Kiefernzapfen und Milch. So stand es letzten Sommer auf der Speisekarte des Restaurants Solitary.
Als der Küchenchef Remi Trémouille vor einigen Jahren sein erstes eigenes Restaurant eröffnete, waren seine Ziele klar: traditionelle finnische Zutaten in aufregende neue Gerichte verwandeln, alles so nah wie möglich beziehen und die häufig wechselnde Speisekarte nach dem gestalten, was gerade verfügbar ist.
Aus der Vision ist ein weltweit anerkanntes Fine-Dining-Restaurant in der Kleinstadt Rantasalmi geworden. Es hat das Team von Trémouille zu Gerichten mit Zutaten inspiriert, die selbst erfahrene Köche überraschen.
„Seit der Restauranteröffnung habe ich wirklich verstanden, wie viele Zutaten es in der Natur gibt. Aber die Kiefernzapfen waren bei Weitem die größte Überraschung.“
Die kandierten grünen Kiefernzapfen und der hausgemachte Mozzarella mit grünen Erdbeeren der frühen Saison waren ein sofortiger Hit. Obwohl das Gericht – getreu dem Konzept – nur für kurze Zeit auf der Speisekarte stand, fragen die Kunden auch mehr als ein Jahr später noch danach. Trémouille hat gerade eine Nachricht von einem Ehepaar aus Mitteleuropa erhalten, das schon mehr als zehn Mal in seinem Restaurant war. Sie möchten wissen, ob sie bei ihrem nächsten Besuch wieder in den Genuss der Kiefernzapfen kommen können.
„Ich habe noch zehn Kiefernzapfen in der Gefriertruhe, die für ganz besondere Gäste reserviert sind“, verrät er.
Eine überraschende Heimkehr

Die Verpflichtung, nur saisonale und verfügbare Zutaten zu verwenden, bringt es mit sich, dass die Gäste nicht wissen, was auf der Speisekarte von Solitary steht.
Foto: Timo Villanen
Ein Restaurant in einer Stadt mit etwa 3.000 Einwohnern in der ostfinnischen Region Südsavo zu eröffnen, war nicht Trémouilles ursprünglicher Plan. Als er aufwuchs, konnte er es kaum erwarten, Rantasalmi zu verlassen. Er brach die Schule ab, begann in Restaurants zu arbeiten, zog nach Helsinki und arbeitete sich in den Michelin-Stern-Restaurants der Hauptstadt hoch. Jahrelang lebte und arbeitete er in Australien und auf Bali.
Als die Feinschmecker-Restaurants aufgrund der Pandemie schlossen, wurde Trémouille arbeitslos. Dann erhielt er einen Anruf von seinem ersten Chef, Markus Heiskanen. In Rantasalmi wurde das luxuriöse neue Resort Kuru gebaut, und der Unternehmer fragte Trémouille, ob er dort arbeiten wolle.
„Ich fragte meine Frau Laura, die in Helsinki geboren und aufgewachsen ist, ob es ihr etwas ausmachen würde, wenn wir nach Rantasalmi ziehen würden. Sie willigte ein, und hier sind wir“, lacht er.
Die Rückkehr in seine alte Heimatstadt, um dort sein eigenes Restaurant zu eröffnen, war in mehrfacher Hinsicht eine Rückkehr zu seinen Wurzeln.
Trémouille wurde in Frankreich als Sohn eines französischen Vaters und einer finnischen Mutter geboren, verbrachte aber prägende Jahre in Rantasalmi. Zu seinen schönsten Kindheitserinnerungen gehören das Angeln am See mit dem Großvater und das Kochen lokaler Gerichte mit der Großmutter. Die Rückkehr in die Kleinstadt, in der er nun seine eigene Familie gründen wollte, fühlte sich richtig an.
„Ich habe Rantasalmi verlassen, weil die nächsten guten Restaurants damals in Helsinki waren. Heute gibt es in ganz Finnland großartige Restaurants – bis hin nach Lappland.“
Mit der Gründung von Solitary fiel die Wahl auf einen neuen Ansatz für traditionelle finnische Zutaten. Die Kernidee des Restaurants lautet, alles von lokalen Bauern, Fischern, Jägern oder Erzeugern zu beziehen. Das Personal pflückt auch Wildkräuter, die direkt vor dem Restaurant wachsen und wenn Feldhase auf der Speisekarte steht, wurde dieser höchstwahrscheinlich vom Koch und passionierten Jäger Samuli Kuronen mitgebracht.
Das Konzept, mit dem zu arbeiten, was gerade Saison hat und verfügbar ist, bringt es mit sich, dass die Gäste die Speisekarte nie im Voraus kennen. Damit unterscheidet sich das Solitary von vielen anderen Restaurants, in denen „lokale“ Zutaten manchmal von weit her bezogen werden, weil die Speisekarte ein bestimmtes Gericht der Saison verspricht.
„Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben. Wenn das Eis auf dem See so dünn ist, dass die einheimischen Fischer mithilfe von Eislöchern keine Netze darunter auswerfen können, haben wir in der Woche eben keinen Fisch auf dem Speiseplan“, erklärt Trémouille.
Dieser Ansatz birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Einerseits werden Trémouille und sein Team dadurch zu Kreativität und Einfallsreichtum gezwungen, andererseits kann es manchmal auch etwas stressig sein.
„Einmal mussten wir die Speisekarte in einer Woche sechsmal ändern. Um ehrlich zu sein, war das nicht ideal“, sagt Trémouille und lacht.
Es braucht ein ganzes Dorf
Um sein Konzept zu verwirklichen, musste Trémouille enge Beziehungen zu den Menschen vor Ort aufbauen. Der Aufbau von Netzwerken hat viel Zeit und Beinarbeit gekostet, aber Trémouille sagt stolz, dass Solitary heute der größte Kunde für viele Erzeuger in der Region ist.
Die Tragweite der Verwendung lokaler Zutaten in der Haute Cuisine kann über die Lieferkette eines Restaurants hinausgehen.
„Wenn wir traditionelle Zutaten benutzen, um etwas Trendigeres zu machen, hoffe ich, dass wir die Menschen dazu inspirieren, diese Zutaten mehr zu verwenden. Das wiederum trägt zur Entwicklung der lokalen Produktion bei und schafft Arbeitsplätze. Der Sickereffekt kann beträchtlich sein.“
Trémouille ist davon überzeugt, dass der Weg zur „Source Zero“ der beste Weg ist, um die hochwertigsten Zutaten zu gewährleisten. Die Erzeuger, die Trémouille immer nur mit ihrem Vornamen anspricht, achten darauf, dass alles, was sie an das Restaurant liefern, so frisch wie möglich ist. Die enge Zusammenarbeit mit den Einheimischen bietet auch mehr Flexibilität. Erst am Vortag hatte ein Bauer frisch gepflückte Kirschtomaten in Trémouilles Carport abgeliefert, während die Familie übers Wochenende verreist war.
„Würden wir unsere Zutaten über den Großhandel beziehen, wäre das nicht möglich.“
Das Restaurant und seine Philosophie haben sich herumgesprochen, und die Einheimischen haben begonnen, spontan ihre Produkte anzubieten. Deshalb stehen im Restaurant auch 40 Liter Kriechen-Pflaumen, eine Unterart der Pflaume.
„Die Eltern meines Jugendfreundes haben sie mitgebracht. Sie hatten dieses Jahr eine große Ernte und sagten, alle in ihrer Familie seien schon versorgt. Sie fragten mich, ob ich sie verwenden könne. Die Kriechen-Pflaume ist eine völlig neue Zutat für mich. Wir hatten unser Menü für die Woche eigentlich schon geplant, aber jetzt müssen wir uns einfach etwas einfallen lassen“, sagt er und grinst.
Das Restaurant fördert auch den Gemeinschaftssinn. Die Leute sprechen Trémouille im Geschäft vor Ort an und empfehlen den Besuchern gerne das Resort.
„Die Einheimischen sind sehr stolz auf unser Restaurant. Ich kann behaupten, dass wir hier über dreitausend Botschafter haben, die uns alles Gute wünschen und für uns Werbung machen.“
Nach Jahren in Großstädten hat Trémouille in Rantasalmi die richtige Balance zwischen Arbeit und Familienleben gefunden. Hier kann er seine Liebe und Wertschätzung für die Natur und die lokalen Zutaten an seine Kinder weitergeben.
„Wir verbringen viel Zeit draußen und erkunden, was die Natur zu bieten hat. Ich habe die Kinder auch zur örtlichen Schaffarm mitgenommen, damit sie besser verstehen, woher unsere Lebensmittel kommen.“

Remis Auswahl der besten Zutaten der jeweiligen Saison
Foto: Timo Villanen & Getty Images
Frühling Dies ist die Zeit der Wildkräuter wie Brennnesseln und der Verwendung von Knospen verschiedener Bäume. Frühkartoffeln und andere erste Gemüse der Saison sind köstlich.
Herbst Der Frühherbst hat zahlreiche Obst-, Gemüse- und Pilzsorten zu bieten. Mit dem Herbst beginnt auch die Jagdsaison auf Elche, Hirsche und verschiedene Vögel.
Sommer Die Aromen sind am reinsten und leichtesten. Fisch ist jetzt am besten – in Savo insbesondere Kleine Maränen. Wir verwenden auch eine Menge Wildblumen.
Text Lotta Heikkeri, ThisisFINLAND Magazine