Zugänglich für alle. Leicht erreichbar. Keine Vorkenntnisse erforderlich. Pädagogisch wertvoll. Viele beliebte Freizeitaktivitäten zeichnen sich durch all diese Vorzüge aus und erfüllen daher eine wichtige soziale Funktion. Seit einigen Jahrzehnten setzt Finnland bewusst auf Hobbys, um die Menschen zu einer aktiven und gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung anzuregen.
In diversen Umfragen gaben etwa 90 % der Finnen aller Altersgruppen und sogar 96 % der unter 10-Jährigen an, ein Hobby zu haben. Etwa 60 % der 9- bis 15-Jährigen sind aktive Mitglieder in Sportvereinen. Erwachsene dagegen entscheiden sich öfter für Solo-Sportarten wie Radfahren, Laufen oder Schwimmen.
Auch soziale Kompetenz
„Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verlief unsere Transformation von einer ländlichen in eine moderne Gesellschaft außerordentlich schnell“, so Mikko Salasuo, leitender Wissenschaftler bei der Youth Research Society.
„In der traditionellen Agrargesellschaft erzog das ganze Dorf gemeinsam Kinder zu verantwortungsbewussten Erwachsenen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Sorge um das gesellschaftliche Engagement der jüngeren Generation. In dieser Situation wurde auf nationaler Ebene die Entscheidung getroffen, die staatsbürgerliche Einstellung und die sozialen Fähigkeiten der Jugend durch Hobbys zu fördern.“
Sport, Musik und mehr
Nach dem Krieg riefen die Regierung und eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen gemeinsam ein landesweites Projekt zur politischen Bildung ins Leben, das der Staat finanziell unterstützte. Die Zeichen dieses nationalen Ethos politischer Bildung sind nach wie vor im ganzen Land zu erkennen – in Form von Hobbys, die von NGOs und Verbänden für sämtliche Altersgruppen angeboten werden.
„Der finnische Staat und die Kommunen unterstützen Freizeitaktivitäten jedes Jahr mit erheblichen Investitionen. Diverse Sportvereine, Jugendorganisationen wie die Pfadfinder und Einrichtungen, die künstlerische Grundkenntnisse vermitteln, beispielsweise Musikschulen, erhalten vielfältige direkte und indirekte Subventionen sowie Fördermittel für ihre Räumlichkeiten, die sich auf mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr belaufen“, erläutert Salasuo.
Chancengleichheit und Wohlbefinden gehen Hand in Hand
Das nationale Modell wird derzeit im Hinblick auf Chancengleichheit für alle überarbeitet. Etliche Freizeitaktivitäten sind teuer geworden und damit nicht mehr für jeden zugänglich.
„In vielen Fällen hat das Exzellenz-Ethos die anfänglichen Prioritäten – soziale Interaktion, politische Bildung und Chancengleichheit – verdrängt“, sagt Salasuo.
Mittlerweile werden Zweifel laut, ob teure oder stark auf Wettbewerb ausgerichtete Hobbys tatsächlich das Wohlbefinden steigern oder die soziale Teilhabe jüngerer Menschen und Familien fördern. Außerdem wächst die Forderung nach Hobbys in der Schule, denen im Sinne der Inklusion alle Kinder nachgehen können.
Ob Regen oder Sonnenschein
Salasuo gehört zum Arbeitskreis dieses neuen Hobbymodells: Alle Kinder und Jugendlichen sollen die Möglichkeit bekommen, an ihren Schulen kostenlos Freizeitaktivitäten auszuüben. Zuständig für dieses Modell ist das Ministerium für Bildung und Kultur, wobei das Wohlergehen und die Rechte der Kinder im Mittelpunkt stehen. Diesmal können sich die Kinder und Jugendlichen selbst Gehör verschaffen. Ganz oben auf ihrer Wunschliste stehen Hobbys wie Parkour, Klettern, Kochen, Tiere und bildende Kunst. Die Pilotphase des finnischen Hobbymodells erreichte im Frühjahr 2021 mehr als 200.000 Kinder und Jugendliche.
Hobbys im weiteren Sinne gelten als unentbehrlich, um das Wohlbefinden aller Altersgruppen zu steigern. Statt abends lange Überstunden zu machen, halten sich die Menschen eher im Freien auf und sind aktiv, ob Regen oder Sonnenschein. Und nicht zuletzt erlernen sie neue Fähigkeiten. Auch Lesen, Spiele, Musik und verschiedene handwerkliche Techniken wie Stricken und Holzarbeiten sind beliebt. Wollen Sie Finnen treffen und kennenlernen? Dann versuchen Sie sich doch einfach an einer neuen Fertigkeit oder wählen aus dem umfangreichen Kursangebot der Volkshochschulen etwas Passendes aus.
Von Minna Takkunen, ThisisFINLAND Magazine 2022