Dieses Gedankenspiel kann jeder spielen: Nächstes Mal, wenn Sie ein Auto gemietet haben, achten Sie mal darauf, wie lange es dauert, bis Sie den Streckenzähler wieder auf null zurückgesetzt haben. Falls sie nicht mit dem Modell vertraut sind, wird es wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen, bis Sie Ihren Weg durch das Bedienfeld navigiert und sich schlau gemacht haben.
„Mit zunehmendem Einsatz von elektronischen Lösungen ist die alte Benutzerfreundlichkeit zusehends abhanden gekommen“, sagt Heikki Salo von ED Design, ein Unternehmen mit Sitz in der Küstenstadt Turku an der Südwestspitze Finnlands. „Alte Autos besaßen einen kleinen Schalter neben dem Streckenzähler, der auf Anhieb griffbereit war. Jetzt dauert es Minuten, um herauszufinden, wie der Zähler eingestellt werden muss.“
Neue Technologien bringen mannigfache Vorteile, aber häufig sind sie weder ästhetisch ansprechend noch leicht zu bedienen. Einige finnische Unternehmen wollen das jedoch ändern. Finnland hat eine lange Tradition sowohl in Technik wie auch Design, und innovativen Firmen ist es gelungen, eine harmonische Verbindung zwischen den beiden herzustellen. Es geht also im Grunde um die Kernfrage nach dem Gleichgewicht zwischen Form und Funktion.
Von der Technik inspiriert
Wer in Finnland eine lange Zugfahrt unternommen hat, ist höchstwahrscheinlich auch in den Genuss einiger Leistungen Sarah Anundis gekommen. Sie ist die Teamleiterin für industrielles Design bei Link Design, das die neuen Doppeldecker-Speisewagen für Finnlands staatliche Bahngesellschaft VR mitgestaltet hat.
„Man kann sich von den neuen Technologien als entwicklungsfördernde Faktoren für neue Anwendungsmöglichkeiten oder neuartige Produkte und Dienstleistungen inspirieren lassen“, sagt Anundi. „So schaffen die LED-Leuchten die Voraussetzungen für neue Einrichtungslösungen, was insbesondere für kleinere Räume wie beispielsweise in einem Zug ein Vorteil ist.“
Die unterschiedlichsten Menschen bewegen sich in Zügen, von jungen Rucksacktouristen bis zum Reinigungspersonal. Um ihnen allen gerecht zu werden, musste Link Design Technik in sein Design integrieren, von Hochleistungsöfen bis zu automatischen Türen.
Anundi findet Eisenbahnprojekte inspirierend. „Die Restaurantwaggons sind z. B. wichtig, weil sie bei den Passagieren auf langen Zugfahrten ungemein beliebt sind. Sie dienen ihnen als eine Art Aufenthaltsraum“, sagt sie.
Link Design hat an einer Reihe von anderen Projekten teilgenommen, die gutes Design mit Technik paaren, wie Heimautomatisierung, Kommandobrücken auf Schiffen und intelligente Lüftungsanlagen.
„Unser ausgeprägtes Fachwissen in Produktdesign, Produktentwicklung und in der Integration verschiedener Wissensgebiete bildet die wesentliche Grundlage dafür“, erläutert Anundi. „Einer der Vorteile, den Sitz in Finnland zu haben, ist, dass man hier beides, sowohl Spitzenleistungen in Design als auch Technik, vorfindet. Eine solche Synergie ist unabdingbar.“
Unschätzbares Design
ED Design ist ein weiteres finnisches Unternehmen, das sich auf Projekte in der Hightech-Industrie spezialisiert hat. Im Gesundheits- und Wellness-Sektor umfassen ihre zahlreichen Designs Patientenmonitore für GE Healthcare, ein Heizgerät für die finnische Firma Onbone, das deren medizinischen Schienenwerkstoff auf Holzbasis, „Woodcast“, erwärmt, sowie viele andere Produkte wie etwa Röntgengeräte, Anästhesie-Maschinen, Zahnarztinstrumente, Messgeräte und Geräte für Lymphbehandlungen.
„Ein gutes Design trägt dazu bei, die Arbeitsbelastung des Personals im Gesundheitsbereich zu verringern und bessere Wirksamkeit und Ergebnisse hervorzubringen“, sagt Salo. „Je mehr Nutzen die Vorrichtung hat, desto wichtiger ist das Design. Und was könnte wichtiger sein als unsere Gesundheit!“
Ein erfolgreiches Design basiere auf Benutzerfreundlichkeit, der effektiven Anwendung von Technologie und dem Verständnis für die Bedürfnisse des Marktes, so Salo, der alle Erfolgsstorys in der finnischen Gesundheitsindustrie als Beispiele dafür aufzählt, wie ausgewogenes Design zu positiven wirtschaftlichen Ergebnissen geführt hat.
1982 entwarf Salo bereits ein Hightech-Home-Entertainment-System, das einen riesigen an die Wand montierten Flachbildfernseher einschloss. Dieser hatte eine Fernbedienung mit Widgets und einen Touchscreen wie die heutigen intelligenten Geräte. Salo sah schon vor vier Jahrzehnten einen grundlegenden Wandel im Bereich des Home-Entertainments voraus, und jetzt hat er Vorschläge für einen grundlegenden Wandel in der Art, wie Menschen Handel treiben.
„Gute Formgebung hat die Zutaten eines guten Geschäfts“, sagt er. „Was wir tun könnten, ist von simpleren, alltäglichen Möglichkeiten um uns herum Gebrauch zu machen. Was wir brauchen, ist die Vision und Überzeugung, dass wir Wertschöpfung und starke Marken aufbauen können.“
Von David J. Cord, August 2016