Klingt wie Finnland: Das Wesen des Landes in Musik eingefangen

Wie hört sich ein Land an? Finnland wollte diese Frage beantworten, indem es als erste Nation der Welt eine offizielle nationale Klanglandschaft geschaffen hat. Einschalten, Play drücken und Finnland erleben – kein Flugticket erforderlich.

Der international renommierte Komponist und Musiker Lauri Porra hat das Werk geschaffen – eigentlich 15 Kompositionen, insgesamt eine Stunde Musik.

Wer jemals Heimweh hatte, kennt das Gefühl, wenn man die Augen schließt und Erinnerungen lebendig werden. Geräusche, Gerüche, Empfindungen. Menschen und Orte. Sie sind zwar alle für uns etwas Persönliches, aber zusammen genommen bilden sie auch die Konturen eines Landes.

Finnland hat sich bemüht, diese Sensibilität in einem Musikstück einzufangen und gab ihm den Titel „Ääniä: Finnlands offizielle Klanglandschaft“. („Ääniä“ bedeutet auf Finnisch „Klänge“, „Töne“ oder „Stimmen“).

Klang verfügt über die einzigartige Fähigkeit, starke Emotionen und Erinnerungen hervorzurufen, was Audio zu einem hervorragenden Mittel macht, Finnlands einmalige Identität sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes zu vermitteln. Außerdem ist es ein Medium, auf das die meisten Menschen in der ganzen Welt leicht zugreifen können.

Über Sprachen und Grenzen hinweg

Eine Luftaufnahme eines ruhigen Sees, der von mehreren bewaldeten Landzungen durchbrochen wird.

Halbinseln bilden Buchten auf einem See im mittelfinnischen Leivonmäki-Nationalpark.Foto: Markus Sirkka/Visit Finland

„Die Finnen waren schon immer tief mit ihrer natürlichen Umgebung und ihrem kulturellen Erbe verbunden“, sagt Finnlands Botschafterin für Kultur und Kreativwirtschaft, Paula Parviainen. „Wir wollten dies einem breiteren Publikum auf eine Weise zugänglich machen, die Sprachen und Grenzen transzendiert. Uns schwebt vor, dass die Klanglandschaft einen Moment Ruhe und Frieden in das tägliche Leben der Menschen bringt. Der Einzelne kann sich damit einen Moment der Entspannung und Reflexion verschaffen.“

Drei Wanderer in Winterkleidung stehen zwischen schneebedeckten Bäumen und blicken auf einen zugefrorenen See in der Ferne.

Die schneebedeckte Winterlandschaft ist genauso dramatisch wie die grünen Wälder im Sommer.Foto: Jussi Helttunen/Visit Finland

Die Grundidee für „Ääniä“ ergab sich ursprünglich aus Gesprächen zwischen Parviainen und Porra, einem Komponisten und Musiker, der mit berühmten Orchestern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet hat. Er fungiert auch als musikalischer Leiter für das Unternehmen Moomin Characters, das die Rechte an den beliebten Figuren verwaltet, die von der finnischen Künstlerin und Autorin Tove Jansson erfunden wurden.

Porra ist einer der weltweit gefragtesten Komponisten Finnlands und sehr reisefreudig, ist er immerhin in mehr als 50 Ländern aufgetreten. Auf seinen Reisen, während unzähliger Stunden in Flugzeugen und Hotelzimmern, hat er festgestellt, dass er die Orte und Momente vermisst, die er zu Hause so schätzt.

„Je mehr ich reiste, desto tiefer wurde meine Liebe für und Sehnsucht nach dem Heimatland“, bemerkt er.

Gefühle und Orte

Der Komponist Lauri Porra erzählt, was ihn zum Schreiben von „Ääniä“ inspiriert hat.
Video: Markku Pajunen

Porra stammt in vierter Generation aus einer historischen Musikerfamilie. Sein Urgroßvater war der weltberühmte finnische Komponist Jean Sibelius, sein Großvater der Dirigent Jussi Jalas und seine Mutter war Oboistin an der Finnischen Nationaloper. Angesichts von Porras Hintergrund und Beruf war es nur natürlich, dass Musik zu seinem Mittel wurde, mit seinem Heimweh fertigzuwerden.

„Durch mein Weggehen, habe ich meine eigene finnische Identität entdeckt und Dinge, die ich hier für das Wichtigste halte,“, sagt er. „Aus dem Grund habe ich angefangen, Musik für mich selbst zu machen, zunächst, um sie im Flugzeug zu hören, wenn mir das Herz weh tat und ich nicht nach Finnland zurückkehren konnte, in die Wälder oder zum Rudern auf dem See.“

Laut dem Komponisten handelt es sich nicht wirklich um ein Musikstück zum Anhören im herkömmlichen Sinne, sondern eher um ein Klangwerk, das darauf abzielt, sowohl geistige als auch physische Räume, Empfindungen und Orte zu beschreiben.

Freiraum zu denken, fühlen und leben

Eine Person sitzt an einem Sommertag auf einem großen Felsen und blickt auf einen See mit Inseln.

Die Landschaften und atemberaubenden Aussichten im ostfinnischen Koli-Nationalpark haben bekanntermaßen viele berühmte Künstler und Musiker Finnlands inspiriert.Foto: Harri Tarvainen/Visit Finland

„Die (Instrumentierung der) Komposition umfasst Cello, Violine, Flöte, Kantele (ein traditionelles Instrument aus der Zitherfamilie, das Finnlands Nationalinstrument ist), Gitarre, Schlagzeug und in der Natur aufgenommene Geräusche“, zählt Porra auf. „Es handelt sich hier um subtile, minimalistische Musik, die nicht so sehr zum Anhören gedacht ist, sondern vielmehr dazu, eine Atmosphäre zu schaffen. Was veranschaulicht wird, ist Raum. In Finnland gibt es nicht nur in der Natur, sondern auch in der finnischen Lebensweise Freiraum zum Denken, Fühlen und Leben.“

Finnlands Klanglandschaft nimmt die Hörer mit auf eine Reise durch das Land und bietet kurze Einblicke in unterschiedliche Umgebungen, Momente und Situationen. Sie regt sie auch zum Meditieren und Innehalten an und verschafft ihnen so eine Auszeit von der Hektik des Alltags.

Eine Person steigt eine Holztreppenanlage an einem felsigen Berghang hinab, der einen Wald überblickt.

Eine Stufenanlage erleichtert den Aufstieg im nordostfinnischen Salla-Nationalpark.Foto: Harri Tarvainen/Visit Finland

„Uns schwebt vor, dass die Klanglandschaft in Botschaften, bei kulturellen Veranstaltungen und sogar im politischen Kontext oder einfach von Einzelpersonen in ihrem täglichen Leben zum Einsatz kommt“, hofft Parviainen. „Ob man sich in einer überfüllten U-Bahn befindet oder an einer offiziellen Veranstaltung teilnimmt, die Klanglandschaft kann einen Moment der Ruhe und Besinnung bieten und es ermöglichen, Finnlands Schönheit, Beschaulichkeit und Vielfalt zu erleben.“

Parviainen hofft auch, dass das Musikstück Menschen auf der ganzen Welt dazu inspirieren wird, Finnland mit seiner unberührten Natur, den wechselnden Jahreszeiten und der sauberen Luft zu entdecken, all das in Kombination mit der Dynamik des städtischen Lebens und einer reichen Kulturszene.

Den eigenen Happy Place finden

Ein Mann mit langen Haaren und kurzem Bart sitzt auf einem glatten Holzstuhl und blickt in die Kamera.

Für „Ääniä” schöpfte der Komponist Lauri Porra aus den Momenten und Erfahrungen, die ihm zufolge den einzigartigen Geist Finnlands verkörpern.Foto: Markku Pajunen

Während des Schaffensprozesses kehrte Porra zu seinen persönlichen Happy Places in Finnland zurück, um sich von ihnen inspirieren zu lassen, und damit zu den Momenten und Erlebnissen, die für ihn den einzigartigen Geist des Landes widerspiegeln.

„Diese Orte sind für mich persönlich Heinola, Lammassaari, Koli, Lappland und der Schärengarten“, sagt er. „Es gibt auch bestimmte städtische Räume. Jeder von ihnen ist mit einer Emotion verbunden, und ich versuche, dieses Gefühl in der Musik einzufangen. Ich lasse mich von etwas zutiefst Persönlichem inspirieren, aber das Ziel ist, beim Zuhörer Gefühle hervorzurufen. Das Wichtigste ist, dass die Menschen ihren eigenen Happy Place finden.“

Ein großer Baum liegt auf dem Boden vor aufragenden Bäumen, die Schatten auf den Waldboden werfen.

Der Rokua-Nationalpark liegt etwa eine Autostunde von der nordfinnischen Stadt Oulu entfernt.Foto: Saara Airaksinen/Visit Finland

Mit seinen familiären Beziehungen zu Jean Sibelius, Finnlands berühmtestem Komponisten, dessen Werke bekanntermaßen die finnische Nationalidentität verkörpern, ist Porra wie geschaffen für das Soundscape-Projekt. Anstatt jedoch Parallelen zwischen seiner Musik und der seines Urgroßvaters zu ziehen, glaubt er, dass die beiden eine gemeinsame Liebe zur finnischen Natur und Landschaft verbindet.

„Wenn etwas in mir brennt, dann ist es wahrscheinlich meine tiefe Liebe zu Finnland“, sagt Porra. „Meine Familie hat eine starke Tradition, was die Nationalromantik und das Finnischsein betrifft, vielleicht liegt das in der Familie. Wir genießen den Blick auf Kiefern, die auf Klippen stehen. Diese Art, die Welt zu betrachten, ist wahrscheinlich eher vererbte Eigenschaften als genetische.“

Von Elna Nykänen Andersson, Dezember 2024

Ääniä: Finnlands offizielle Klanglandschaft