenschaft. Dadurch fühle ich mich sicher.

Ich habe viele Jahre lang im Ausland gelebt. Letztendlich verlor ich meine Arbeit und nach einer Weile auch mein Zuhause. Notunterkünfte waren nur gelegentlich verfügbar, und als ich keine Arbeit finden konnte, sah ich keine andere Möglichkeit, als nach Finnland zurückzukommen. Zum Glück habe ich bald nach meiner Ankunft diese Wohnung bekommen.

Sie war möbliert, aber ich habe sie mit Zimmerpflanzen und Vorhängen noch gemütlicher gemacht. Für mich muss ein Zuhause visuell ansprechend sein. Ich würde zum Beispiel diesen türkisfarbenen Tisch gerne gegen einen weißen tauschen.

Dies ist ein vorübergehendes Zuhause, aber – perfektionistisch wie ich bin – halte ich alles sauber und putze oft. Ich bin Profiköchin, also schätze ich Sauberkeit und die Möglichkeit, meine eigenen Mahlzeiten kochen zu können. Wenn man obdachlos ist, dann liegt es außerhalb der eigenen Kontrolle, was, wann und wie man isst.

Zu den drei Dingen, die ich hier am meisten liebe, zählen, dass ich ein Dach über meinem Kopf habe, eine Tür zum Zumachen und ein Tablet, mit dem ich Krimi-Podcasts hören kann.“

Markku, 53

Drei Fotos nebeneinander zeigen Ansichten einer Wohnung, darunter ein Monitor mit einem Videospiel, ein Lederhocker und ein Wohnzimmer mit einem roten Wandteppich.

Foto: Kaisu Kaplin

“Dieser rote Rya-Teppich hat für mich einen großen emotionalen Wert, deswegen habe ich ihn an der besten Stelle aufgehängt. Er ist ein Hochzeitsgeschenk von meinen Eltern und erinnert mich an sie. Wir sprachen fast 20 Jahre lang nicht miteinander, aber kürzlich haben wir uns wieder angenähert. Die Salzkristalllampe ist auch ein Geschenk meiner Mutter. Ihren Worten nach soll sie Psoriasis heilen.

Bevor ich mein Zuhause verloren habe, lebte ich in einer viel größeren Wohnung, deswegen befinden sich jetzt viele meiner Dinge in einem Lager.

Man braucht einen Ort, den man verlassen und an den man zurückkehren kann. Wenn man ein Zuhause hat, hat man seinen eigenen Raum und kann selbst entscheiden, wer eintreten darf. Zu Hause kann ich mich ausruhen und mich erholen.

Dieser Fußhocker aus Leder ist einer meiner liebsten Gegenstände. Darauf verbringe ich viel Zeit und spiele Playstation-Spiele. Mein Lieblingsspiel ist ein Eishockeyspiel. Einmal habe ich es 14 Stunden lang am Stück gespielt.“

Heikki, 58

Drei Fotos nebeneinander zeigen Ansichten einer Wohnung, darunter ein weißer Stuhl mit Festivalausweisen, ein Schlafsofa mit Regalen im Hintergrund und ein grüner Sessel mit einem Zeitungsstapel.

Foto: Kaisu Kaplin

„Mein Sofa ist so bequem, dass ich mein Bett nur selten nutze. Ich schlafe hier oft bei laufendem Fernseher ein. Der Großteil meines Lebens spielt sich draußen ab, aber abends muss ich keinen Ort mehr zum Schlafen finden – ich kann auf meinem eigenen Sofa einschlafen und das ist unerlässlich.

Ich lebe jetzt schon seit etwas mehr als zwei Jahren in diesem Studio-Apartment. Das wichtigste daran ist für mich, meinen eigenen Raum zu haben und ein Gefühl von Kontrolle. Ich kann entscheiden, ob ich die Tür öffnen oder schließen möchte, um mich selbst vor der Außenwelt zu schützen.

Mein Zuhause ist mein Zufluchtsort. Die materialistischen Dinge darin sind mir nicht so wichtig. Die meisten meiner Möbel habe ich als Spenden bekommen und verwende sie hauptsächlich dafür, um Kleidung und Papiere darauf zu stapeln. Ich wollte auf jeden Fall noch einige Möbel.

Es würde sich furchtbar anfühlen, nur mit einer Matratze zu leben. Ich engagiere mich jetzt schon seit Jahren bei diesem Festival als Freiwilliger. Die Festivalpässe erinnern mich an vergangene Sommer und die guten Zeiten, die auch im kommenden Sommer vor mir liegen.“

Leena, Heikki und Markku sind Kunden der Housing-First-Einheit Rinnekodit. Ihre Namen wurden zum Schutz der Privatsphäre geändert.

Text und Fotografien Kaisu Kaplin, ThisisFINLAND Magazine

Leben in Bewegung: Ein visueller Abstecher zu den Gründen aktiven finnischen Lebensstils

Mauri Heino, 74, war früher Turner und Feuerwehrmann. Heute verbringt er seine Tage mit Rennradfahren und bleibt auf vielfältige Weise aktiv. Fitness gehörte während seiner 40-jährigen Feuerwehrkarriere zum Beruf, und auch im Ruhestand hat er nicht aufgegeben.

„Ich fahre am liebsten gegen den Wind; mit Rückenwind kommt man leichter nach Hause.“

Ein Mann spielt Discgolf in einem Frühlingswald.

Timo Stenman, 62, beginnt die meisten Morgen im Sommer mit einer Runde Discgolf.

„Beim Discgolf geht es darum, dem Erfolgserlebnis nachzujagen, sich gleichzeitig zu bewegen und den Alltagssorgen zu entfliehen.“

Ein Mann fährt mit Rollskiern auf einem asphaltierten, von Bäumen gesäumten Weg.

Für Jukka Toivanen, 60, ist Sport eine Lebenseinstellung. Er fährt gerne Ski, läuft, schwimmt und powert im Fitnessstudio.

„Das Schönste daran ist, sich mit Gleichgesinnten auf den Weg zu machen. Es ist wie Geld auf die Bank zu legen, man hat Zeit für sich selbst und garantiert ein gutes Gefühl.“

Eine Frau schwimmt im Pool.

Für Helena Harju, 60, lindert Schwimmen ihre Rückenschmerzen und bringt Freude in ihren Alltag. Sie hält sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit liebend gerne im Wasser auf.

„Der erste Schritt kann schwer sein, aber die Entscheidung, schwimmen zu gehen, lohnt sich immer.“

Ein Junge kickt einen Fußball in Richtung Tor.

Inspiriert von der Weltmeisterschaft begann der 11-jährige Tiitus mit dem Fußballspielen, das er mit seinem Vater, dem 49-jährigen Jaakko Vehkaperä, zu einem gemeinsamen Hobby machte. Für sie ist Sport eine Möglichkeit, sich näher zu kommen und Zeit miteinander zu verbringen.

„Ein simples Spiel reicht; das Wichtigste ist, zusammen zu sein.“

Ein Mann trainiert Beinpresse in einem Outdoor-Fitnessstudio.

Roland Rasanen, 25, wurde aufgrund körperlicher Belastung an beiden Handgelenken operiert und verspürte nach seiner Genesung den starken Wunsch, sich wieder zu bewegen.

„Zuerst fühlte sich sogar das Tragen von Einkaufstüten schwer an, aber allmählich gaben mir die Übungen meine Kraft zurück.“

Jetzt arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen und möchte andere davon überzeugen, wie wichtig es für das allgemeine Wohlbefinden ist, aktiv zu bleiben.

Zwei junge Männer spielen Basketball im Freien.

Pekka Partinen, 23, und Ville Holopainen, 22, gehören zu einer Gruppe von Freunden, die sich seit der Grundschule kennen. Ihre gemeinsame Liebe zum Sport hat sie über die Jahre zusammengeschweißt.

„Sport hält den Geist fit, und gemeinsames Training stärkt auch die sozialen Kontakte. Gute Stimmung verstärkt sich, wenn man sie teilt.“

Eine Frau steht mit einer Golftasche auf einem Golfplatz.

Für Annika von Behr, 52, bietet Golf die perfekte Mischung aus Herausforderung und Bewegung; letztes Jahr legte sie auf dem Golfplatz fast 1.500 Kilometer zurück. Annika betreibt außerdem gerne Pilates, Padel-Tennis und Jogging.

„Ein Leben ohne Bewegung ist kaum vorstellbar. Ich bin dankbar für meine Gesundheit.“

Eine Frau sitzt mit einem Feldstecher in der Hand in einem Kajak.

Ilona Koskela, 30, verbindet beim Kanufahren Sport mit Naturbeobachtung.

„Paddeln spricht alle Sinne an; da sind die Geräusche, Gerüche und umgebende Ruhe. Im geschützten Wasser eines Flussdeltas sehe ich Spezies, denen ich sonst nicht begegnen würde. Beim Paddeln fühle ich mich mit der Natur verbunden.“

Eine Frau steht mit ihrem Hund auf einem felsigen Hügel im Wald.

Tytti Lallo, 36, verbessert ihre tägliche Leistungsfähigkeit, indem sie mit ihrem Hund Gadi spazieren geht, normalerweise jeweils eine Stunde. Als älterer Hund hat Gadi sein Tempo verlangsamt und ist vom Laufen zum Schnüffeln übergegangen.

„Die Nähe des bewaldeten Zentralparks in Helsinki bietet für Mensch und Hund die perfekte Umgebung zum Entspannen. In der Natur kann man Rehe beobachten und sich leicht in die Ruhe des Waldes zurückziehen, weit weg von lauten Geräuschen.“

Fotos und Text von Mikko Suutarinen, Juni 2025

Der finnische Architekt Sami Rintala erzählt, wie Saunen so heiß wie noch nie geworden sind

Für den finnischen Architekten Sami Rintala geht es beim Genuss einer guten Sauna um Extreme.

„Es geht um den Wechsel von heiß nach kalt, und wie dies unserer Seele guttut“, sagt er und beschreibt damit den Reiz einer seiner liebtesten Zeitvertreibe.

Die Extreme stehen auch im Zentrum von Rintalas Herangehensweise beim Entwerfen von Saunen. Dies hält seine Norwegen-basierte Architekturfirma, Rintala Eggertsson, auf Trab, da unterschiedliche Nationalitäten sich plötzlich für diese finnischste aller Aktivitäten begeistern.

„Bei der Saunaarchitektur geht es um Kontraste und Grundwerte“, sagt Rintala. „Man arbeitet mit elementaren Dingen: Dunkelheit und Licht, Kälte und Wärme, privatem und öffentlichem Raum“.

Ein Mann steht vor einem Holzgebäude und blickt in die Kamera.

Foto: Dan Mariner

Seitdem er vor 20 Jahren nach Norwegen gezogen ist und an einer Vielzahl von Saunaprojekten gearbeitet hat, ist Rintala zu einem „Botschafter“ der Saunakultur geworden.

„Als im Ausland lebender Finne wird man zu einem Botschafter seiner Kultur“, sagt er. „Ich könnte mir Schlechteres vorstellen, weil ich Saunen und Baden liebe!“

Rintalas Unternehmen hat nicht nur in Finnland und Norwegen, sondern auch in Großbritannien Saunen entworfen und arbeitet derzeit an Projekten in Rumänien und Japan. Die Finnische Sauna, die Rintala zusammen mit Studenten der University of Westminster sowie der Unterstützung des Finnischen Instituts für das London Festival of Architecture 2022 entwarf, befindet sich jetzt auf der Isle of Wight.

Ähnliche Saunahütten aus Holz schießen im gesamten Vereinigten Königreich aus dem Boden, von Brighton und Folkestone bis hin zu den Stränden von Pembrokeshire in Wales. Laut dem Britischen Saunaverband sind in Großbritannien 73 solcher hauptsächlich an Stränden und Seen gelegenen Saunen in Betrieb; vor einem Jahr waren es nur 49. Die Zunahme wurde vom Anstieg des Wildschwimmens und eines gesunden Lebensstils begünstigt.

Dampf steigt aus einem Pool im Freien auf, das vor einem modernistischen Holzgebäude liegt.

Sami Rintalas Firma hat einen Hotel-, Sauna- und Spa-Komplex entworfen, der auf einem Hügel in Tahko, einem Skigebiet in Ostfinnland, steht.Foto: Rintala Eggertsson Architects

Obgleich die älteste, weiterhin benutzte öffentliche Sauna in Finnland, 1906 in Pispala, Tampere, gebaut wurde, gehen Historiker davon aus, dass die Ursprünge der Saunakultur vor etwa 10.000 Jahren ihren Anfang nahm. Bei den ältesten Saunen handelte es sich um in den Boden gegrabene Kuhlen mit einem Steinhaufen in der Tiefe, die durch ein Lagerfeuer erhitzt wurden. Finnland unterscheidet sich von anderen Ländern darin, dass die frühesten Bewohner Finnlands nie von ihrer Liebe zur Sauna abgewichen sind.

„Die Menschen, die in Finnland lebten, brauchten Saunen wegen des Klimas. Bei so vielen Wäldern gab es außerdem immer Holz, um sie zu bauen sowie Brennholz zum Verbrennen“, erläutert Rintala.

Er denkt, dass sich die Menschen auch nach einem Zufluchtsort sehnen, an den sie vor dem Eindringen der Technologie fliehen können – und Saunen sind handyfreie Zonen.

„Saunen sind möglicherweise der einzige Ort, an dem sich die Menschen wirklich unterhalten können, ohne dass Mobiltelefone ihre Gespräche stören.“

Er beheizt seine Sauna zu Hause fast täglich, um Zeit mit seiner Frau und seinem 19-jährigen Sohn zu verbringen und sich zu unterhalten.

„Dort führen wir die besten Gespräche“, fügt er hinzu.

Eine Luftaufnahme zeigt mehrere Holzgebäude in einer felsigen Landschaft.

Sami Rintala war an der Gestaltung einer Gruppe von Unterkünften und Saunagebäuden auf Kalsholmen beteiligt, einer abgelegenen Insel vor der Küste Norwegens.Foto: Rintala Eggertsson Architects

Der Wunsch nach sozialem Zusammenhalt belebt die Nachfrage nach öffentlichen Saunen wieder, die mit der zunehmenden Beliebtheit von privaten Saunen in Ungnade gefallen waren.

„Öffentliche Saunen sind ein Treffpunkt“, meint Rintala und setzt hinzu, dass es vor 20 Jahren nur zwei oder drei öffentliche Saunen in Helsinki gab, im Vergleich zu mehr als 20 heutzutage. Die bekannteste Sauna ist Löyly, das finnische Wort für „Saunadampf“, eine öffentliche Sauna für sechs Millionen Euro, die 2016 eröffnet und von Avantos Architekten Anu Puustinen und Ville Hara entworfen wurde.

Bei arktischen Außentemperaturen gibt es nur wenige Orte, an denen man sich treffen und soziale Kontakte knüfen kann, ohne etwas zu kaufen. Rintala zieht einen Vergleich mit einem Einkaufszentrum: „Es ist viel schöner, zusammen in die Sauna zu gehen und zu reden, wo man ein Erlebnis kauft und nichts Materielles.“

Ein Mann steht in einem holzgetäfelten Raum und blickt in die Ferne.

Foto: Dan Mariner

Sein Ratschlag an alle, die an einem öffentlichen Saunaprojekt arbeiten, ist, es nicht kompliziert zu gestalten.

„Wenn man die Sauna für viele Menschen zugänglich machen will, dann sollte man sehr simple Strukturen zum Saunabaden schaffen, die sehr günstig zu verwenden und zu warten sind“, sagt er. „Es gibt keine Regeln, außer ein gutes Sauna-Erlebnis zu haben.

„Eine Sache, die jeder verstehen sollte, ist, dass Saunen sehr feucht sind. Deswegen ist es wichtig, sie nach der Nutzung weiterhin zu heizen, damit sie trocknen können. Bei einer Temperatur von -20 °C (-4 °F) im Winter muss man das Holz trocknen, bevor es gefriert.“

Sein wichtigster Tipp ist, die Fenster klein zu halten und die Aussicht zu vergessen.

Sehr große Fenster zerstören die Wechselwirkung zwischen Ofen und Raum. Zudem gilt: Je größer das Fenster, desto größer muss der Ofen sein, den man benötigt. Der Ausblick ist nicht wichtig. Eine Sauna ist ein Raum, in dem man die Welt ausschließt, um sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen. Danach kann man rausgehen und die Landschaft betrachten.“

Und vergiss das Essen nicht.

Essen und Trinken spielen beim Sauna-Erlebnis eine wichtige Rolle. Ich mag Sauna-Abende mit Freunden. An einem perfekten Abend verbringen wir so viel Zeit wie möglich in der Sauna und essen danach gemeinsam. Genau wie die Kleidung, die man trägt, ist auch die Auswahl des Essens eine persönliche Entscheidung, aber ich mag kaltes Bier und salziges Fleisch – man hat damit alles, was man braucht.“

Text Susie Mesure, ThisisFINLAND Magazine

Eine Ode an die Freuden finnischer Ferienhäuser

„Dieser Fisch ist köstlich“, sagte ich zur Gastgeberin. „Es ist Hecht“, erklärte sie mir. „Direkt aus unserem See. Und das ganze Gemüse und die Salate stammen aus unserem Garten.“

Nur drei Tage nach meinem Umzug nach Finnland stand ich an einem von waldumrandeten See.

Ich befand mich im Sommerhaus der Familie meines Freundes Risto im 30 Kilometer entfernten Kirkkonummi. Normalerweise mag ich keinen Hecht, aber dieser war köstlich. Vielleicht lag es an der Art, wie Ristos Mutter ihn zubereitete, oder an der Magie der Natur, die mich umgab.

Nach dem Mittagessen hätte ich mich einfach entspannen können, aber es gab noch Aufgaben zu erledigen. Ich wollte Teil des Teams sein. „Wo soll ich denn harken?“, fragte ich.

Natur als einzige Ablenkung

Eine Frau sitzt in einem Whirlpool auf einer Holzterrasse im Freien, im Hintergrund ein Wald, ein See und ein Sonnenuntergang.

Nicht alle finnischen Sommerhütten sind primitiv. Manche verfügen über Whirlpools und alle modernen Annehmlichkeiten.Foto: Joonas Linkola/Visit Tampere

Eine Woche später lud mich ein anderer Freund ein, ein Wochenende in der Inselhütte seiner Familie im Åland-Archipel vor der Südwestküste Finnlands zu verbringen. Zwischen Essen, Aufräumen, Saunabad und Schlafen gab es nicht viel, was uns ablenken konnte.

Wir haben also viel geredet. Vielleicht hat das Sitzen auf den glatten Granitfelsen, das Genießen der Meereslandschaft, das Einatmen der frischen Seeluft und das Sonnenbad den Philosophen in uns geweckt. Natürlich erinnerten wir uns nicht mehr an all unsere wunderbaren Ideen, nachdem wir die Insel verlassen hatten, aber das Gefühl blieb.

Seefrieden

Auf einer Gartenbank neben einer roten Wand stehen ein Strauß Wildblumen und ein Glas Wein. Im Hintergrund ist eine rote Scheune zu sehen.

Die langen Stunden Tageslicht im finnischen Sommer bieten viel Zeit für Freizeitaktivitäten, von der Vogelbeobachtung bis hin zum Blumenarrangieren.Foto: Terhi Tuovinen/Lapland Material Bank

Später verbrachte ich einige Zeit in Aris Ferienhaus in der Nähe von Varkaus in Ostfinnland. An einem ruhigen Flecken des Sees entspannten wir uns stundenlang auf seinem Steg, beobachteten Vögel, die Wolken und fütterten die Fische, die zum kostenlosen Mittagessen vorbeigekommen waren. „Ich muss meine Haustiere füttern“, sagte er. „Sie lieben mich.“

Seine Hütte war nur für den Sommer geeignet, also übernachteten wir im Winter manchmal in der Hütte seines Freundes. Dort wurde ich in den tollen Sport des Eisgolfs eingeführt. Wir gingen auch Langlaufen und Eisfischen. Anschließend servierte uns Mauri zum Aufwärmen hausgemachten Glühwein und Elcheintopf, den er von den örtlichen Jägern bezog.

Rustikale Aktivitäten – eine willkommene Abwechslung

Eine Schotterstraße schlängelt sich an einer roten Hütte vorbei, in der Ferne geht die Sonne auf. Leichter Morgennebel verdeckt teilweise den Wald im Hintergrund.

In einer rustikalen Sommerhütte gibt es viel zu tun, aber viele Finnen empfinden solche Aufgaben als willkommene Abwechslung zu ihrem Alltagsleben.Foto: Harri Tarvainen/Lapland Material Bank

Ich hatte das Glück, viele Sommerhütten besuchen zu können. Fast alle lagen an einem See; bei etwa 188.000 Seen in Finnland gibt es reichliche Uferzonen. Jedes Sommerhaus hatte eine Sauna, entweder eine normale Sauna oder eine spezielle Rauchsauna. Die meisten Häuschen waren recht einfach, ohne fließendes Wasser, ohne Strom (obwohl Solaranlagen immer häufiger werden).

Die Ferienhäuschen sind sehr pflegeintensiv: Holz hacken, Wasser holen, Landestege, Türen und Fenster reparieren, das Innere reinigen, Teppiche ausklopfen, Unrat beseitigen, die Sauna heizen, kochen und saisonale Arbeiten wie Beeren und Pilze sammeln. Aber die Finnen scheinen diese Art von Arbeit zu mögen.

Warum sollten Menschen in einem so hoch entwickelten Land ihre Zeit unter so einfachen Bedingungen verbringen wollen? Die Finnen werden Ihnen sagen, dass sie dem Druck anspruchsvoller Jobs und dem hektischen Stadtleben entkommen müssen. Sie suchen nach einer vorübergehenden Auszeit von Terminen, Überstunden, Steuern und Verkehrsstaus. Sie lieben die Natur und verbringen gerne Zeit damit, die Traditionen ihrer Vorfahren zu pflegen.

Vielleicht sagen die Finnen Ihnen aber auch einfach: „Wir lieben und brauchen diese Ferienhäuser.

Therapeutische Entspannung

Ein Mann und eine Frau sitzen in einer schwach beleuchteten Sauna mit einer Laterne, einem Holzeimer und einem Birkenreisigbündel.

Die Sauna steht im Mittelpunkt fast jedes Ferienhauserlebnisses.
Foto: Terhi Tuovinen/Lapland Material Bank

Warum ich diese finnische Tradition so begeistert betreibe? Für mich hat die Entspannung auf dem Land einen hohen therapeutischen Wert. Ich schwimme liebend gerne im klarem Seewasser, liebe es, auf einem Floß dahinzutreiben, zu angeln und zu rudern (oder jemanden rudern zu lassen). Außerdem mag ich es, auf Waldwegen spazieren zu gehen, den Geräuschen des Waldes zu lauschen, die Wohlgerüche des Waldes einzuatmen und zu versuchen, einige der Hunderten von Vogelarten zu identifizieren.

Zeit mit Freunden zu verbringen, draußen zu sitzen, Kaffee zu trinken, sich nett zu unterhalten, Karten zu spielen und gemeinsam zu essen, ist eine perfekte Möglichkeit, sie besser kennenzulernen.

Nicht alle Sommerhäuser sind rustikal. Das von Teemu beispielsweise war einst ein geschäftiges Bauernhaus. Heute dient es als Ferienhaus. Doch es erinnert noch immer an eine längst vergangene Lebensweise. Alte Traktoren und landwirtschaftliche Geräte stehen immer noch verstreut herum. Die vielen Zimmer sind mit Vintage-Möbeln und altmodischem Dekor ausgestattet. Sogar das Gespenst im Haus wirkte freundlich und erschreckte mich nicht, als ich ins Bett ging.

Ich habe wundervolle Erinnerungen an die Ferienhäuser, in denen ich übernachtet habe, jedes mit seinem eigenen Charme. Ich habe sie alle sehr geschätzt. Aber bei über einer halben Million Sommerhäusern in Finnland habe ich noch viele weitere zu besuchen.

Von Russell Snyder, Juni 2025

Der Gaumenkitzel nachhaltiger Ernährung in Finnland

Das Engagement für eine nachhaltige Zukunft ist fester Bestandteil der Geschäftstätigkeit von Fiksuruoka („Smart Food“), das mit überschüssigen Lebensmitteln handelt, und ebenso vom Restaurant Natura, das Zutaten vom eigenen Bauernhof und aus eigener Wildsammlung verwendet.

Die beiden befinden sich in guter Gesellschaft. Musikfestivals in Finnland haben deutlich gezeigt, dass Verbraucher Wert auf eine geringere Umweltbelastung bei der Auswahl von Lebensmitteln und Betriebsabläufen legen.

Das finnische Einzelhandelsgeschäft Fiksuruoka, ursprünglich in einer Garage gegründet, ist Vorreiter der Bewegung für überschüssige Lebensmittel. Was als lokale Initiative begann, entwickelte sich zu einem landesweiten Erfolg und ist heute unter der Marke Foodello auch in anderen europäischen Märkten vertreten. Die Mission bleibt unverändert: die Verringerung von Lebensmittelverschwendung für alle einfach zu machen.

Lebensmittel sparen, Geld sparen

Eine Person sitzt auf einer Küchenarbeitsplatte, hält eine Schachtel in einer Hand und greift mit der anderen in einen Schrank voller Gläser und Behälter.

Fiksuruoka möchte es Verbrauchern leichter machen, Lebensmittelabfälle zu verringern und gleichzeitig Geld zu sparen.
Foto: Fiksuruoka

„In Finnland werden jährlich immer noch etwa 641 Millionen Kilo Lebensmittel weggeworfen“, sagt Sami Törmä, Leiter für Globales Marketing bei Fiksuruoka, unter Berufung auf Daten des finnischen Instituts für Naturressourcen. „Die Haushalte sind dabei mit 46 Prozent für den größten Anteil verantwortlich, aber auch die Industrie, Gastronomie und der Einzelhandel tragen erheblich dazu bei.“

Fiksuruoka geht dieses Problem frontal an. Sein Online-Shop liefert überschüssige Trockenwaren, Snacks und Vorratsartikel landesweit zu ermäßigten Preisen. So kann man den Müll reduzieren und gleichzeitig Geld sparen.

„Unsere stolzeste Leistung ist die Rettung von bisher mehr als 18 Millionen Kilo Lebensmitteln“, so Törmä. „Das ist die kumulierte Zahl, die einer Vermeidung von über 46 Millionen Kilogramm CO2-Äquivalenten entspricht.“

Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Menge, die ausgestoßen würde bei einer Autofahrt von mehr als 300 Millionen Kilometern und einem Benzinverbrauch von 23 Millionen Litern.

Vernünftige Entscheidung

Ein Karton steht neben einer Auswahl an Lebensmitteln, darunter Kekse, Chips und Ketchup.

Laut Schätzungen von Fiksuruoka hat das Geschäft Millionen Kilogramm Lebensmittel vor Verschwendung bewahrt.
Foto: Fiksuruoka

Eine Herausforderung für Fiksuruoka ist die Verwechslung von Mindesthaltbarkeits- und Verfallsdatum. „Viele Leute denken, wir verkaufen abgelaufene Waren“, stellt Törmä fest. Die überwiegende Mehrheit der Produkte auf der Website hat jedoch noch Wochen bis zum Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums, was häufig auf saisonale Veränderungen, Verpackungsmodifikationen, Überproduktion oder Druckfehler zurückzuführen ist.

Die Lösung besteht jedoch nicht nur darin, reduzierte überschüssige Lebensmittel zu kaufen. Es geht auch darum, das zu verwenden, was man bereits hat, bevor es verdirbt. Törmä rät Verbrauchern, ihre Kühlschränke kreativ zu nutzen, um Lebensmittelverschwendung zu verringern. „Machen Sie doch ein Foto von Ihrem Kühlschrank, laden Sie es in ein KI-Tool hoch und fragen Sie: Was kann ich damit machen?“, regt er an. „Das ist eine großartige Möglichkeit, Müll zu reduzieren und intelligenter zu kochen.“

Für das Fiksuruoka-Team wäre die ultimative Definition von Erfolg die Geschäftsaufgabe, denn das würde bedeuten, dass das Problem der Lebensmittelverschwendung gelöst wäre.

 Gemüse, Gourmetträume und Endzwecke

Ein lächelnder Mann stützt seinen Unterarm auf eine Stuhllehne eines gehobenen Restaurants.

Chefkoch David Alberti vom Restaurant Natura hat sich jahrelang um die Schaffung von Grundlagen für ein Restaurant bemüht, das Qualität und Verantwortung gleichermaßen schätzt.
Foto: Emilia Kangasluoma

Während Fiksuruoka vermehrt nachhaltige Gewohnheiten für Otto Normalverbraucher propagiert, bringt das Restaurant Natura in Helsinki ein ähnliches Ethos in die gehobene Gastronomie – mit bodenständiger Landwirtschaft, Wildsammlung und einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie. Sein Gründer, Küchenchef David Alberti, hat jahrelang an seinem Handwerk gefeilt und die Grundlage für ein Restaurant geschaffen, das sowohl auf Qualität als auch auf Verantwortung setzt.

„Wir haben fünf Jahre lang daran gearbeitet, bevor wir das Natura eröffnet haben“, erzählt Alberti. Auf seinem Weg dorthin klopfte er persönlich bei Gordon Ramsay an, um sich bei ihm um einen Job zu bewerben, ein unkonventioneller, aber erfolgreicher Schritt. „Ich wollte vom Besten lernen, und wusste, dass er einer der Besten ist, auch wenn die Zusammenarbeit mit ihm schwierig war“, erläutert Alberti und lacht.

Das Natura basiert auf der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit und Qualität Hand in Hand gehen. Zahlreiche Gemüsesorten des Restaurants stammen vom eigenen, nur zehn Kilometer außerhalb von Helsinki gelegenen Bauernhof, ein Projekt, das mit Albertis Suche nach Mönchskresse begann, einer vitaminreichen, essbaren Blume, die oft in Salaten verwendet wird. „Mönchskresse ist schwer zu finden und außerdem teuer, also beschloss ich, sie selbst anzubauen“, sagt er.

Nachhaltigkeit im Alltag

Eine Overhead-Aufnahme zeigt ein Gericht mit kleinen, runden Gaumenbissen, die mit schwarzer Garnitur garniert und von weißem Schaum, kleinen Blüten und winzigen Blättern umgeben sind.

Die Küche des Restaurants Natura basiert auf regionalen Produkten und kleinen Bio-Produzenten.
Foto: Emilia Kangasluoma

Die Kräuter und Beeren im Natura werden in einem Umkreis von 50 Kilometern um das Restaurant eingesammelt, und das Team arbeitet ausschließlich mit kleinen, biologischen Familienbetrieben zusammen, die es persönlich besucht hat. Wegen seinem Engagement für nachhaltige Gastronomie wurde das Natura 2022 mit einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet.

Im Natura ist Nachhaltigkeit kein nachträglicher Gedanke, sondern fester Bestandteil des täglichen Betriebs. Alberti zufolge hilft der öffentliche Nachhaltigkeitsbericht des Restaurants dabei, Praktiken wie Energierecycling, Abfallreduzierung und ethische Beschaffung zu steuern.

Prinzipien sind leichter zu befolgen, wenn sie klar definiert sind. Der Bericht enthält elf „Gebote“, die betriebliche Richtlinien festlegen, wie z. B. „Pflanzliche Optionen zu entdecken“ und „Fisch und Meeresfrüchte nachhaltig zu beschaffen“.

Ein Mann in legerer Kleidung steht in einem Speisesaal mit Holztischen und -stühlen. Im Hintergrund ist durch ein großes Fenster eine Gebäudefassade zu sehen.

Das Restaurant Natura hat sich wegen seines Engagements für nachhaltige Gastronomie einen grünen Michelin-Stern verdient.
Foto: Emilia Kangasluoma

Alberti legt außerdem Wert darauf, dass die Preise fair sind, damit mehr Menschen nachhaltig essen können. „Die Leute müssen es sich leisten können, auswärts zu essen“, sagt er. Nur so können wir sicherstellen, dass nachhaltige Entscheidungen, wie sie das Natura vertritt, Teil der alltäglichen Esskultur werden.

Von Carina Chela, Juni 2025

Eine finnische Krankenschwester will die Altenpflege revolutionieren

In Finnland arbeitet eine Krankenschwester daran, unsere Altenpflege neu zu definieren. Sanna Kosonen, eine Pionierin der Pflegefamilie für ältere Menschen, ist davon überzeugt, dass wir ein humaneres und nachhaltigeres System schaffen können, eines, das Senioren ein würdevolles Leben in einer häuslichen Umgebung ermöglicht.

Diese Vision ist mehr als nur eine lokale Initiative; sie befasst sich mit einer globalen Herausforderung. Angesichts der weltweit rapide zunehmenden Alterung der Bevölkerung bietet Kosonens innovativer Ansatz Erkenntnisse, von denen Gesellschaften weit über Finnland hinaus profitieren könnten.

Ein zweites Zuhause

Drei Personen sitzen auf einem Sofa in einem traditionell eingerichteten Wohnzimmer.

Eeva Nenonen (links), Kerttu Korhonen und Jukka Nenonen teilen den Alltag in einem familienähnlichen Pflegeheim. Korhonen, die mit Begeisterung Handarbeiten macht, hat während ihrer Aufenthalte Topflappen gestrickt.

Eine Reise nach Kitee, einer Kleinstadt im östlichsten Teil von Finnland, eingebettet zwischen üppigen Wäldern und friedlichen Seen, ist, als würde man in eine Postkarte steigen. Hier hat sich das Modell der familiennahen Pflege etabliert und bietet eine Alternative zu den traditionellen Altersheimen.

Ein leuchtendes Beispiel dafür ist das Altenpflegefamilienheim Nenonen. Das gelbe Holzhaus liegt an einer Landstraße, umgeben von Feldern und Wäldern; es stellt einen Rückzugsort für seine älteren Bewohner dar. Im gemütlichen Wohnzimmer schaut die 87-jährige Kerttu Korhonen „Wer wird Millionär?“, ihren Rollator in Reichweite. Zwei Wochen im Monat verbringt sie hier, um dann wieder in ihr Haus im Nachbarort zurückzukehren.

„Es ist wunderbar hier“, sagt sie. „Die Zeit vergeht hier auf so angenehme Weise.“

Ein Tisch mit Zimmerpflanzen, Büchern, einem Fernglas, einer Fliegenklatsche und einem Kalender.

Pflegeeltern bauen oft eine enge Bindung zu den älteren Menschen auf, die sie betreuen. Gespräche über den Tod sind nichts Ungewöhnliches, da die Pflegekräfte bestrebt sind, den Wünschen jedes Bewohners nach einem guten Tod nachzukommen.

In der Küche rührt Pflegemutter Eeva Nenonen einen Topf Hühnersuppe um, während ihr Mann Jukka von seinem kürzlichen Angelausflug erzählt. Große Fenster bieten einen Blick auf die Felder und den Kitee-See. Für die Bewohner fühlt sich die Atmosphäre ruhig und vertraut an, eher wie bei einem Familientreffen als in einer Pflegeeinrichtung.

Das Altenpflegefamilien-Modell

Eine ältere Frau geht mit einem Rollator durch ein Wohnzimmer.

Das Pflegefamilienheim Nenonen bietet Platz für vier ältere Bewohner bzw. Bewohnerinnen. Jukka und Eeva Nenonen nehmen sich jeden Monat zwei Wochen frei, um sich zu entspannen und angeln zu gehen.

Die von Sanna Kosonen gemeinsam mit dem finnischen Pflegefamilienverband initiierte Altenpflegefamilie bietet älteren Menschen die Möglichkeit, in einem familienähnlichen Umfeld zu leben. Pflegepersonen öffnen ihnen ihre Häuser und bieten Kurz- oder Langzeitaufenthalte an oder besuchen ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden.

Für Pflegeeltern wie Eeva und Jukka Nenonen brachte dieses Arrangement eine Wende. Nachdem ihre fünf Töchter das Haus verlassen hatten, baute das Ehepaar sein Haus für die Unterbringung älterer Menschen um. Sie statteten die Schlafzimmer mit seniorengerechten Betten und Notrufknöpfen aus. Der Grundriss des Hauses, der bereits barrierefrei gestaltet war, erforderte nur geringfügige Anpassungen.

Ein gelbes Haus steht auf einem kleinen Hügel, im Vordergrund eine grüne Wiese.

Altenpflegefamilienheime sind in vielen Gegenden Finnlands so beliebt, dass es dort nicht genügend Plätze für Senioren gibt. Neue Pflegeeltern werden dringend gesucht.

Ein Mann und zwei Frauen lächeln in einem gemütlichen Wohnzimmer.

Jukka Nenonen, Kerttu Korhonen und Eeva Nenonen kennen sich seit einem Jahr. Korhonen besuchte uns zunächst für einen kurzen Aufenthalt, der sich nach einem reibungslosen Ablauf bald zu einem längeren Aufenthalt entwickelte.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Bewohner erhalten individuelle Betreuung, tägliche Gesellschaft und ein neues Zugehörigkeitsgefühl.

„Ältere Menschen fühlen sich oft als Last“, erläutert Kosonen. „Wir müssen diese Denkweise ändern. Altern ist keine Krankheit. Jeder verdient ein sinnvolles Leben, auch im Alter.“

Das Modell animiert die Bewohner dazu, am täglichen Leben teilzunehmen – beim Essen zu helfen, den Tisch zu decken oder einfach die Gesellschaft anderer zu genießen. Dies fördert sowohl das körperliche als auch das emotionale Wohlbefinden. Viele erleben eine tiefgreifende Veränderung und gewinnen Vitalität und Freude zurück.

„Einer unserer Bewohner sagte, er wünschte, er wäre schon vor Jahren hierhergekommen“, erzählt Eeva Nenonen.

Die Natur wiederentdecken

Eine Frau steht in einem Birkenwald.

Im Laufe von etwa fünfzehn Jahren hat Kosonen Hunderte von Pflegeeltern ausgebildet und zahlreiche Pflegefamilienheime unterstützt.

Die Natur spielt in Kosonens Vision eine zentrale Rolle.

„Warum sollte diese Verbundenheit im Alter enden, wenn man sein ganzes Leben lang naturverbunden gelebt hat?“, fragt sie.

In Pflegeheimen wie dem der Nenonens können älteren Bewohner wieder Kontakt zur Natur aufnehmen, sei es beim Beerenpflücken, Angeln oder am Lagerfeuer. Selbst einfache Vergnügungen wie der Geschmack frischer Himbeeren oder der Duft von Flieder können bei Demenzkranken schöne Erinnerungen wachrufen.

„Einmal sagte mir ein Bewohner: ‚Im Wald muss man keine Angst haben, Fehler zu machen‘“, erinnert sich Kosonen.

Eine wachsende Bewegung

Eine Frau steht an einem See.

Kosonen plädiert für die Spezialisierung von Krankenschwestern- und Krankenpflegern. Eine Krankenschwester, die speziell zur Altenpflegefamilienkraft ausgebildet wurde, kann sowohl den Betreuern als auch den Betreuten besser beistehen.

Derzeit gibt es in Finnland etwa 250 Familienpflegeheime für ältere Menschen, und ihre Zahl wächst stetig. 2021 profitierten über 3.300 ältere Menschen von diesem Modell, unterstützt von Tausenden von Pflegekräften. Kosonen hat das Konzept auch Kollegen in Estland und Sambia vorgestellt und damit gezeigt, dass es kulturübergreifend anwendbar ist.

„Finnland wurde bereits als Labor für das Altern bezeichnet“, stellt Kosonen fest. „Wir können andere inspirieren, indem wir zeigen, wie lebenswertes Altern in einer altersgerechten Gesellschaft aussieht. Wir haben einen hohen Anteil an älteren Menschen und müssen nun dafür sorgen, dass sie ein gutes, sinnvolles Leben als Teil einer Gemeinschaft führen können.“

Für Kosonen ist diese Mission eine sehr persönliche Aufgabe. Ihre eigene Großmutter setzte sich für die Familienpflege älterer Menschen ein und wurde später selbst Bewohnerin eines solchen Heims. Kosonen begleitete sie bis zu ihren letzten Tagen.

„Als ihre Zeit gekommen war, sagte sie mir, ich sei genau da, wo man mich brauche“, erzählt Kosonen.

Eine globale Vision

Eine Frau lächelt in die Kamera und lehnt sich an einer Birke im Wald.

Kosonen hofft, dass Kranken- und Altenfamilienpflege zusammenwirken um eine bessere Unterstützung für Senioren zu gewährleisten.

Kosonens Arbeit findet zunehmend Anerkennung. Im Juni 2025 war Finnland in Helsinki Gastgeber des Weltkongresses des International Council of Nurses (des Internationalen Krankenschwesternrats, kurz ICN). Fast 6.500 Krankenschwestern und -Pfleger aus aller Welt versammelten sich dort, um Ideen auszutauschen.

Ihr gemeinsam mit dem finnischen Pflegefamilienverband entwickeltes Modell ist ein lebendiger Beweis dafür, was eine liebevolle, gemeinschaftsbezogene Pflege leisten kann. Es ist die Vision für eine Zukunft, in der Altern nicht nur Überleben, sondern Aufblühen bedeutet – in Würde, Verbundenheit, mit Lebensfreude.

Text und Fotos von Emilia Kangasluoma, Juni 2025

Magie liegt in der finnischen Sommerluft

Der Sommer in Finnland ist definitiv einzigartig: intensiv und sehnlichst erwartet, einfach atemberaubend schön. Er ist es wert, gefeiert zu werden, und genau das machen die Finnen: Sie treffen sich, um das lange Tageslicht sowie die Freiheit der Sommerfestivals landesweit zu genießen. In Städten, auf Inseln, an Seeufern und sogar auf den Fjälls werden Events  mit fröhlichen Menschen, herrlichem Essen, Livemusik und Kunstspektakeln veranstaltet.

Es liegt zweifellos Magie in der Luft. Aki Roukala, Festivalveranstalter und zeitgenössischer Künstler, hat sie in alternativen Boutique-Festivals wie dem Bättre Folk, das auf der malerischen Insel Hailuoto stattfindet, sowie mit dem Festivaali in Tampere eingefangen. Als Creative Director beider Festivals ist er für das Kuratieren der Künstlerauftritte verantwortlich, die Musikliebhaber gleichermaßen zufriedenstellen und überraschen. Das sei es, wodurch die Szene frisch und originell gehalten werde, findet er.

„Finnland ist weltweit nicht für große Popstars bekannt“, sagt Roukala. „Wir müssen nicht dem Druck der globalen Popmusik-Industrie standhalten. Wir hatten die Zeit und den Raum, um alternative Musiker und Bands zu fördern. Für mich sind diese viel interessantere Headliners als einige bekanntere Künstler.“

Es geht nichts
über den Standort

Eine große Menschenmenge auf einem Festivalgelände bei Sonnenschein.

Ruisrock in Turku
Foto: Riikka Vaahtera

Alternative Festivals sind in Finnland nach wie vor marginal, da Hauptevents ein größeres Publikum anziehen und mehr Gewinn einbringen. Während das intimere Bättre Folk täglich etwa 3.000 Besucher anlockt (und beinahe jeden Sommer ausverkauft ist), zieht Ruisrock auf der Insel Ruissalo in Turku jährlich mehr als 100.000 Besucher an. Es ist das zweitälteste Rockfestival in Europa und wird seit 1970 organisiert.

Aufgrund seines Programms könnte man Ruisrock als Mainstream bezeichnen, aber die Kulisse ist alles andere als gewöhnlich. Die Hauptbühne befindet sich an einem von offenem Gewässer umgebenen Sandstrand, und hat etwas Einmaliges, wenn Tausende von Menschen lächelnd und winkend riesige Kreuzfahrtschiffe grüßen, die auf ihrem Weg nach Schweden vorbeifahren.

„Die Menschen verbringen ganze Tage auf dem Festivalgelände. Da muss man den Festivalbesuchern schon Respekt zollen: Alles, vom Standort bis hin zum Essen, muss einen Mehrwert für das Erlebnis schaffen“, sagt Roukala.

Wie an den Stränden von Ruissalo zu erkennen ist, spielt die Lage eine wesentliche Rolle, um die magische und manchmal sogar schräge Atmosphäre der finnischen Sommerfestivals zu schaffen – von felsigen Schluchten über mittelalterliche Burgen bis hin zu urbanen Gebieten, umgeben von DIY-Skate-Rampen, Eisbahnen oder Parkplätzen.

Original-Acts,
die man nur hier findet

Eine große Menschenmenge vergnügt sich bei Festivalmusik in einem nächtlichen städtischen Rahmen.

Flow Festival in HelsinkiFoto: Samuli Pentti

Während sich größere und traditionellere Festivals etabliert haben, bleibt stets Raum für das Entstehen neuer Festivals. Es entstehen jede paar Jahre neue Festivals, manchmal nur für einen Sommer. Einige Festivals engagieren nur Künstler, die auf Finnisch auftreten. Dazu tendiert Aki Roukala.

„Für ausländische Festivalbesucher klingt unsere Sprache exotisch und interessant. Das trägt zur Originalität der finnischen Kulturveranstaltungen bei.

Ich verstehe nicht, warum man die Welt nicht mit einem Auftritt auf Finnisch erobern könnte.“ Mit der Gemeinschaftlichkeit und dem Ambiente stehe und falle ein Event, sagt Roukala.

„Der Creative Director kuratiert das Programm, das Programm bestimmt das Publikum, und das Publikum sorgt für die Atmosphäre“, fasst er zusammen.

Und es ist nicht schwierig, unter der Mitternachtssonne – oder im sanften Schleier der Abenddämmerung, die direkt in die Morgendämmerung übergeht – eine magische Atmosphäre zu schaffen. Denn der einzige Ort, an dem man sein muss, der ist, wo man sich gerade befindet, inmitten von Menschen, die alle hier sind, um zu genießen.

Von Kristiina Ella Markkanen, ThisisFINLAND Magazine

Wo der Himmel spricht: Finnlands Südspitze ist ein Paradies für Vogelbeobachter

Ein Zaunkönig zwitschert im Erlenhain. Biologe Aki Aintila hält inne, sein Blick wird instinktiv von den Lauten angezogen. Er entdeckt den kleinen Vogel, der auf einem knorrigen Ast eines alten Baumes sitzt.

Momente wie diese haben sein Leben geprägt, das mit dem jahrhundertealten Wald an Finnlands südlichster Spitze verwurzelt ist. Dieser gehört zum Uddskatan-Naturschutzgebiet, das im Frühling und Herbst stets eine wichtige Zwischenstation für Hunderttausende von Zugvögeln ist. Im Herzen dieses natürlichen Knotenpunkts befindet sich die Hankoer Vogelwarte. Dort erforschen Aintila und sein Team schon seit Jahrzehnten Migrationsmuster und versuchen, herauszufinden, wie Umweltveränderungen die Vogelzüge beeinflussen.

Der Weg durch das Reservat führt zu den roten Holzwänden der Hankoer-Vogelwarte, die auf einem Felsvorsprung steht. Das Meer glitzert im Sonnenlicht, während ein Buchfink den Weg entlang hüpft. Aintilas Gesicht wird weicher, als er das alles in sich aufnimmt.

„Es ist, als käme ich nach Hause“, sagt er.

Das Herz der Vogelwarte

Ein rotes Häuschen steht auf einer Waldlichtung in Südfinnland; es ist umgeben von kahlen Bäumen im frühen Frühling.

Bei der Vogelwarte gibt es auch eine Sauna und einen Arbeitsbereich für das Beringen von Vögeln.

Die Hankoer Vogelwarte, auch Halias genannt, wurde 1979 vom ornithologischen Verein Tringa des Großraums Helsinki gegründet. Der Verein erwarb eine alte Holzhütte, die ursprünglich in den 1920er Jahren von einer Fischerfamilie gebaut worden war. Heute ist sie das Zentrum für bahnbrechende Vogelbeobachtung und -forschung.

Das Innere der Hütte ist einfach, aber zweckmäßig: eine kleine Küche mit den wichtigsten Utensilien, ein Schlafzimmer mit drei Etagenbetten und Regalen voller ornithologischer Bücher. Das Fehlen von fließendem Wasser und die Abhängigkeit von einer Sauna, um sich zu waschen, unterstreichen den rustikalen Charme der Unterkunft.

Im dunklen Inneren eines Häuschens rahmt ein helles Küchenfenster das sonnenbeschienene Gras und den Himmel draußen ein.

In der Hankoer Vogelwarte dauert die Frühjahrsbeobachtung von Anfang März bis Mitte Juni, die Herbstbeobachtung von Mitte Juli bis Mitte November.

Auf einem mit Ordnern und Dokumenten gefüllten Bücherregal schmücken zwei Lampen, hölzerne Entenfiguren, ein gerahmtes Mottendisplay und andere kleine Dekorationsgegenstände die Oberseite.

Im Frühling sieht das Observatorium mehr Wasservögel, die keine Angst davor haben, das Meer zu überqueren. Im Herbst richtet sich der Blick auf Land- und Greifvögel, die vom Festland herkommen.

Aintila holt Roggenbrot und Käse für das Mittagessen heraus, und schon bald öffnet sich die quietschende Tür, um Pekka Mäkelä, der Vögel beringt hat, und Juho Tirkkonen, einen Mitarbeiter des öffentlichen Diensts, hereinzulassen. Sie unterhalten sich sofort über die Beobachtungen des Tages, ein alltägliches Ereignis im Halias.

Aintilas bisheriger Lebensweg begann in seiner Kindheit, als sein Großvater ihm ein Abonnement für eine Wildtierzeitschrift schenkte. Eine Ausgabe enthielt einen Artikel über Vogelbeobachtungen, begleitet von einem atemberaubenden Foto einer Schneeeule.

„So fing alles an“, erinnert sich Aintila.

Seine Faszination für Vögel entwickelte sich zu einer Karriere in der Biologie, und seit 2019 ist er nebenberuflich als Vogelbeobachter im Halias tätig und verbringt mehr Zeit in Hanko als zu Hause in Helsinki.

Zeuge der Veränderungen in den Lüften

Auf einer Observationsplattform aus Holz und Stein, die über die umliegenden Baumwipfel hinausragt, blickt ein Mann durch ein Vogelbeobachtungsfernrohr.

Der Naturpfad zur Vogelstation und ihrem Vogelbeobachtungsturm verläuft nördlich des Außenhafens von Hanko.

Es ist Zeit, den Felsvorsprung zu erklimmen und in die Ferne zu blicken. Aintila führt uns zu einer alten Feuerwache aus dem Zweiten Weltkrieg, die in alle Richtungen eine überwältigende Aussicht bietet.

Das Meer schwappt sanft ans Ufer, und in der Ferne erahnt man gerade noch den Blick auf Bengtskär, den höchsten Leuchtturm Skandinaviens.

Die weite Aussicht zeigt Eiderenten und Eisenten, die auf dem Meer treiben, einen Seeadler, der über ihnen kreist, und einen Zwergsäger, der in Ufernähe paddelt. Diese Bilder sind mehr als nur Routine; sie sind Datenpunkte in einer größeren Umbruchgeschichte.

Eine Illustration zweier Zwergsäger: das Männchen mit auffälligem schwarz-weißem Gefieder und das Weibchen in gedeckten Braun- und Grautönen.

Das Zugverhalten des Zwergsägers (Mergellus albellus) hat sich während der Beobachtungszeit der Vogelwarte verändert, da deutlich mehr Vögel auf der Hanko-Halbinsel überwintern als zuvor.

„Die Beobachtungen von Zwergsägern in der Vogelwarte haben im Observierungszeitraum um über 800 Prozent zugenommen“, erklärt Aintila.

Jahrzehntelange standardisierte Observationen haben gezeigt, dass viele Arten aufgrund wärmerer Frühlinge früher migrieren, während sich die Herbstzüge teilweise hinauszögern. Diese zeitliche Verschiebung, so Aintila, stellt eine tiefgreifende Störung der Ökosysteme dar. Vögel, die zu früh eintreffen, können tödlichen Kälteeinbrüchen ausgesetzt sein, was ihre Überlebenschancen und die Chance auf erfolgreiches Nisten verringert.

Das Ergebnis langzeitiger Beobachtung

Vogelbeobachtungsnetze hängen an Holzpfählen zwischen niedrigen Sträuchern auf einem Felsvorsprung.

Finnland ist international bekannt für seine große Gemeinschaft von Vogelliebhabern. Jedes Jahr markieren rund 700 aktive Vogelberinger über 200.000 Vögel in Finnland.

Seit der Gründung der Vogelwarte führen Freiwillige gewissenhafte Beobachtungen nach standardisierten Methoden durch. Unabhängig vom Wetter klettert jemand jeden Morgen vor Sonnenaufgang auf den Feuerwachturm, um während der vierstündigen Observierungszeit die Vögel zu zählen. Netze werden für eine fünfstündige Beringungsaktion geöffnet, eine Methode, bei der Vögel vorsichtig eingefangen, mit leichten Identifikationsringen versehen und wieder freigelassen werden. Arten in nahegelegenen Meeresgebieten werden ebenfalls dokumentiert.

Manche Tage sind sehr anstrengend: Zehntausende Vögel können an einem einzigen Tag über Hanko fliegen, oder Tausende müssen beringt werden.

Trotz der Herausforderungen erzählt Aintila, wie er stets Ehrfurcht empfand, wenn er Zeuge außergewöhnlicher Vogelzüge wurde, etwa als in einem Herbst an einem einzigen Tag über 220.000 Finken über ihm hinweg zogen.

„Ich war wie auf Autopilot und versuchte nur zu verarbeiten, was meine Augen sahen, und es zu Papier zu bringen. Der Schock traf mich erst später“, sagt er.

Eiderenten ruhen sich auf einem felsigen Strand aus, observiert durch den runden Rahmen eines Vogelbeobachtungsobjektivs.

Die Artenvielfalt in Hanko ist bemerkenswert. Ende April wurden an einem einzigen Tag in der Nähe der Beobachtungsstation 112 verschiedene Arten registriert.

Ein Mann, der für kaltes Wetter gekleidet ist, lehnt an einer Kiefer und lacht, während die Sonne sein Gesicht wärmt.

Desweilen sind die Wetterbedingungen für die Vogelbeobachtung so perfekt, dass der Schlaf dem Warten auf das Erscheinen der Schwärme am Himmel untergeordnet wird.

2023 erlebte Aintila einen weiteren unvergesslichen Augenblick. Als Leiter einer Gruppe junger Vogelbeobachter entdeckte er aus acht Kilometern Entfernung einen Vogel, eine Spezies, die in Hanko noch nie zuvor gesehen worden war.

„Ich rief: ‚Basstölpel! Basstölpel! Mein Gott, da ist ein Basstölpel!‘“, erinnert er sich lachend.

Basstölpel sind große Seevögel, die für ihr auffallend weißes Gefieder, ihre Flügel mit schwarz gefiederten Spitzen und ihre dramatischen Sturzflüge bekannt sind. Normalerweise sind sie im Atlantik anzutreffen, weshalb ihr Auftauchen in der Ostsee eine seltene, aufregende Überraschung ist.

Der Vogel blieb lange genug im Blickfeld, damit alle ihn bestaunen konnten, bevor er wieder am Horizont verschwand.

„Es war unglaublich“, sagt er, immer noch zitternd bei der Erinnerung.

Sensible Ökosysteme, unerschütterliches Engagement

Abbildung eines Rotkehlchens mit leuchtend roter Brust, weißem Bauch und braunen Flügeln.

Das Rotkehlchen (Erithacus rubecula) ist eine in Finnland weit verbreitete Vogelart. Es zieht jedes Frühjahr aus Südeuropa nach Finnland.

Beim Streifzeug durch den Küstenwald auf der sandigen Landzunge Gåsörsudden zeigt Aintila auf ein Rotkehlchen mit auffällig orangefarbener Brust und einen Steinschmätzer, der auf einem Felsen hockt. Seine Beobachtungsgabe hat sich über Jahrzehnte verfeinert.

Für Aintila ist Vogelbeobachtung eine Kombination aus Entdeckung und der Freude am Zustandekommen.

„Das sind universelle Aspekte der Vogelbeobachtung, die auch einen urtümlichen Jäger- und Sammlerinstinkt zu befriedigen scheinen“, erklärt Aintila.

Er macht sich Gedanken über die Vernetzung von Ökosystemen. Vögel dienen nicht nur der Faszination, sondern sind auch Indikatoren für die Gesundheit der Umwelt. Ein Vogel, der zur falschen Zeit eintrifft, kann ganze Nahrungsketten durcheinander bringen.

„Jede Beobachtung trägt dazu bei, diese Umwälzungen zu verstehen“, sagt er und hebt sein Fernglas, um den Horizont abzusuchen.

An der Spitze der Halbinsel steht ein Austernfischerpaar am Wasser. Aintila bemerkt, dass der älteste, beringte Austernfischer Europas über 40 Jahre alt wurde. Wie viel von der Welt mag ein so kleiner Vogel gesehen haben?

Eine Brandgans schwimmt vor der Spitze der Sandbank. Eine Flussseeschwalbe schwirrt tief über dem Wasser. Es ist beruhigend zu wissen, dass sich die Vogelbeobachtung in Hanko seit den 1970er Jahren trotz gesellschaftlicher und technologischer Weiterentwicklungen nicht verändert hat. Traditionelle Methoden sind immer noch die besten.

Ein Mann, umgeben von Kiefernnadeln und kahlen Ästen, streift mit einem Vogelbeobachtungsobjektiv über der Schulter, das auf einem Stativ befestigt ist, durch einen frühlingshaften Wald.

Aki Aintila besuchte die Hankoer Vogelwarte erstmals Anfang der 2000er Jahre.

Ein Rabe krächzt in der Ferne, und Aintila lächelt.

Es ist Zeit, zurückzukehren.

Text und Fotos von Emilia Kangasluoma, Juni 2025

Illustrationen von Eveliina Rummukainen