In Finnland ist man immer schnell in der Natur – sogar in der Hauptstadtregion. Nur 20 Minuten mit der U-Bahn vom Zentrum Helsinkis entfernt liegt Mellunmäki, die nördlichste U-Bahn-Station der Welt und das Tor zu einer überraschend wilden Landschaft. Hier stellt uns die Wildkräuterexpertin und Köchin Suvi Metsämansikka essbare Wildpflanzen vor und erklärt, warum sie so tolle Zutaten sind.
Eine Beziehung zu Pflanzen baute Metsämansikka schon in ihrer Kindheit auf. Diese frühe Neugierde entwickelte sich zu einer lebenslangen Leidenschaft, die sie schließlich dazu brachte, Wildkräuter zu studieren und ihr Wissen über die Verwendungsmöglichketen dieser Pflanzen mit anderen zu teilen.
Vom Frühjahr bis zum Herbst

Giersch (Aegopodium podagraria) hat einen milden, karottenähnlichen Geschmack und sollte am besten jung geerntet werden. Er eignet sich gut für Pesto und Salate, aber auch ältere Blätter können noch in Eintöpfen verwendet werden. Diese Pflanze gehört zur Familie der Doldenblütler, von denen einige tödlich giftig sind. Daher ist es wichtig, die Pflanze richtig zu identifizieren.
Vom Frühling bis weit in den Herbst hinein bietet die finnische Natur frische essbare Pflanzen. Die ersten Triebe sprießen schon bald nach der Schneeschmelze aus dem Boden.
„Die grünen Teile der Pflanzen sind am besten, wenn sie jung sind“, sagt Metsämansikka.
Giersch und Brennnesseln (Urtica dioica) beispielsweise sind vor ihrer Blüte am aromatischsten.

Die Blüten der Viola tricolor haben einen milden, vanilleartigen Geschmack und eignen sich hervorragend zum Aromatisieren von Zucker zum Backen.
Aber auch die Blüten der Wildkräuter kann man nutzen. Mit ihnen lassen sich hervorragend Salate und Desserts dekorieren, und einige verleihen diesen einen feinen Geschmack. Die Blüten des Wilden Stiefmütterchens (Viola tricolor) haben beispielsweise einen Hauch von Vanille und man kann mit ihnen Zucker zum Backen aromatisieren.
Essbar sind auch die Blüten des Weidenröschens (Chamaenerion angustifolium), des Löwenzahns (Taraxacum) und der Walderdbeere (Fragaria vesca).
Später im Sommer und bis in den Herbst hinein findet man essbare Beeren und Samen.
„Wenn der Herbst naht, sollte man Breitwegerichsamen (Plantago major) sammeln“, sagt Metsämansikka. „Mit ihnen lassen sich der Frühstücksbrei oder Smoothies wunderbar verfeinern.“
Einfacher Start mit Brennnesseln und Löwenzahn

Löwenzahn (Taraxacum) ist ein vielseitiges Wildkraut mit einem angenehm bitteren Geschmack. Er eignet sich für Salate oder kann für Pesto, Kekse oder Aufstriche verwendet werden. Seine Blütenknospen können wie Kapern genutzt werden.

Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosa) verleiht Salaten einen frischen, säuerlichen Geschmack. Sein Verwandter, der Gewöhnliche Sauerampfer, schmeckt noch zitroniger. Da Sauerampfer Oxalsäure enthält, empfiehlt es sich, ihn zusammen mit kalziumreichen Lebensmitteln zu verzehren.

Der Gemeine Sauerklee (Oxalis acetosella) wächst in schattigen Wäldern und hat einen säuerlichen Geschmack. Die Blätter, Stängel und Blüten sind alle essbar und schmecken am besten frisch in Salaten.

Die Blätter des Rotklees (Trifolium pratense) verleihen Suppen und Eintöpfen eine milde, honigartige Note. Vor der Blüte eignen sich die Blätter am besten zum Kochen; die Blüten sind eine farbenfrohe Ergänzung zu Salaten.

Die Blüten des Echten Mädesüß (Filipendula ulmaria) haben einen süßen, marzipanartigen Geschmack und eignen sich hervorragend für die Herstellung von Sirup. Die Blätter können auch für Tee verwendet werden. Die Pflanze enthält jedoch Salicylsäure und sollte von Personen mit einer Aspirinallergie gemieden werden.
Auf die Frage nach ihren Lieblingswildkräutern zögert Suvi Metsämansikka nicht. Ganz oben auf ihrer Liste stehen Löwenzahn und Brennnesseln.
„Beide sind sehr vielseitig verwendbare Wildkräuter, die in der Regel reichlich vorhanden und leicht zu finden sind“, sagt sie. „Löwenzahn hat einen angenehm bitteren Geschmack. Aus den Blütenköpfen kann man Marmelade oder Sirup herstellen und bekommt damit eine vegane Alternative zu Honig. Aus den Blütenständen lassen sich auch köstliche Kekse backen oder sie können als Aromastoff für Sima [ein finnisches Maigetränk] verwendet werden.“
Brennnesseln hingegen eignen sich perfekt für Suppen oder Pesto. Metsämansikka empfiehlt, sie mit anderen Wildkräutern wie Schafgarbe (Achillea millefolium) zu kombinieren, um dem Gericht einen feineren Geschmack zu verleihen. Brennnesseln sollten mit Handschuhen und einer Schere geerntet werden, da die Pflanze auf bloßer Haut brennen kann. Zudem sollte man die Brennnesseln zuerst blanchieren, damit ihre Brennhaare den Mund nicht reizen.
Metsämansikka erinnert Sammler daran, dass nicht jede Wildpflanze essbar ist. „Man sollte nur Pflanzen sammeln, die man sicher erkennt“, sagt sie. „Einige Pflanzen, die essbaren Arten ähneln, können tödlich giftig sein.“
Es ist auch wichtig zu wissen, wie viel man von einer Pflanze bedenkenlos essen kann und ob sie für Kinder geeignet ist.
Regeln für das Sammeln von Wildkräutern

Wenn Suvi Metsämansikka wandern geht, sammelt sie auch gerne Wildkräuter.
„Bei Wanderungen kann man das Essen mühelos am Lagerfeuer oder mit einem tragbaren Kocher zubereiten“, sagt sie. „Wenn Sie in einem Nationalpark oder einem anderen Gebiet wandern, in dem das Sammeln nicht erlaubt ist, können Sie die Zutaten für die Brennnesselsuppe auf dem Weg zum Park sammeln oder von zu Hause mitbringen.“
In Finnland erleichtert das sogenannte „Jedermannsrecht“ den Zugang zur Natur. Dieses Recht erlaubt es, Wildkräuter, Beeren und Pilze ohne Erlaubnis des Landbesitzers zu sammeln.
„Das Jedermannsrecht ist ein wunderbarer Teil des finnischen Lebens“, sagt Suvi Metsämansikka. „Aber es ist trotzdem wichtig zu wissen, was erlaubt ist.“
In Naturschutzgebieten und Nationalparks ist das Sammeln von Kräutern nicht erlaubt, während Beeren und Pilze dort jedoch gesammelt werden dürfen.
Das Ausgraben von Pflanzenwurzeln ist ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers niemals erlaubt, ebenso wenig wie das Entnehmen von Gehölzen, Sträuchern und Baumteilen. Beispielsweise dürfen Blätter der schwarzen Johannisbeere nur auf dem eigenen Grundstück oder mit Genehmigung gepflückt werden. Einige Pflanzen stehen unter Naturschutz und dürfen überhaupt nicht gesammelt werden.
Als Faustregel gilt, dass nur die oberirdischen Teile von krautigen Pflanzen gesammelt werden dürfen.

„Wildkräuter sind nicht nur ökologisch, lokal und saisonal, sondern auch gesund und kostenlos“, sagt Metsämansikka.
„Sie zu sammeln und damit Mahlzeiten zuzubereiten, ist außerdem ein schönes Hobby. Sich in der Natur zu bewegen, fördert das seelische Wohlbefinden.“
Wildkräuter sollten an einem trockenen Tag gesammelt werden, abseits von viel befahrenen Wegen und Straßen. Die Wildkräuter können vor der Verwendung abgespült werden, normalerweise ist dies jedoch nicht notwendig. Die meisten Wildkräuter können roh verzehrt werden, einige sollten jedoch leicht gekocht oder fermentiert werden, um den besten Geschmack zu erzielen.
Brennnesseltee

Die Große Brennnessel (Urtica dioica) ist eine der nützlichsten Wildkräuter. Ihre Blätter eignen sich ideal für Tee, Pesto oder Suppen, und die Samen können zum Backen verwendet werden.
Für 2 Personen
2 dl frische Brennnesseln
1,5 l Wasser
2 Scheiben Bio-Zitrone
Zitrone gründlich waschen und in Scheiben schneiden. Brennnesseln und Zitronenscheiben in eine French Press geben. Wasser auf 80 °C erhitzen und über die Brennnesseln gießen. 5–15 Minuten ziehen lassen.
Text von Anttoni Tumanoff
Fotos von Emilia Kangasluoma