Martti Ahtisaari 1937–2023

Die Durchsetzung friedlicher Lösungen brachte Finnlands Ex-Präsidenten Martti Ahtisaari den Nobelpreis

Der ehemalige finnische Präsident Martti Ahtisaari, der 2008 für seine brillante Tätigkeit als Verhandlungsführer und Diplomat mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist am 16. Oktober 2023 gestorben.

Der finnische Spitzendiplomat und Vermittler Martti Ahtisaari (1937 – 2023) erhielt 2008 den Friedensnobelpreis für seine Verdienste und unermüdlichen Bemühungen um Konfliktlösungen in Namibia, im Balkan, in Aceh und anderen Krisengebieten.

Jahre lang trug der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari dazu bei, Konflikte in Afrika, Asien und Europa einer Lösung zuzuführen. Sein unermüdlicher Einsatz für den Frieden wurde 2008 mit dem Friedensnobelpreis belohnt.

Ahtisaari, der von 1994 bis 2000 Präsident Finnlands gewesen war, hatte mehr im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit gestanden als jeder andere Finne in jüngster Vergangenheit, was später nur noch mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Sanna Marin verglichen werden konnte, die von 2019 bis 2023 amtierte. Nach seiner Amtszeit gründete Ahtisaari die Crisis Management Initiative (CMI), wo er als Vorstandsvorsitzender fungierte.

Ruf ohne Fehl und Tadel

Mehrere Männer und Frauen in Geschäftskleidung sitzen lächelnd da.

Präsident Ahtisaari nahm im Juli 2017 an einer Sitzung des Gemeinsamen Lenkungsausschusses des Projekts „Mediation Support Capacity“ der Afrikanischen Union in Helsinki teil.Foto: Riku Isohella/CMI

Unter Diplomaten, Journalisten und bei Menschen, die ihn persönlich kannten, galt Ahtisaari als unverblümter, leicht zugänglicher und rücksichtsvoller Mensch. In den multikulturellen Kreisen der Vereinten Nationen genoss er bei vielen Nationalitäten und auf vielen Ebenen der Organisationshierarchie Anerkennung.

Als guter, pragmatischer Vermittler setzte er seinen gesunden finnischen Menschenverstand ein und redete Klartext. Doch wenn nötig, konnte er auch unnachgiebig sein und rücksichtslos unbequeme Wahrheiten aussprechen, selbst wenn er dabei Gefahr lief, jemandes Ego zu verletzen.

Er war bekannt dafür, seine Mitarbeiter über bestimmte Probleme diskutieren zu lassen und ihnen still zuzuhören, um dann die Ideen herauszufiltern, die sich für einen erfolgsversprechenden Vermittlungsvorschlag verwerten ließen. Mit dieser Methode wollte er sicherzustellen, dass kein Aspekt außer Acht gelassen wurde.

Vom Lehrer zum Diplomaten

1937 in Wyborg geboren, das damals Teil Finnisch-Kareliens war, ist Martti Ahtisaari für seine Rolle bei der Konfliktlösung im Kosovo, in Aceh und Namibia bekannt.Foto: Janne Mikkilä/ Studio Blick, © CMI

Martti Oiva Kalevi Ahtisaari wurde 1937 in Wyborg geboren, einer Stadt am Finnischen Meerbusen, die bis 1940 finnisch war und dann von der Sowjetunion annektiert wurde. Nachdem er seinen Wehrdienst absolviert hatte, wurde er in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Volksschullehrer, ein Beruf, den er in Finnland und Pakistan ausübte.

Von 1965 bis 1973 arbeitete Ahtisaari in der Abteilung für internationale Entwicklungszusammenarbeit des finnischen Auswärtigen Amts. 1973 wurde er zum Botschafter in Tansania ernannt, zugleich war er auch in Sambia, Somalia und Mosambik als Botschafter akkreditiert.

Von da an spielte er, – um das norwegische Nobelkomitee zu zitieren –, „eine prominente Rolle bei den Bemühungen um die Lösung etlicher ernster und lang anhaltender Konflikte“. In Tansania erwarb er sich den Ruf als Kenner afrikanischer Politik.

Auf Vorschlag der afrikanischen Staats-und Regierungschefs wurde er 1977 vom UN-Generalsekretär zum UN-Kommissar für Namibia ernannt und im Jahr darauf zu seinem Sonderbeauftragten für Namibia.

Bei der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises 2008 würdigte das Nobelkomitee denn auch Ahtisaaris wichtige Rolle bei der Schaffung von Namibias Unabhängigkeit in den Jahren zwischen 1989 und 1990.

Im namibischen Unabhängigkeitsprozess war es Ahtisaaris Aufgabe, die vielfach divergierenden Bestrebungen der UN, Südafrikas, der namibischen Befreiungsorganisation SWAPO, der westlichen Länder und der Sowjetunion unter einen Hut zu bringen und zu einem für alle akzeptablen Vertrag zu bündeln. Es dauerte viele Jahre, ehe sich alle Teile des Puzzles zusammenfügten.

Die Herausforderung Kosovo

Mehrere Menschen mit Regenschirmen warten darauf, dass ein Mann aus einem Auto steigt, auf dem die Abkürzung für „Vereinte Nationen“ steht.

Martti Ahtisaari steigt aus einem UN-Fahrzeug aus, nachdem er im November 2005 vor entscheidenden Verhandlungen zu einem Informationsbesuch im UN-Hauptquartier in Pristina, Kosovo, angekommen ist.Foto: Visar Kryeziu/AP/Lehtikuva

Unter besonders schwierigen Umständen arbeitete Ahtisaari 1999 Pläne zur Lösung des Kosovo-Konflikts aus. Es war ein Völkermord im Gange, und die NATO-Staaten versuchten, Jugoslawien mit einer ausgedehnten Bombardierung zum Einlenken zu zwingen. Doch das reichte nicht, diplomatische Anstrengungen waren erforderlich.

Es galt, die Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Verbündeten sowie Russland und Jugoslawiens zu einer vertraglichen Lösung zu bewegen, die ihre Mindestforderungen auf einen Nenner brachte, so dass alle Seiten ihr Gesicht wahren konnten. Im Herbst 2005 leitete Ahtisaari dann Gespräche über die außerordentlich komplexe Frage des künftigen Status des Kosovo ein.

Frieden von Aceh

In einem herrschaftlichen Raum schütteln sich zwei Männer die Hände, während ein anderer Mann zustimmend seine Hände auf ihre gelegt hat. Im Hintergrund sitzt eine Ansammlung von Dutzenden Menschen.

Martti Ahtisaari und seine Crisis Management Initiative (CMI) spielten eine maßgebliche Rolle bei der Lösungsfindung im komplexen Konflikt der nach Unabhängigkeit strebenden indonesischen Provinz Aceh.Foto: Jenni-Justiina Niemi/CMI

Das Nobelkomitee erinnerte daran, dass Ahtisaari und seine Crisis Management Initiative (CMI) 2005 auch eine maßgebliche Rolle bei der Lösungsfindung im komplexen Konflikt der nach Unabhängigkeit strebenden indonesischen Provinz Aceh gespielt hatten. Die CMI war hinzugezogen worden, um die Gespräche zwischen der indonesischen Regierung und der Bewegung Freies Aceh (GAM) zu erleichtern.

Die erste Gesprächsrunde fand im Januar 2005 in Helsinki statt. Weitere Runden folgten. Die CMI arbeitete einen Entwurf für eine Absichtserklärung aus, die die Grundlage für die fünfte Begegnung im Juli bildete. Am 15. August 2005 wurde das Friedensabkommen unterzeichnet. Auch in der Implementierungsphase des Abkommens kam der CMI eine eigene Rolle zu.

Jede Münze hat mehrere Seiten

Ein Mann im Anzug sitzt an einem Schreibtisch und ordnet einen Stapel Papiere.

Ahtisaari leistete auf der ganzen Welt in herausfordernden Situationen einen bedeutenden Beitrag zur Beilegung von Konflikten.Foto: Tomas Whitehouse/CMI

Ahtisaari leiste ebenfalls wertvolle Beiträge zur Beilegung von Konflikten im Irak, in Nordirland, Zentralasien und am Horn von Afrika. Mit seinen Entwürfen zur Lösung internationaler Probleme machte er sich natürlich nicht immer bei allen lieb Kind.

Besonders seine Vorschläge für den Status des Kosovo brachten ihm von einigen Seiten Anfeindungen ein. Juri Derjabin, ein bedeutender russischer Diplomat und ehemaliger russischer Botschafter in Finnland, schrieb in der finnischen Zeitung „Kaleva“, dass Ahtisaari für die von ihm geleiteten Verhandlungen über das Kosovo nicht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden sei.

Deryabin brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Ahtisaari ernsthaft versucht habe, die Sache des Friedens im Kosovo voranzutreiben, und fügte hinzu, dass er bezweifle, ob Kritiker Ahtisaaris Vorschläge für dieses Gebiet überhaupt gelesen hätten. Ahtisaari hatte eine „bedingte“ Unabhängigkeit des Kosovo vorgeschlagen, die der serbischen Minderheit weitreichende Rechte eingeräumt hätte.

Die Lorbeeren

Ein weißer und ein schwarzer Mann, beide in Anzug und Krawatte, lächeln in die Kamera.

Präsident Ahtisaari und sein guter Freund, der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, trafen sich 2017 bei einem CMI-Seminar in Helsinki wieder.Foto: Riku Isohella/CMI

Zwischen seinen Einsätzen in Namibia und dem Kosovo war Ahtisaari als UN-Untergeneralsekretär mit der Verantwortung für das Ressort Verwaltung und Management, als Staatssekretär im finnischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und als Vorsitzender der UN-Arbeitsgruppe Bosnien-Herzegowina der internationalen Jugoslawienkonferenz tätig.

Er war Vorstandsmitglied des New Yorker EastWest Institute sowie Mitglied der gemeinsamen Beratergruppe des Open Society Institute und der Soros Foundations, die in verschiedenen Ländern tätig sind. Darüber hinaus führte er den Vorsitz der Balkan Children and Youth Foundation, des Global Action Council der International Youth Foundation sowie des Governing Council of Interpeace.

Bis 2003 war er Vorstandsmitglied des International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) und bis 2004 Vorsitzender der in Brüssel ansässigen International Crisis Group. Im Oktober 2008 wurde er auch von der UNESCO mit dem Félix Houphouët-Boigny Friedenspreis ausgezeichnet.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Ahtisaari wurde in Finnland, einem Land, das der Sache des Friedens viel intellektuelle Leistung und Geld geopfert hat, mit großer Genugtuung aufgenommen. Das norwegische Nobelkomitee bezeichnete ihn als herausragenden internationalen Vermittler, der durch seinen unermüdlichen Einsatz und seine guten Ergebnisse den Wert der Mediation für die Befriedung internationaler Konflikte unter Beweis gestellt hatte.

Martti Ahtisaari starb am 16. Oktober 2023 im Alter von 86 Jahren.

Von Joseph Brady und Peter Marten, zuletzt im Oktober 2023 aktualisiert.